Vernetzt und vorausschauend: intelligente Regelung für effiziente, emissionsarme Fahrzeugmotoren

Wie mit zusätzlichen Sensordaten und vorhersagenden Steuerungen die Motoreneffizienz gesteigert und Schadstoffemissionen gemindert werden können

Die tatsächlichen Kraftstoffverbrauchs- und Emissionswerte von Kraftfahrzeugen mit Verbrennungsmotor sind oft sehr viel höher als die während des Zulassungsprozesses gemessenen Werte. Wie kann das sein? Ein Grund: Im Gegensatz zu den derzeit verbindlichen Testzyklen im Labor gibt es eine deutlich höhere Dynamik, wenn das Fahrzeug unter realen Bedingungen im Einsatz ist. Dynamik bedeutet für einen Motor im Allgemeinen eine Änderung der zu verrichtenden Arbeit – für das Brennverfahren wird also je nach Situation mehr oder weniger Kraftstoff benötigt. Das Motorsteuergerät folgt der Dynamik möglichst schnell und sorgt somit für eine angemessene Kraftstoffzufuhr für den Verbrennungsprozess. Nachgeschaltet werden aufwändige Systeme zur Abgasnachbehandlung, um die Emissionen zu verringern.

Wie kann die Motoreffizienz noch weiter gesteigert und gleichzeitig die damit verbundenen Abgasemissionen gesenkt werden? Einerseits durch eine möglichst genaue Kenntnis des persönlichen Fahrprofils und andererseits durch eine vorausschauende Regelung. Auch für die Antriebseffizienz von Fahrzeugen mit Elektro- und Hybridantrieb sind diese Aspekte entscheidend, insbesondere für eine intelligente Steuerung des Batterieladezustands (State of Charge, SoC) und eine geeignete Strategie für die Energierückgewinnung bei Bremsvorgängen, die sogenannte Rekuperation.

In dem ebenfalls von der DBU geförderten Vorgängerprojekt „Emissionsreduktion durch die Entwicklung einer prädiktiven Motorregelung – Einkopplung neuartiger Informationsquellen und Sensoren in Motorsteuergeräten von Kraftfahrzeugen (NET-ECU)“ (DBU-AZ 33322) konnte bereits gezeigt werden, dass die Reglung von Verbrennungsmotorsteuerungen hinsichtlich des Kraftstoffverbrauchs und der Emissionswerte signifikant verbessert werden kann, wenn Umgebungsdaten wie beispielsweise Infrastrukturdaten und Bewegungsprofile anderer Fahrzeuge berücksichtigt werden.

In dem Folgeprojekt „Smart Traffic Eco Powertrains (STEP) – Entwicklung einer prädiktiven Regelung mit Einbindung externer Signale und Sensordaten zur Effizienzsteigerung und Emissionsminderung bei Elektro- und Verbrennungsmotoren“ (DBU-AZ 34299) haben die Kooperationspartner VEMAC und der Lehrstuhl für Verbrennungskraftmaschinen der RWTH Aachen sowie die FEV Group als assoziierter Partner wieder zusammengearbeitet mit dem Ziel, die vielversprechenden Ansätze des Vorgängerprojektes zu erweitern und in realen Verkehrssituationen zu erproben. Während beim NET-ECU-Projekt ausschließlich Umgebungsdaten aus der Fahrzeug-zu-Fahrzeug-Kommunikation (V2V) und der Fahrzeug-zu-Infrastruktur-Kommunikation (V2X) verwendet wurden, sind im STEP-Projekt auch zusätzliche Kameras und eigene Sensorik wie beispielsweise Radar (funkgestützte Abstandsmessung) und Lidar (optische Abstandsmessung) zum Einsatz gekommen. Des Weiteren wurden Routen- und Verkehrsinformationen von Online-Diensten verwendet.

Zunächst wurde dazu die Entwicklungssoftware „Online Calibration Tool“ (OCT) um Schnittstellen zur Nutzung der zusätzlichen Sensor- und Online-Daten erweitert. Es wurde eine Simulationsumgebung entwickelt, mit welcher Konzepte prädiktiver Fahrzeugsteueralgorithmen für verschiedene Fahrzeugarten geprüft und bewertet werden können. Um die Regelungsalgorithmen auch mit dem Fahrzeug auf einem abgeschlossenen Testgelände und im realen Straßenverkehr testen zu können, wurde ein Versuchsfahrzeug mit der Entwicklungsplattform ausgerüstet.

Und was kam dabei heraus? Eine umfangreiche Simulationsplattform für die flexible Entwicklung neuartiger Motorregelungsstrategien. Es können sowohl verschiedene Fahrzeugarten und -varianten berücksichtigt als auch unterschiedliche Fahrszenarien wie das weltweit einheitliche Leichtfahrzeug-Testverfahren („Worldwide harmonized Light vehicles Test Procedure“, WLTP) oder selbsterstellte Streckenführungen gewählt werden. Es wurden folgende Einsparpotenziale erkannt:

  1. Für Mild-Hybrid-Fahrzeuge wurde in der Simulation eine Kraftstoffersparnis von maximal 14 Prozent je nach Kalibrierung und Verkehrsdichte ermittelt. Mild-Hybrid-Fahrzeuge sind Fahrzeuge, bei welchen der Verbrennungsmotor durch einen Elektromotor unterstützt wird, beispielsweise für die Ausführung der Start-Stopp-Funktion und für die Bremsenergierückgewinnung.

  2. Für batterieelektrische Fahrzeuge können gemäß der Simulationsergebnisse im Mittel 15 Prozent der Antriebsenergie durch vorausschauende Geschwindigkeitswahl bei Kreuzungsanfahrten und -überfahrten – also insbesondere im städtischen Stop-and-Go-Verkehr – eingespart werden.

  3. Für Diesel-Plug-in-Hybrid-Fahrzeuge wurde mit dem Versuchsfahrzeug im realen Straßenverkehr eine tatsächliche Reduktion der Stickstoffemissionen von 19 Prozent bei einem durch optimiertes Energiemanagement um 1,4 Prozent verringerten Kraftstoffverbrauch gemessen.

Ein weiterer Vorteil ist, dass die benötigten Sensorinformationen wie Kamera-, Radar- und Online-Daten sowie die V2V- und V2X-Kommunikationsdaten in heutigen Fahrzeugen häufig schon vorhanden sind, da auch Fahrassistenz- und Sicherheitssysteme darauf zurückgreifen. Mit dem erweiterten OCT steht in Zukunft also eine flexible und kosteneffiziente Plattform für die Entwicklung neuartiger, vernetzter und vorausschauender Regelstrategien zur Verfügung.

 

Projektdurchführung
VEMAC GmbH & Co. KG
52070 Aachen
www.vemac.de

 

Kooperationspartner
RWTH Aachen
Lehrstuhl für Verbrennungskraftmaschinen
Mechatronische Systeme am Verbrennungsmotor
52074 Aachen
www.vka.rwth-aachen.de

 

DBU-AZ: 34299/01

Förderzeitraum: Juli 2018 bis Dezember 2020, Abschlussbericht zum Download

 

Stand: 20.08.2021

Ausgewählte Strecke in Aachen zur Demonstration der vorausschauenden Wärmemanagement-Strategie
Unterschied im Kohlenstoffdioxid-Ausstoß im realen Verkehr gegenüber Herstellerangaben