Projekt 05850/01

Verbleib von Umweltchemikalien im System Boden, Pflanze, Sickerwasser, Atmosphäre unter freilandähnlichen Bedingungen unter besonderer Berücksichtigung der Licht- und Bodenfeuchtesituation

Projektträger

Forschungszentrum Jülich GmbHInstitut für Radioagronomie
Postfach 19 13
52425 Jülich
Telefon: 02461/61-0

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Messung gasförmiger Verluste von Pflanzenschutzmitteln (PSM) aus dem System Boden/Pflanze unter möglichst realitätsnahen Bedingungen mit besonderem Gewicht auf den Beleuchtungs- und Bodenfeuchteverhältnisse bzw. der Evaporation. Unterscheidung zwischen Verflüchtigung von unverändertem PSM, dessen Metaboliten und Mineralisierung. Erstellen vollständiger Massenbilanzen für ein umfassendes Bild zum Verbleib von PSM in sämtlichen Kompartimenten des Agrarökosystems (Boden, Pflanze, Sickerwasser und Atmosphäre). Untersuchung des Einflusses verschiedener Pflanzenarten und Formulierungen von PSM auf deren Verflüchtigungsverhalten. Die hierfür weiter entwickelte Versuchsanlage ist eine wichtige Ergänzung zu den verschiedenen Laboranlagen, mit denen Versuche meist unter konstanten, standardisierten Klimabedingungen durchgeführt werden.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenFür Untersuchungen der Luft über einem Feld wurde ein gläserner Windkanal über einen 0,5-m2-Lysimeter eingestellt. Dieser Windkanal kombiniert die Vorteile von Feldversuchen (feldnahe Bedingungen) mit den Vorteilen von Laboruntersuchungen (Einsatz von Radioisotopen). Im Inneren dieses Windkanals werden feldnahe Bedingungen durch freilandgerechte Strömungsprofile sowie eine ständige, automatische Anpassung von Lufttemperatur und Windgeschwindigkeit an die eines Referenzfeldes bestmöglich nachgebildet. Sämtliche Klimaparameter variieren entsprechend der Freilandsituation, d.h. jeder Versuch findet damit unter einem einmaligen Szenario statt. Ein High-Volume-Sampler erlaubt ein kontinuierliches Messen 14C-markierter organischer Substanzen (Verflüchtigung) bei Integrationszeiträumen von 1-24 h. 14CO2, das durch den Totalabbau der 14C-markierten Testsubstanzen entsteht, wird ebenfalls kontinuierlich mit einem Medium-Volume-Sampler erfaßt (Integrationszeit 48 h).
Vier verschiedene PSM (Clopyralid (Herbizid), Fenpropimorph (Fungizid), Parathion-methyl (Insektizid), Terbuthylazin (Herbizid)) wurden auf ihr Verflüchtigungsverhalten unter verschiedenen Szenarien untersucht, u.a. verschiedene Pflanzenbestände (Buschbohnen, Winterraps, Zuckerrüben, Radieschen und Weidelgras) sowie unbewachsener Boden. Für Parathion-methyl kamen zwei verschiedene Formulierungen (dispergierbares Pulver, Emulsionskonzentrat) zum Einsatz.


Ergebnisse und Diskussion

Die Windkanalanlage wurde hinsichtlich der Lichtqualität und -quantität optimiert, so dass die Strahlungssituation im Windkanal der Feldsituation entspricht. Dies bedeutet, dass Prozesse, die im Feld ablaufen (z.B. Photolyse auf Pflanzen- und Bodenoberflächen) ebenfalls im Windkanal beobachtet werden können. Mit 98,4±1,4 % der applizierten Radioaktivität (AR) war die 14C-Wiederfindung in den Versuchen sehr gut. Dies dokumentiert sowohl die Funktionalität des Windkanals als auch die Repräsentativität der Luftbeprobung. Lediglich in zwei der drei Experimente mit Parathion-methyl und Weidelgras wurden mit 77,5±1,5 % AR niedrigere 14C-Wiederfindungen registriert. Grund dafür könnte das Entstehen niedermolekularer, leicht flüchtiger Substanzen sein, die mit den Luftsammeleinrichtungen nicht erfasst wurden. Bei diesen Versuchen war auch die Verflüchtigung von Parathion-methyl mit 21,3±12,1 % AR 90 h nach Applikation ungewöhnlich niedrig. Nach Pflanzenapplikation war Clopyralid 90 h nach Applikation mit 1,2±1,0 % AR wesentlich weniger flüchtig als Fenpropimorph (47,2±9,5 % AR) und Parathion-methyl (67,0±8,5 % AR). Alle drei PSM zeigten nach Applikation auf Pflanzen eine temperaturabhängige Verflüchtigung, die mit einer zusammengesetzten Exponentialfunktion beschreibbar war. Der Verflüchtigungsprozess von Pflanzen nahm innerhalb der ersten 24 h stark ab und zeigte eine Langzeitfreisetzung auf sehr geringem Niveau, die in dieser Phase einem diurnalen Rhythmus folgte. Sie war außerdem negativ mit der Aufnahme der PSM durch Pflanzen korreliert, die einer Verflüchtigung entgegenwirkt. Der Einsatz von Aktivkohle in der Zuluftfilterung reduziert im Windkanal freie Radikale und Precursor, die für eine indirekte Photolyse von PSM verantwortlich sein können. In diesen Versuchen war der Anteil der mittels Radio-TLC (Parathion-methyl) und Radio-HPLC (Fenpropimorph) charakterisierten verflüchtigten Metaboliten niedriger. Dies gilt insbesondere für Fenpropimorph, das zwar gegenüber direkter Photolyse stabil ist, aber empfindlich auf die Anwesenheit von OH-Radikalen reagiert (indirekte Photolyse). Ursache könnte ein abiotischer Abbau (z.B. durch indirekte Photolyse) auf den Pflanzenoberflächen sein. Dies bedarf weiterer Untersuchungen. Trotz z.T. hoher Verflüchtigungsraten ist eine Akkumulation von Fenpropimorph und Parathion-methyl in der Atmosphäre ist nicht zu erwarten, da beide Substanzen in der Atmosphäre einem sehr schnellen Abbau unterliegen. (DT50 < 1d). Die Verflüchtigung von Böden ist aufgrund von Adsorption generell viel niedriger als von Pflanzen. So wurde auch nach Applikation auf unbewachsenen Boden eine sehr geringe Verflüchtigung von Parathion-methyl und Terbuthylazin detektiert. Prinzipiell beginnt die Verflüchtigung unmittelbar nach der Applikation mit relativ hohen Raten, die dann schnell auf ein sehr viel niedrigeres Niveau sinken. Die Verflüchtigungskinetik war in diesem Experiment untypisch, die höchsten Verflüchtigungsraten wurden ca. 140 h nach Applikation gemessen. Die Verflüchtigung von Terbuthylazin und Parathion-methyl war positiv mit der Bodenfeuchte korrelliert. Wegen sehr niedriger Bodenfeuchte im Oberboden bei Versuchsbeginn war so die Verflüchtigung anfänglich niedrig und nahm mit Beregnungs- bzw. Niederschlagsereignissen deutlich zu. Bei beiden Substanzen wurde von Versuchsbeginn an ein diurnaler Rhythmus der Verflüchtigung beobachtet. Für das nicht-radioaktiv markiert eingesetzte Fenpropimorph lag die Verflüchtigung stets unterhalb der Nachweisgrenze. Obwohl die Bodenrückstände des Windkanalversuchs gut mit den Feldproben übereinstimmten, waren die im Feld gleichzeitig mittels mikrometeorologischer Methoden gemessenen Verflüchtigungsraten wegen Unterschieden in der Bodenfeuchte, Applikationsvolumen, Beregnungsintensität und analytischen Besonderheiten deutlich höher. Das Auftreten von nicht-identifizierten Metaboliten in Luftproben beider Experimente läßt vermuten, daß auch Abbauprozesse auf Bodenoberflächen eine Rolle beim Verbleib von Pflanzenschutzmitteln spielen können. Nach Applikation auf Zuckerrüben stimmten die Fenpropimorph-Verflüchtigungsraten im Windkanal mit den Feldmessungen sehr gut überein. Auch die Fenpropimorph- und Clopyralid-Rückstandssituation in den Zuckerrüben im Windkanal deckte sich mit der Feldsituation. Für Clopyralid wurde im Feld eine um den Faktor 2 höhere Verflüchtigungsrate detektiert. Bei Auftreten eines unbekannten Clopyralid-Metaboliten in den Luftproben war der Unterschied größer. Möglicherweise hat die Derivatisierungsmethode in diesen Luftproben zu einer Überinterpretation der Clopyralid-Verflüchtigung im Feld geführt.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Ergebnisse dieses Forschungsvorhabens wurden stets zügig der Öffentlichkeit zugängig gemacht: Veröffentlichung in nationalen und internationalen Journalen und Büchern sowie Poster und Vorträge auf nationalen und internationalen Tagungen (siehe Veröffentlichungsliste).


Fazit

Der Windkanal über einem Lysimeter hat sich als ein sehr geeignetes Forschungsinstrument erwiesen, um den Verbleib von Pflanzenschutzmitteln unter realitätsnahen Bedingungen im Agrarökosystem zu untersuchen. Der Einsatz 14C-markierter Substanzen ermöglicht dabei empfindlichste Analysen und vollständige Bilanzen. Durch die Komplexität der Ergebnisse wurde deutlich, dass die Verflüchtigung nicht getrennt von photolytischen Prozessen auf Pflanzen- und Bodenoberflächen betrachtet werden kann, d.h. beide Prozesse finden unter Freilandbedingungen zusammen statt und beeinflussen sich gegenseitig. In weiteren Vorhaben wird nun die Photolyse von Pflanzenschutzmitteln auf Blatt- und Bodenoberflächen untersucht werden, da hier erhebliche Wissenslücken bestehen.

Übersicht

Fördersumme

310.865,46 €

Förderzeitraum

01.12.1995 - 14.02.2000

Bundesland

Nordrhein-Westfalen

Schlagwörter

Landnutzung
Ressourcenschonung
Umwelttechnik