Projekt 08522/01

Innovative Signalverarbeitung in der Umweltseismik

ProjekttrÀger

Ruhr-UniversitĂ€t BochumFakultĂ€t fĂŒr ElektrotechnikLehrstuhl fĂŒr Signaltheorie
UniversitÀtsstr. 150
44780 Bochum
Telefon: 0234/322-6996

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Ein zentrales Thema im Umweltschutz ist die Untersuchung von VerdachtsflĂ€chen, von denen eine Gefahr fĂŒr die SchutzgĂŒter Boden, Luft und Wasser ausgehen könnte. Geophysikalische Methoden bieten in diesem Anwendungsfeld neue AnsĂ€tze, um effizient und flĂ€chenhaft Erkundungsarbeiten durchzufĂŒhren. Hierbei ermöglichen besonders seismische Verfahren eine hohe Auflösung von Strukturen im Untergrund.
Seismische Verfahren, die in der Erdöl-/Erdgasexploration erfolgreich angewendet werden, können nicht ohne eine Anpassung zur Erkundung von kleinrĂ€umigen oberflĂ€chennahen Strukturen ĂŒbertragen werden. Hier sind die Meßtechnik und die Signalverarbeitung gefordert. Die Aufgabe in der Umweltseismik besteht darin, spezielle Methoden zur Datenerfassung, -verarbeitung und -auswertung zu entwickeln und an konkreten AnwendungsfĂ€llen zu erproben. Eine effiziente Datenerfassung und Signalverarbeitung dient nicht zuletzt der Verringerung des Meßaufwands und macht umweltseismische Untersuchungsverfahren damit wirtschaftlich nutzbar. Umweltseismische Methoden liefern einen flĂ€chenhaften Schnitt des Untergrundes entlang eines Meßprofils, wĂ€hrend mit Bohrungen nur punktuelle Informationen gewonnen werden können. Die Ergebnisse lassen sich leicht in Untergrundmodelle umsetzen, die auch von Kollegen anderer Fachdisziplinen genutzt werden können.
In der Umweltseismik werden die Raumwellen, die ĂŒblicherweise zur Auswertung kommen, durch leistungsstarke OberflĂ€chenwellen ĂŒberlagert. Ziel des Forschungsprojektes ist es deshalb, geeignete Verfahren zur Erfassung und Auswertung umweltseismischer Meßdaten zu entwickeln.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenDas Projekt wurde in drei Phasen aufgeteilt: VerfahrensklĂ€rung, Methodenentwicklung und Praxiserprobung. Im ersten Projektabschnitt wurden Verfahren untersucht, mit denen eine Verbesserung der Filtertechniken fĂŒr OberflĂ€chenwellen erzielt werden kann. Ebenso wurden neue AnsĂ€tze verfolgt, bei denen die OberflĂ€chenwellen nicht als Störsignale, sondern als weitere InformationstrĂ€ger zur Strukturerkundung des oberflĂ€chennahen Untergrundes betrachtet werden. Im zweiten Projektabschnitt stand die Entwicklung der Meß- und Auswertetechnik zur umweltseismischen Erkundung im Mittelpunkt. Dazu wurden verschiedene Feldversuche durchgefĂŒhrt und ein umfangreiches Programmpaket erstellt. In der dritten Projektphase wurde ein marktreifes mobiles seismisches Array (FAST24, Fast Array for Seismik Tasks) entwickelt und gebaut. Parallel dazu wurde eine benutzerfreundliche graphische Schnittstelle fĂŒr das Programmpaket erstellt. Mit dem Programmpaket wurden weitere Meßdaten mit unterschiedlichen umwelttechnischen Fragestellungen analysiert und die erzielten Resultate publiziert.


Ergebnisse und Diskussion

Im Rahmen des Projekts konnte gezeigt werden, daß die Kombination moderner hochauflösender Signalverarbeitungsverfahren mit einer effizienten Modellierung des seismischen Wellenfelds fĂŒr den oberflĂ€chennahen Untergrund zu neuen Impulsen in der Umweltseismik fĂŒhrt. Hierzu zĂ€hlt hauptsĂ€chlich die Hinzunahme der OberflĂ€chenwellen als InformationstrĂ€ger zur Strukturerkundung des oberflĂ€chennahen Untergrundes. Durch die Betrachtung des vollstĂ€ndigen Wellenfeldes (Raumwellen und OberflĂ€chenwellen) lassen sich umweltseismische DatensĂ€tze auswerten, die aufgrund der Überlagerung von Raum- und OberflĂ€chenwellen bisher nur unzureichend ausgewertet werden konnten. Das neu entwickelte Inversionsverfahren paßt geschichtete Untergrundmodelle an die Meßdaten mit Hilfe der hochauflösenden Maximum-Likelihood-Inversionstechnik an. Im Unterschied zu linearen Inversionsverfahren bleibt bei dieser Vorgehensweise ein nichtlineares Optimierungsproblem fĂŒr die lithologischen Parameter des Untergrunds zu lösen. Zur Lösung des Problems wurden genetische Optimierungsstrategien untersucht. Diese Algorithmen sind bei geeigneter Parametrisierung des Untergrunds (z.B. Gesteinsdichte, Kompressions- und Scherwellengeschwindigkeit, MĂ€chtigkeit) in der Lage, das Untergrundmodell mit der besten Anpassung an die Meßdaten zu finden. Diese Vorgehensweise wird seit geraumer Zeit auch in Ă€hnlich gelagerten Anwendungen im Rahmen der Unterwasserakustik angewendet. Problematisch war bisher die Übertragung dieser Verfahren auf elastische Ausbreitungsbedingungen. Durch den Einsatz numerischer Verfahren zur Modellierung der Ausbreitung seismischer Raum- und OberflĂ€chenwellen konnten diese Methoden in der Umweltseismik eingesetzt werden. Ein wesentlicher Vorteil des neu entwickelten Inversionsverfahrens ist, das die Analyse einer seismischen Messung automatisch nach Vorgabe eines einfachen Startmodells fĂŒr den Aufbau des Untergrundes ĂŒber das gesamte Meßprofil durchgefĂŒhrt werden kann und keine weiteren Bearbeitungsschritte bis einschließlich zur Abbildung des Untergrundmodells erforderlich sind. Zur einfachen Nutzung des Programmpakets wurde eine graphische Benutzerschnittstelle erstellt, um den Einsatz des Softwarepakets ohne Vorkenntnisse ĂŒber interne ZusammenhĂ€nge im Programmablauf zu ermöglichen.
Das Verfahren wurde an DatensĂ€tzen mit unterschiedlichen geologischen Fragestellungen eingesetzt. In einem rekultivierten ehemaligen Tagebaugebiet wurden entlang eines Profils Bodenverdichtungen nachgewiesen, die den Ertrag der landwirtschafltich genutzten FlĂ€che beeinflussen. Auf einem Deichabschnitt des Elbe-LĂŒbeck-Seitenkanals konnte der innere Aufbau des Deichkörpers ermittelt werden. Die Datenerfassung dazu erfolgte mit dem im Projekt entwickelten mobilen seismischen Array (FAST24). Damit konnte gezeigt werden, daß das FAST24 fĂŒr eine effiziente und wirtschaftliche seismische Datenaufnahme eingesetzt werden kann.


Öffentlichkeitsarbeit und PrĂ€sentation

Die Ergebnisse aus dem Projekt wurden in internationalen und nationalen geophysikalischen und elektrotechnischen Fachzeitschriften publiziert. Ebenso wurden die Ergebnisse mit Fachleuten auf entsprechenden Konferenzen diskutiert. Hierzu gehörte auch ein Vortrag bei der Jahrestagung der Deutschen Geophysikalischen Gesellschaft 1998 in Braunschweig, die Darstellung des Projektes auf einer Unternehmerreise nach Hangzhou (China) und die Ausstellung des FAST24 auf der Messe IFAT 1999 in MĂŒnchen. DarĂŒber hinaus wurden Diplom- und Studienarbeiten zur Themenstellung vergeben. Treffen mit LehrstĂŒhlen anderer UniversitĂ€ten gleicher Ausrichtung wurden fĂŒr VortrĂ€ge ĂŒber Aufgaben und Ziele des Projektes genutzt.


Fazit

Im Rahmen des Projektes konnte ein neuartiges Auswertesystem fĂŒr umweltseismische Anwendungen erstellt werden, das die in den seismischen Raum- und OberflĂ€chenwellen enthaltenen Informationen zur Abbildung des Untergrundaufbaus nutzt. Diese Technik eignet sich speziell fĂŒr die Erkundung des oberflĂ€chennahen Untergrundes, der fĂŒr umweltspezifische Fragestellungen von besonderer Bedeutung ist. Die Datenerfassung mit dem FAST24 in Kombination mit der neuentwickelten Auswertesoftware konnte erfolgreich zur Strukturerkundung des oberflĂ€chennahen Untergrundes eingesetzt werden. Dabei zeigen sich fĂŒr die Zukunft weitere Einsatzgebiete wie z.B. Hohlraumortung, Lokalisierung verdeckter Fundamente und Kartierung des Grundwasserspiegels.

Übersicht

Fördersumme

377.808,91 €

Förderzeitraum

15.02.1996 - 25.07.2000

Bundesland

Bundesrepublik Deutschland

Schlagwörter

Bundesrepublik Deutschland
Umwelttechnik