Projekt 04685/01

Untersuchung und Weiterentwicklung der naturnahen Regenwasserbewirtschaftung am Beispiel des Mulden-Rigolen-Systems in der Schüngelbergsiedlung, Gelsenkirchen

Projektträger

Universität HannoverInstitut für Wasserwirtschaft, Hydrologie undlandwirtschaftlichen Wasserbau
Appelstr. 9 A
30167 Hannover
Telefon: 0511/762-2237

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Vom Institut für Wasserwirtschaft, Hydrologie und landwirtschaftlichen Wasserbau der Universität Hannover wurde das Mulden-Rigolen-System (MRS) ein innovatives System zur Bewirtschaftung des abfließenden Regenwassers entwickelt und als Alternative zu den bisherigen Entwässerungssystemen erstmalig in der Bundesrepublik in der Schüngelbergsiedlung projektiert. Das Entwässerungssystem MRS warf aufgrund sei-ner Neuartigkeit diverse Fragen bzgl. der Funktionsweise, der fachtechnischen Bemessung und Umsetzung auf, die u.a. mittels des vorliegenden Meßkonzepts beantwortet werden sollten. Messungen am MRS wurden daher zur Überprüfung und Verbesserung der Bemessungsansätze durch Quantifizierung und Optimierung der Systemfunktionen und zur Erfassung des Einflusses der Versickerung auf die Qualität des Grundwassers und des Bodenmilieus durchgeführt.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenWasserstandsmessungen in den Speicherelementen Mulde und Rigole mittels Drucksonden an ausgewählten Standorten des MRS der Schüngelbergsiedlung und Zuflußmessungen (über Regenschreiber) wurden kontinuierlich über einen Zeitraum von 1 1/2 Jahren durchgeführt. Außerdem wurden zur Quantifizierung der Systemfunktionen ergänzend zu den Messungen der Naturereignisse Flutungsversuche mit fest definierten Zuflüssen und Versuchsrandbedingungen vorgenommen. Die ergänzende Ermittlung der Versickerungsleistung des Bodens der Muldenbette und der Systemabmessungen dienten der Modellentwicklung und Simulation der erhobenen Meßdaten. Mittels eines hydrologischen Niederschlags-Abflußmodells wurden die Meßergebnisse simuliert und das Berechnungsmodell sowie das Bemessungsverfahren optimiert. Messungen von Stoffkonzentrationen im Niederschlag und dem zugehörigen Zu- und Ablauf der Versickerungsanlagen ermöglichten bei gleichzeitiger quantitativer Messung des Wassertransportes die Bilanzierung der Stoffströme und die Abschätzung der Reinigungsleistung des MRS bezüglich ausgewählter Schadstoffe. Der Betrieb einer Versuchsanlage zur Beprobung von Niederschlag und Dachablauf erlaubte zusätzlich ereignisauflösende Aussagen hinsichtlich der Entwicklungen der Stoffkonzentrationen im Verlauf von Niederschlagsereignissen. Untersuchungen von Bodenproben aus ausgewählten Muldenböden ermöglichten Aussagen zur Höhe und Tiefenverteilung von Stoffanrei-cherungen. Ergänzend zu den Feldversuchen wurden zusätzlich quantitative und qualitative Untersuchungen an halbtechnischen Versuchsanlagen (Lysimeter) durchgeführt.


Ergebnisse und Diskussion

Bei Flutungsversuchen wurde ein Mulden-Rigolen-System (MRS) künstlich geflutet. Für unterschiedliche Zulaufintensitäten sowie unter Berücksichtigung verschiedener Wassergehalte im Muldenbett des MRS wurden Flutungsversuche durchgeführt. Der Einfluß der Zulaufintensität und des Anfangswassergehaltes des Muldenbettes auf das Speicher- und Abflußverhalten konnte dokumentiert werden. Die Versuchsergebnisse der Flutungsversuche stellten eine gute Datenbasis für die Modellentwicklung und für Vergleichssimulationen dar. Das Meßkonzept für die Messung von Naturereignissen konnte erfolgreich getestet werden. Die Messung der Naturereignisse an zwei Strängen des MRS der Schüngelbergsiedlung (Strang 15 und 20) wurde seit Juli 1996 betrieben. Aufgrund von Vandalismus und bautechnischer Mängel mußte allerdings der Strang 15 aufgegeben werden. Geringe Niederschlagsmengen und der Ausfall von Meßgeräten (trotz aufwendiger Unterhaltungsmaßnahmen) erlaubten teilweise nur die Messung von Einzelereignissen. Längere, zusammenhängende Aufzeichnungszeiträume konnten nicht dokumentiert werden. Die Infiltrationsrate wurde in Feldversuchen für verschiedene MRS-Stränge mit unterschiedlicher Betriebszeit ermittelt (Open-End-Verfahren und Doppelringinfiltrometer). Durch Wiederholung der Versuche am Ende des Projektzeitraumes konnte die Entwicklung der Infiltrationseigenschaften der Muldenbette nach drei Vegetationsperioden aufgezeigt werden. Bodenbildungsprozesse und die Einflüsse des Edaphons, die Verdichtungen durch z. B. Unterhaltungsmaßnahmen entgegenwirken, führten dabei zu leicht erhöhten bzw. konstanten Infiltrationsraten der Muldenbette am Ende des Untersuchungszeitraums. Zur modelltechnischen Beschreibung der Prozesse in einem MRS wurden unterschiedliche Simulationsprogramme verwendet. Ein eindimensionales Bodenfeuchtemodell bfSIM wurde in das hydrologische Speichermodell KOSIM-MRS eingebaut. Das so entstandene neue Modell MURITEST konnte erfolgreich kalibriert und validiert werden. Im Vergleich zur Bemessung mit konstanter Infiltrationsrate führt die Bemessung mit MURITEST zu um bis zu 1/3 kleineren Muldenbauwerken. Der Einsatz nicht linearer, vom Bodenwassergehalt abhängiger Infiltrations- und Perkolationsansätze führt also zu kleineren Abmessungen und damit zu Einsparungen beim Bau der MRS.
Die Beurteilung der ökologischen Verträglichkeit der Versickerungsmaßnahmen erfolgte durch qualitative Untersuchungen von wäßrigen Komponenten einzelner Niederschlagsereignisse (Niederschlag, Nie-derschlagsabfluß, Rigolenablaufwasser im MRS). Für Niederschlag und Dachabfluß konnten ereignisauflösende mengenproportionale Probennahmen durchgeführt werden. Für Zink konnten im Dachabfluß sehr hohe Konzentrationsspitzen festgestellt werden. Die Untersuchungsergebnisse belegen, daß die Reinigungsleistung der Oberbodenpassage in den MRS die mit den Niederschlagsabflüssen eingetragenen Belastungen ausreichend verringert. So konnte eine deutliche Konzentrationsminderung von Metallen und PAK´s durch die Oberbodenpassage ermittelt werden. Die Untersuchung von Feststoffproben verschiedener Mulden mit unterschiedlichen Verfahren ergab Hinweise zur Höhe und Tiefenverteilung der versickerungsbedingten Stoffanreicherung. Für Zink als Material der Dachentwässerung ließ sich ein deutlicher Anreicherungseffekt erkennen, der zunächst oberflächennah und mit zunehmender Betriebszeit verstärkt auch in tieferen Bodenschichten sichtbar wird. Am ältesten Strang in der Schüngelbergsiedlung (MRS 26) konnten die höchsten Gehalte an Schwermetallen und PAK nachgewiesen werden.
Die zusätzlich durchgeführten Untersuchungen an halbtechnischen Versuchsanlagen (Lysimeter) lieferten Erkenntnisse zum Rückhaltevermögen der Bodenpassage bei Variation von Bodencharakteristika und anderen die Reinigungsleistung beeinflussenden Parametern. So ist mit zunehmendem Sandanteil des Oberbodensubstrates von einer verringerten Pufferkapazität auszugehen, die langfristig zu einer verminderten Reinigungs- und Rückhalteleistung führen kann. Versuche mit abgesenktem pH-Wert des Lysimeter-Zulaufs (ca. pH 5) sowie Versuche zur Simulation von Stoßbelastungen zeigen eindeutig die Grenzen der Belastbarkeit der Oberbodenpassage auf.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Schneider, F.; Holtz, S.; Masberg, R. (1998): Investigation and Development of Alternative Stormwater Management: Modelling the Waterflow of Trough-Trench-Systems. G.R.A.I.E. (Ed.): Innovative technologies in urban storm drainage. Proceedings Novatech 1998, Vol. II, S. 479-485.
Schneider, F. (1998) Untersuchungen zum Speicher- und Abflußverhalten von Mulden-Rigolen-Systemen. Zeitschrift für Kulturtechnik und Landentwicklung, Vol. 39 (6); S.266-271.
Hütter, U., Hesse, U., Kaczmarczyk, B. (1998): Investigations on the migration of storm water pollutants in soils. G.R.A.I.E. (Ed.): Innovative technologies in urban storm drainage. Proceedings Novatech 1998, Vol. II, 567-574.
Remmler, F. (1998): Regenwasserversickerung und Grundwasserschutz. Zeitschrift für Kulturtechnik und Landentwicklung, Vol. 39 (6); S.272-279.


Fazit

Die Vorgehensweise zur Klärung der quantitativen und qualitativen Fragestellungen innerhalb des Projektes hat sich generell bewährt. Die Ergebnisse belegen die Notwendigkeit zukünftiger betriebsbegleitender Funktionskontrollen, die anhand von Untersuchungen in gewissen zeitlichen Abständen die Entwicklung und Wirksamkeit der Reinigungs- und Rückhaltefunktion der Bodenpassage prüfen.

Übersicht

Fördersumme

392.030,49 €

Förderzeitraum

01.07.1995 - 21.09.1999

Bundesland

Nordrhein-Westfalen

Schlagwörter

Landnutzung
Ressourcenschonung
Umwelttechnik