Projekt 08714/01

Förderschwerpunkt Bioabfallverwertung (2): Optimierende Öffentlichkeitsarbeit bei bestehender Bioabfallsammlung in urbanen Strukturen am Beispiel der Stadt Heidelberg

Projektträger

Ingenieurgemeinschaft Witzenhausen Fricke & Turk (IGW) GmbH
Bischhäuser Aue 12
37213 Witzenhausen
Telefon: 05542/9308-0

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Das Projekt verfolgt das Ziel, allgemeingültige Handlungskonzepte und Lösungswege zur Senkung von Fremd- und insbesondere Schadstoffen im Kompost zu erarbeiten. Dabei stehen Städte im Mittelpunkt, in denen die Bioabfallsammlung bereits länger etabliert ist. Anlaß des Projektes ist das Ziel der Stadt Heidelberg, ihre seit ca. 1987 etablierte Bioabfallsammlung zu optimieren. Aufgrund interner Untersuchungen des Inputs (1996) wurde deutlich, daß die bestehenden Probleme schnelles Handeln erfordern.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten Methoden1. Nach einer Voruntersuchung werden die Abfuhrgebiete der Stadt nach Gebietskategorien (vgl. FRICKE et. al. In: Müllhandbuch, 1994) werden unterschiedliche Modellgebiete ausgewählt, in denen in mehrmaligen Durchläufen die Optimierungsmaßnahmen erfolgen. Die Modellgebiete unterscheiden sich vor allem in ihrer Bebauungsstruktur, wobei die Ein- bzw. Zweifamilienhausbebauung und die Mehrgeschoßbauweise berücksichtigt werden.
2. Es werden Maßnahmen durchgeführt, die sich einerseits flächenhaft an alle Bewohner in einem Modellgebiet richten, anderseits kommen solche zum Einsatz, die sich nur an die Störstofflieferanten richten. Weiterhin wird zwischen Maßnahmen zur Senkung des Anteils stark verunreinigter Biotonnen einerseits und wenig verunreinigten Biotonnen andererseits unterschieden. Damit soll die Fragestellung geklärt werden, ob die geringe Anzahl stark verunreinigter Biotonnen für das Schadstoffniveau im Kompost stärker verantwortlich ist als die andere Kategorie, bei denen man eher von unabsichtlicher Verunreinigung ausgehen muß.
3. Die Wirkung der Maßnahmen zur Öffentlichkeitsarbeit wird durch anonymisierte Störstoffsortierungen festgestellt.
4. Zusätzlich wird eine bundesweite Umfrage zum Stand der Bioabfallsammlung durchgeführt, wobei ein wichtiges Ziel in der Ermittlung bereits mit Erfolg angewandter Methoden und Maßnahmen zur Öffentlichkeitsarbeit ist.


Ergebnisse und Diskussion

Die im Rahmen der Durchführung des Modellversuches zur Optimierung der Bioabfallsammlung in
Heidelberg gewonnenen Erkenntnisse zeigen, daß durch regelmäßige Öffentlichkeitsarbeit in der Abfallwirtschaft erneut das Bewußtsein für den Sinn der Abfalltrennung geschärft und damit eine dauerhaft gute Produktqualität erzielt werden kann. Daß dies mit vergleichsweise geringem Aufwand möglich ist, konnte durch die vorliegende Untersuchung gezeigt werden, durch die ein vergleichsweise gering störstoffbelasteter Bioabfall noch weiter optimiert werden konnte.
Im Einzelnen lassen sich die Ergebnisse aus den in der Stadt Heidelberg durchgeführten umfangreichen Untersuchungen wie folgt zusammenfassen:
Ä Die Ergebnisse der Sortierungen zeigen, daß die Hauptstörstoffeinträge in den Bioabfall der Stadt Heidelberg einerseits flächenhaft (Folien/Beutel, DSD-Verpackungen) und andererseits punktuell (Sonstiges; Buntdrucke) eingetragen werden. Insbesondere die Fraktion "Sonstiges" setzt sich aus spezifisch schweren Abfällen zusammen, die zum Teil nur aus einer Biotonne stammen und sowohl das Störstoffniveau als auch die Störstoffverteilung stark beeinflussen können.
Ä Die hohen Anteile an "Folien und Beutel" resultieren aus deren Verwendung als Erfassungs- oder Hilfssystem. Ein klar erkennbarer Schwerpunkt dieses Störstoffeintrages liegt in der Mehrfamilienhausbebauung, insbesondere bei Häusern mit mehr als 10 Wohnungen.
Ä In Gebieten mit Einfamilienhausbebauung wurden tendenziell niedrigere Störstoffgehalte ermittelt als in den übrigen Gebietsstrukturen mit reiner Wohnnutzung. Die Störstoffgehalte in den Modellgebieten mit Mischnutzung aus Wohnen und Kleingewerbe sind deutlich höher als in reinen Wohngebieten.
Ä Das angewandte Verfahren der visuellen Störstoffbonitierung ist geeignet, wiederholt mit Störstoffen verunreinigte Biotonnen zu ermitteln und in Abhängigkeit des Verunreinigungsgrades und der Anzahl der Beanstandungen entsprechende Maßnahmen einzuleiten.
Ä Durch die im Rahmen des Modellversuches durchgeführten Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit konnte der mittlere Störstoffgehalt im Bioabfall um ca. 30% reduziert werden. Darüber hinaus konnte die Anzahl der insgesamt beanstandeten Biotonnen gesenkt werden.
Ä In der Einfamilienhausbebauung sind meßbare Erfolge durch nur ein unadressiertes Anschreiben zu erzielen. Dagegen ist in den anderen Bebauungstrukturen (mehrgeschossige Wohnhäuser) häufig eine zweite und dritte Aufforderung zur sortenreinen Trennung der Bioabfälle notwendig, um das Störstoffniveau nachhaltig zu minimieren.
Ä Die Gegenüberstellung der Ergebnisse der visuellen und technischen Störstofferkennung ergab zum Teil deutlich höhere Beanstandungsquoten durch die visuelle Störstofferkennung. Demnach ist das technische System nur bedingt zur Überwachung der Bioabfallsammlung geeignet. Aufgrund der umfassenden Datenbereitstellung aller im Entsorgungsgebiet geleerten Biotonnen kann es dennoch zur Erkennung negativer Entwicklungen eingesetzt werden. Die Daten liefern jedoch keinen Hinweis auf die tatsächlich vorhandene Störstoffbelastung und -zusammensetzung.
Ä Im Rahmen des Modellversuches sollte beispielhaft überprüft werden, ob die persönliche oder die schriftliche Aufforderung eine effizientere Methode zur Optimierung der Bioabfallqualität darstellt. Die Ergebnisse der diesbezüglich durchgeführten Untersuchungen lassen jedoch keine eindeutige Aussage zugunsten einer Methode zu.
Für eine Optimierung der Öffentlichkeitsarbeit, die im Rahmen der nachhaltigen Integration des Systems der getrennten Erfassung und Verwertung organischer Abfälle durchgeführt wird, konnten mit Hilfe der bundesweiten Befragung verschiedene Ansatzpunkte ermittelt werden.
Im Einzelnen können die Ergebnisse und Lösungsansätze wie folgt zusammengefaßt werden:
Ä Im Gesamtsystem der Bioabfallverwertung wurde der größte Handlungsbedarf im Bereich der Bioabfallsammlung gesehen. Nach Auffassung der Verwaltungseinheiten müßte vordringlich eine Reduzierung der Störstoffgehalte angestrebt werden.
Ä Das Instrumentarium der Öffentlichkeitsarbeit stellt nach Meinung des überwiegenden Teils der Verwaltungseinheiten den effektivsten Handlungsansatz zur Reduktion der Störstoffe dar. (Im Vergleich mit Gebührensystem, Behälterausstattung etc..)
Ä Der Schwerpunkt der Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit wird bzw. wurde vom Großteil der Verwaltungseinheiten auf den Zeitraum vor Beginn der Bioabfallsammlung gelegt. Mit beginnender Bioabfallsammlung werden die Maßnahmen sehr stark eingeschränkt. Nach Auffassung der IGW sollte die Öffentlichkeitsarbeit in einer gewissen Kontinuität auch nach dem Beginn der Sammlung fortgesetzt werden.
Ä In rund 35% der Verwaltungseinheiten wurden nur sehr wenige Maßnahmen mit geringer Reichweite (wenig Bürgerinnen und Bürger, keine persönlichen Kontakte, keine Motivationsansätze) durchgeführt, so daß eine ausreichende und nachhaltige Information der Bürgerinnen und Bürger nicht gewährleistet werden kann. In diesen Verwaltungseinheiten sind die Störstoffgehalte in den Bioabfall tendenziell höher als in Verwaltungseinheiten mit sehr guter bzw. guter Öffentlichkeitsarbeit.
Ä Die Störstoffgehalte im Bioabfall liegen in 40% der Verwaltungseinheiten über 3%, in 12% der Verwaltungseinheiten sogar über 5%. In 42% der Verwaltungseinheiten ist der Störstoffgehalt im Bioabfall im Zeitraum der Bioabfallsammlung unverändert geblieben, in 15% ist er gestiegen.
Ä In 18% der Verwaltungseinheiten konnte der Störstoffgehalt gesenkt werden. Als Haupteinflußfaktor wurden Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit benannt.
Ä Als Verursacher vergleichsweise hoher Störstoffgehalte im Bioabfall wurden vorwiegend Bewohner in verdichteten Wohngebieten (z.B. Hochhausbebauung), ausländische Mitbürger sowie sozial schwache Gruppen benannt. Deshalb sollten sich die Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit zunächst auf diese Gruppen konzentrieren.
Hinsichtlich der Siedlungsstruktur besteht ein besonderer Handlungsbedarf zur Reduktion der Störstoffgehalte im Bioabfall in Innenstadtgebieten.
Ä Die Maßnahmen für die benannten Zielgruppen im Rahmen einer kontinuierlichen Öffentlichkeitsarbeit sollten auf die konkreten Verhältnisse vor Ort angepaßt werden, damit die Maßnahmen nicht wie bislang von vielen Verwaltungseinheiten angegeben, erfolglos bleiben. Richtungsweisend bei allen Planungsschritten sollte dabei die sozioökonomische und örtliche Situation der jeweiligen Zielgruppe sein.
Ä Informationen zur Reduktion von Störstoffen in Küchenabfällen kommt bei allen Maßnahmen besondere Bedeutung zu, da der Störstoffeintrag vorwiegend über Küchenabfälle erfolgt (zu 90%).
Ä In nahezu allen Verwaltungseinheiten mit Anschluß- und Benutzungszwang besteht die Möglichkeit der Befreiung bei schriftlich erklärter Eigenkompostierung aller organischen Abfälle. Ergebnisse zahlreicher Resthausmüllanalysen der IGW belegen, daß der Organikgehalt im Resthausmüll von Eigenkompostierern signifikant höher ist als bei Biotonnennutzern. Deshalb sollten vor Bewilligung der Anträge auf Befreiung von der Bioabfallverwertung zumindest stichprobenartig die Voraussetzungen zur Eigenkompostierung überprüft werden (Garten vorhanden, Kenntnisse über Eigenkompostierung und Lästlingsprobleme). Darüber hinaus empfiehlt sich in gewissen Abständen eine stichprobenartige Kontrolle der Resthausmüllbehälter. Die Voraussetzungen für die genannten Kontrollmöglichkeiten sollten satzungsrechtlich festgeschrieben sein.
Das Thema Eigenkompostierung sollte, nicht nur aus den genannten Gründen, Bestandteil der kontinuierlichen Öffentlichkeitsarbeit sein.
Ä Die Ermittlung der Kosten für Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit zur Einführung der Bioabfallsammlung ergab einen relativ geringen Betrag von im Median 1,65 DM /Ew*a (obere Quartile 3,22 DM/Ew*a). Dieser Betrag gibt einen Hinweis darauf, daß die Kosten für Öffentlichkeitsarbeit in den meisten Verwaltungseinheiten relativ gering veranschlagt werden. Höhere Störstoffgehalte im Bioabfall (> 3%) verursachen mitunter erhebliche Probleme bei der Verarbeitung der Bioabfälle. Es stellt sich daher die Frage, ob sich höhere Investitionen in präventive Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit im Vergleich mit den Kosten für technischen Einrichtungen oder höheren Personaleinsatz etc. zur Störstoffabtrennung bzw. einer Mitverarbeitung höherer Störstoffgehalte auf Kompostanlagen nicht langfristig kostengünstiger darstellen.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Die Ergebnisse der bundesweiten Umfrage zum Stand der Bioabfallkompostierung werden für alle Interessierten ab dem 17. April 2000 im Internet zugänglich sein. Die Adresse ist www/igw.witzenhausen.de.
Weiterhin werden die Ergebnisse in verschiedenen abfallwirtschaftlichen Zeitschriften (EUWID, Müll und Abfall) veröffentlicht.
Eine Vorstellung der Ergebnisse ist auch in Form einer Tagung geplant, die in Zusammenarbeit mit dem Knoten Weimar (Bauhaus-Universität Weimar, Prof. Bidlingmaier) oder dem ANS stattfinden wird.


Fazit

Aus den Ergebnissen des Praxisversuches in Heidelberg lassen sich folgende Empfehlungen für eine nachhaltige Optimierung der Qualität der über die Getrenntsammlung erfaßten Bioabfälle in urbanen Sammlungsgebieten ableiten:
Ä Durch Störstoffsichtungen von Bioabfallchargen, die über die verschiedenen Touren eines Entsorgungsgebietes im Müllfahrzeug erfaßt werden, können Gebiete mit erhöhtem Handlungsbedarf erkannt werden.
Ä In den Problemgebieten sollte die jeweilige Sammeltour durch qualifiziertes Personal wiederholt begleitet und jede einzelne Biotonne in Augenschein genommen werden. Diese Untersuchungen können auch durch den Einsatz eines technischen Störstofferkennungssystems vorgenommen werden. Allerdings ist aufgrund der reduzierten Trefferquote der technischen Störstofferkennung der visuellen Störstofferkennung der Vorzug zu geben.
Ä Die Aufforderung zur Einhaltung der Trennvorgaben sollte im Anschluß an die visuellen Kontrollen durch eine direkte schriftliche Rückmeldung an Nutzer beanstandeter Biotonnen erfolgen. Dabei ist eine je nach Häufigkeit und Grad der Beanstandung abgestufte Aufforderung vorzusehen. Hausbesuche sollten nur in den Haushalten durchgeführt werden, deren Biotonne dreimal beanstandet wurde.
Ä Bei wiederholter, d.h. mehr als dreimaliger Beanstandung sollte die Biotonne abgezogen werden.
Im Mittelpunkt der Anschreiben sollte die Störstofffraktion Folien und Beutel stehen. Mit den neuen biologisch-abbaubaren Werkstoffen steht eine umweltfreundliche Alternative zur Verfügung, die den häufig genutzten Kunststoffbeutel als Einsatz im Vorsortiergefäß vollwertig ersetzen kann. Darüber hinaus sollte die Öffentlichkeitsarbeit wiederholt auf die Probleme des Schadstoffeintrages durch Sonderereignisse eingehen.

Übersicht

Fördersumme

96.557,47 €

Förderzeitraum

01.04.1997 - 28.06.2000

Bundesland

Bayern

Schlagwörter

Ressourcenschonung
Umweltkommunikation
Umwelttechnik