Projekt 05983/01

Aerobes Verfahren zur mikrobiellen Eliminierung von Dichlorethenen und Vinylchlorid

Projektträger

Universität StuttgartInstitut für Mikrobiologie
Allmandring 31
70569 Stuttgart
Telefon: 0711/685-5488

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Durch Untersuchungen im Labor- und halbtechnischen Maßstab wurden die Grundlagen für die Entwicklung eines neuen, aeroben Submersverfahrens zum vollständigen biologischen Abbau von cis-1,2-Dichlorethen (cDCE) und Vinylchlorid (VC) erarbeitet.
Die Arbeiten wurden mit cDCE als Zielsubstanz durchgeführt. Die Cooxidationsrate steigt mit abnehmendem Chlorierungsgrad am Ethen an, so daß sich die Auslegung einer aeroben Stufe in einem kombinier-ten Verfahren am cDCE als Zielsubstrat orientieren muß.
Das Verfahren wurde so konzipiert, daß es mit einem vorzuschaltenden anaeroben Prozeß (Frau Prof. Dr. Diekert, Institut für Mikrobiologie, Universität Stuttgart) zur reduktiven Dehalogenierung von hochchlorierten Ethenen wie Tetrachlorethen (PCE) und Trichlorethen (TCE) kombiniert werden kann.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenDas Verfahren basiert auf dem cometabolischen Abbau der Zielsubstanzen. Als geeignetes Energie- und Induktionssubstrat erwies sich Ethen, ein dem cDCE strukturanaloger Naturstoff. Aufgrund der Strukturanalogie bestand die Möglichkeit, daß beide Substanzen über dieselben oder analogen konvergenten Abbausequenzen mineralisiert werden.
Nach einem erfolgreichen Screening nach dehalogenierenden Mikroorganismen wurde der cometablische Abbau von cDCE im Labormaßstab (1,0 l) getestet. Zur Optimierung des Abbauprozesses, einer besseren Substratnutzung und die Überführung in eine technische Anwendung wurden weitere Experimente in einem 40-Liter-Rieselbett-Reaktor mit Textilmaterial als Aufwuchskörper für Biomasse durchgeführt. Bei diesen Experimenten wurde authentisches cDCE-haltiges Grundwasser aus einer CKW-kontaminierten Altlast verwendet.
In weiteren Untersuchungen soll der CKW-Abbau am Beispiel eines PCE-haltigen Grundwassers demonstriert werden. Zu diesem Zweck wird ein 30-Liter-Festbettreaktor (anaerobe Stufe) mit dem 40-Liter-Rieselbett-Reaktor (aerobe Stufe) gekoppelt. Als nächster Schritt ist der Aufbau einer Versuchsanlage mit 2 x 10 m3 Reaktorvolumen geplant.


Ergebnisse und Diskussion

Aus einer Betriebskläranlage und dem Abluftfilter eines Ethen- und CKW-produzierenden Unternehmens wurden insgesamt 20 Ethen abbauende Mischkulturen angereichert. Eine signifikante Dehalogenierung (³ 0,15 mM freigesetztes Chlorid bei Zugabe von 1 mM cDCE im Testansatz) wurde bei 60% der Anreicherungskulturen beobachtet.
Bei Batch-Versuchen im Schüttelkolben wurden die auf Ethen angereicherten aktiven Mischkulturen auf die Fähigkeit zum Abbau von cDCE (800 µM) bei gleichzeitiger Zugabe von Ethen (250 µM) als Auxiliarsubstrat untersucht. Eine der Kulturen (K20) konnte cDCE mineralisieren, wenn noch 80 µM Ethen in der wässrigen Phase vorhanden war. Auch Ethen und VC erwiesen sich als kompatible Substrate, d.h. VC (100 µM) und Ethen (210 µM) wurden gleichzeitig oxidiert.
Die Kultur K20 wurde näher charakterisiert und bei Versuchen in kontinuierlicher Kultur eingesetzt. Die Mischkultur besteht aus fünf unterscheidbaren Stämmen. Bei zwei dieser Isolate handelt es sich jeweils um Mycobacterium sp., bei einem Isolat um Corynebacterium sp. und zwei Stämme sind Vertreter der a-Untergruppe der Proteobakterien.
Die Mischkultur K20 wurde über einen Zeitraum von 52 Tagen in einem Rührkesselreaktor mit einem Arbeitsvolumen von 1,0 Liter betrieben. Auch hier wurden Ethen und cDCE simultan abgebaut. Die Chloridbilanz zeigte, daß cDCE vollständig dehalogeniert und mineralisiert wurde. In diesem Versuch war eine hohe Belüftungsrate notwendig, um die Versorgung der Bakterien mit Ethen über die Zuluft (1,9%, v/v E-thengehalt) zu gewährleisten. Aus diesem Grund wurden bei einer cDCE-Zugabe von 2 mg/l.h ca. 0,1 mg/l.h ausgetragen.
Um eine vollständige Ausnutzung des zudosierten Ethens als Auxiliarsubstart zu gewährleisten und den Verlust an cDCE durch Strippen zu minimieren, wurden weitere Abbauuntersuchungen in einem 40-Liter-Rieselbett-Reaktor mit Textilmaterial zur Immobilisierung der Biomasse durchgeführt. Bei diesen Experimenten wurde cDCE-haltiges Grundwasser aus einem CKW-Schadensfall eingesetzt. Das im Grundwasser vorhandene cDCE (60 µg/l bzw. 500 µg/l) wurde bis zu einer Restkonzentration von < 10 µg/l bzw. 20 µg/l abgebaut. Inzwischen wurde dieser Reaktor 6 Monate ohne steriltechnische Maßnahmen betrieben. Eine Verminderung der spezifischen cDCE-Abbauleistung der Mikroorganismen infolge von Fremdverkeimung wurde nicht festgestellt. Fremdkeime, die Ethen unspezifisch oxidieren, bilden wahrscheinlich durch eine Monooxygenase-Reaktion im ersten Reaktionsschritt Ethylenoxid, das für solche Organismen hochtoxisch ist, die kein spezifisches Ethylenoxid spaltendes Enzymsystem aufweisen.
Ethen verwertende bakterielle Kulturen, die cDCE cometabolisch abbauen, besitzen im Hinblick auf eine technische Anwendung weitere entscheidende Vorteile gegenüber allen anderen bisher untersuchten biologischen Systemen des cometabolischen Chlorethenabbaus:
Sie weisen eine hohe Toleranz (£ 6 mM in der wässrigen Phase) und Enzymaktität gegenüber cDCE auf. Der cometabolische Ausbeutekoeffizient [mol cDCE/mol Ethen] ist hoch (Ty = 0,51). Somit wird eine vergleichsweise geringe Menge des Auxiliarsubstrats Ethen für die Cooxidation von cDCE benötigt.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

P. Koziollek, D. Bryniok und H.-J. Knackmuss: Entwicklung eines aeroben Verfahrens zur mikrobiellen Eliminierung von cis-1,2-Dichlorethen und Vinylchlorid. Poster bei dem 12. DECHEMA-Fachgespräch Umweltschutz, Leipzig, 08.-10. Oktober 1996.
P. Koziollek, D. Bryniok und H.-J. Knackmuss: Cometabolic Biodegradation of cis-1,2-Dichloroethene by Ethene Utilizing Bacteria. Vortrag bei der Frühjahrstagung der Vereinigung der Allgemeinen und Angewandten Mikrobiologie, Hamburg, 16.-19. März 1997.
P. Koziollek, D. Bryniok und H.-J. Knackmuss: Cometabolic Biodegradation of cis-1,2-Dichloroethene by Ethene Utilizing Bacteria. Vortrag bei dem ISEB-Meeting on Bioremediation, Leipzig, 24.-27. Sep. 1997.
P. Koziollek, S. Bauer, D. Bryniok und H.-J. Knackmuss: Cometabolic Dechlorination of cis-1,2-Dichloroethene by Ethene Utilizing Bacteria. Poster bei der ConSoil, Edinburgh, UK, 17.-21. Mai 1998.
P. Koziollek, D. Bryniok und H.-J. Knackmuss: Cometabolischer Abbau von cis-1,2-Dichlorethen durch Ethen verwertende Bakterien. Poster bei der DECHEMA-Jahrestagung , Wiesbaden, 26.-28. Mai 1998.
P. Koziollek, D. Bryniok and H.-J. Knackmuss: Cometabolic Degradation of cis-1,2-Dichloroethene and Vinyl Chloride by Ethene-Utilizing Bacteria. Manuskript wurde bei der Zeitschrift Applied and Environmental Microbiology im November 1998 eingereicht.


Fazit

Die bisherigen Ergebnisse im 40-Liter-Rieselbett-Reaktor sind erfolgreich abgeschlossen. Ethen bietet als Wachstums- und Induktionssubstrat für den cometabolischen Abbau von cDCE entscheidende Vorteile. In Kombination mit der reduktiven Dehalogenierung von PCE und TCE in anaeroben Systemen hat diese Technik das Potential zu einem effizienten und kostengünstigen Reinigungsverfahren für CKW-kontaminiertes Grundwasser entwickelt zu werden.Für den cometabolischen Abbau von Chlorethenen wurde am 08.10.96 ein Schutzrecht beim Deutschen Patentamt beantragt.

Übersicht

Fördersumme

185.138,79 €

Förderzeitraum

01.01.1996 - 08.10.1999

Bundesland

Baden-Württemberg

Schlagwörter

Umwelttechnik