Projekt 11951/01

Modellhafte Beseitigung von Schäden an Holzbauteilen der umweltbelasteten Herwigsdorfer Kirche (Sachsen) mit anschließenden Weiterbildungsmaßnahmen

Projektträger

Ev.-Luth. Kirchengemeinde Herwigsdorf
Kirchweg 5
02708 Bischdorf
Telefon: 03585/481401

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Instandsetzung des durch Umweltschäden, tierische und pflanzliche Holzschädlinge sowie Überlastung in Zusammenhang. mit der Schiefstellung und Umbauten des Innenraums in der Barockzeit stark geschädigten Dachreiters und der Deckenbalkenlage mit den Maßgaben: Ausschöpfung der sinnvollen Möglichkeiten zum Substanzerhalt, weitere Ablesbarkeit der Sicherungsmaßnahmen aus drei Jahrhunderten, Anwendung traditionellen Zimmererhandwerks und Einbeziehung neuerer Reparaturmöglichkeiten z. B. bei Holzverbindungen. Das Vorhaben soll in modellhafter Weise Gegenstand der Aus- und Weiterbildung von Zimmerern, Architekten und Ingenieuren im ostsächsischen Raum sein.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenDer Ausführungsplanung liegt ein verformungsgerechtes Aufmaß zugrunde. Zu prinzipiellen Fragen der Ausführung fand im Mai 1998 ein Fachkolloquium mit eingeladenen Zimmerermeistern, Statikern und Bauingenieuren statt. Die Instandsetzung soll in zwei Jahresscheiben erfolgen. Dem Baubeginn geht eine ausführliche Darstellung der Schadensbilder vor der interessierten Fachöffentlichkeit voraus. Dann wird zuerst der Reiter durch möglichst schadensarmes Demontieren der Haube und Laterne entlastet (Reparatur derselben am Boden). Dann werden abgesteifte Balkenlage und Dachstuhl unter größtmöglicher Schonung des barock ausgestalteten Innenraums instandgesetzt, wobei insbesondere hier traditionelle und moderne Holzverbindungen und Ausführungsdetails zu verflechten sind. In der zweiten Phase wer-den Turmstumpf und Abstrebungen instandgesetzt- die Schiefstellung bleibt erhalten- und die Haube mit Laterne montiert. Insbesondere die zweite Phase bedarf der Begleitung in Sachen Aufnahme und Dokumentation der Holzbauteile und -verbindungen. Auf die sonstigen Bauleistungen (Dachdeckung,...) wird hier zweckmäßigerweise nicht eingegangen.
Die Arbeiten werden in beiden Phasen von Weiterbildungsangeboten begleitet. Es soll ferner versucht werden, Auszubildende in die Arbeiten einzubeziehen. Nach Abschluss der Arbeiten erfolgt in geeigneter Weise eine Dokumentation weitergabefähiger Erfahrungen und Erkenntnisse.


Ergebnisse und Diskussion

Abweichend von der Planung wurde auf Drängen des Landesamtes für Denkmalpflege sowie wegen technologischer Schwierigkeiten auf die Demontage von Haube/Laterne/Spitze verzichtet. Dadurch wur-den Planer und ausführende Zimmererfirma noch mehr herausgefordert, da durch die verbliebenden Bauteile mit Eigenlasten und Windkräften bedeutend kritischere Bauzustände abzusichern waren als eigentlich geplant. Dies ist letztlich gelungen.
Nach Demontage der Renaissance- Felderdecke mit ausführlicher Dokumentation wurde im ersten Bauabschnitt nach umfangreichster Absteifung im Innenraum die Balkendecke instandgesetzt. Dabei kam überwiegend das sogenannte BVD- Sanierungsanker- Verfahren (Bertsche) zur Anwendung, da wegen der hohen einwirkenden Kräfte und ungünstiger Rückschnittbedinguingen der u.a. mit Echtem Hausschwamm befallenen Holzbauteile traditionelle Verbindungen nur eingeschränkt ausführbar waren.
Mit hydraulischen Hebern wurde die Balkenlage mit dem Dachreiter seitenweise ausgehoben und so die kritische Schieflage des Reiters etwas zurückgenommen. Mit einem Zugstabsystem (Besista) wurden unter Verwendung von vorhandenen Zangen zur Verteilung der Vertikallasten zwei Fachwerkträger im Reiterbereich gebildet. Parallel zu den Arbeiten erfolgte eine baubegleitende Dokumentation durch das Görlitzer Fortbildungszentrum für Handwerk und Denkmalpflege.
Im zweiten Bauabschnitt erfolgte die Instandsetzung des Reiters selbst. Dieser war sehr geschädigt. Fünf der acht Ecksäulen mussten auf bis zu 8,5 m Länge gestoßen werden. Unter Verwendung von belastbaren Schichtholz (Kerto) konnten diverse Überlaschungen und Stöße so ausgeführt werden, dass maximal Originalsubstanz erhalten werden konnte. Die bauzeitlichen Absteifungen im Reiter sowie die handwerkliche Ausführung der Holzarbeiten gestalteten sich sehr schwierig. Auf ergänzende Stahlverspannungen konnte nicht verzichtet werden.
Im Zuge der Arbeiten wurde ein Weiterbildungsseminar für Zimmerer mit Besichtigung der Baustelle durchgeführt. Überdies wurde das Vorhaben in die am Görlitzer FBZ laufenden Weiterbildungen einbezogen. Es wurde ein maßstäbliches Holzmodell von Dachtragwerk und Dachreiter mit Kennzeichnung der ausgetauschten bzw. ergänzten Bauteile angefertigt, dass nun im Görlitzer FBZ für die laufende Weiterbildung zur Verfügung steht.
Nach Abschluss der Arbeiten wird nun im Zuge der laufenden Ausbildung zum Restaurator im Handwerk ein Abschlussgespräch mit Besichtigung erfolgen.
Die Sicherungsmaßnahmen aus mehreren Jahrhunderten sind ablesbar geblieben. Es wurde ein größtmöglicher Anteil an Originalsubstanz erhalten. Der Reiter hat seine Schiefstellung in geminderter Weise erhalten. Die Felderdecke konnte im wesentlichen schadensfrei wieder eingebaut werden.
Wegen des sehr engen Finanzierungsrahmens mussten bei der Ausführung Kompromisse gemacht werden. Da dies letztlich in der Region Normalität ist, war die kostengünstige Lösung bei nichtsdestoweniger denkmalpflegerischem Anspruch nur zu berechtigter Teil der Diskussionen und Gespräche im Rahmen der Weiterbildungsmaßnahmen. Ferner stieß insbesondere die Anwendung der modernen Verfahren auf besonderes Interesse bei den Fachhandwerkern und Technikern.
Die Bauherrin hätte sich allerdings ein sich in höheren Teilnehmerzahlen ausdrückendes, größeres Interesse unter den Fachleuten gewünscht. Möglicherweise stand der regional extreme Überlebens- und Preiskampf unter den Fachbetrieben einer regeren Beteiligung entgegen. Durch die Verwertung der beim Vorhaben Kirche Herwigsdorf gesammelten Erfahrungen in der lfd. Weiterbildungsarbeit des Görlitzer FBZ können jedoch noch weitere Zielgruppen erreicht werden.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Die Bauherrin ermöglichte mit Führungen während der Arbeiten eine rege Anteilnahme der interessierten Öffentlichkeit. Das Görlitzer FBZ hat Ausstellungstafeln hergestellt, die bei regionalen Fachmessen und Veranstaltungen bereits verwendet wurden.


Fazit

Das Vorhabenziel wurde trotz des engen Finanzierungsrahmens in vollem Umfang erreicht. Die Instandsetzung im Bestand, d. h. ohne Demontage des Reiters wurde seitens der Denkmalpflege besonders anerkannt. Die geplanten Weiterbildungsmaßnahmen wurden durchgeführt bzw. sind teilweise noch integrativer Bestandteil der derzeit laufenden Ausbildung zum Restaurator im Handwerk am Görlitzer Fortbildungszentrum für Handwerk und Denkmalpflege. Dachtragwerk und Dachreiter der Dorfkirche Herwigsdorf konnten vor dem Einsturz bewahrt werden.

Übersicht

Fördersumme

96.794,20 €

Förderzeitraum

01.01.1999 - 28.01.2002

Bundesland

Sachsen

Schlagwörter

Ressourcenschonung
Umweltkommunikation