Rohrkolbenanbau in Niedermooren – Integration von Rohstoffgewinnung, Wasserreinigung und Moorschutz zu einem nachhaltigen Nutzungskonzept

Niedermoorregeneration kann durch den Anbau von Rohrkolben zur Dämmstoffherstellung aus nachwachsenden Rohstoffen möglich werden. Im Rahmen eines DBU-geförderten Projekts kultiviert die TU München auf einer Vernässungsfläche im Donaumoos Rohrkolbenpflanzen. Entwässerte Niedermoore sind durch kontinuierliche Mineralisation riesiger Torfmengen eine bedeutsame Quelle des klimarelevanten Kohlendioxids. Zusätzlich trägt der Moorzerfall in erheblichem Maße zur Eutrophierung angrenzender Gewässer bei.
Donaumoos - Entwässerung und Torfschwund seit 200 Jahren
Das Donaumoos ist das größte Niedermoor Süddeutschlands. Diese großflächige Auwald-Niedermoorlandschaft wurde im Zuge der Besiedlung und Kultivierung in weiten Teilen trockengelegt und jahrzehntelang intensiv landwirtschaftlich genutzt. Physikalisch-chemische Prozesse führen zu einer permanenten Moorzersetzung, die eine kontinuierlichen Freisetzung großer Kohlendioxidmengen mit sich bringt. Seit Beginn der Kultivierung vor 200 Jahren ging eine mehr als 3 m mächtige Torfschicht auf einer Fläche von etwa 6.000 Hektar verloren, was der Größe von ca. 8.000 Fußballfeldern entspricht. Dies fördert Überschwemmungen, da zersetzender Torf seine typische Wasserspeicherfähigkeit einbüßt, sich wasserabweisende Schichten ausbilden und Niederschläge nur oberflächig ablaufen.

Rohrkolben als natürliche Kläranlage
Landwirtschaftliche Nutzung muss nicht immer zwangsläufig zur Niedermoordegeneration führen. Das Projekt zeigt eine alternative Form der schonenden Moornutzung durch Rohrkolbenanbau. Diese Pflanzen haben einen beträchtlichen Nährstoffbedarf, aber gleichzeitig auch eine erhebliche Toleranz gegenüber hohen Nährstoffkonzentrationen. Daher kann stark nährstoffbelastetes Grabenwasser aus landwirtschaftlichen Nutzflächen zur Vernässung verwendet werden. Einerseits fördert man das Wachstum der Rohrkolbenpflanzen - andererseits nützt man den günstigen Nebeneffekt der Wasserreinigung.

Mehr Torf - mehr natürlicher Lebensraum
Vielfältig sind die ökologischen Vorteile dieser alternativen Nutzungsform. Der Torfschwund wird reduziert und viele der Nährstoffe bleiben im Boden. Zusätzlich dienen die Flächen dem Hochwasserschutz und bieten Pflanzen und Tieren, die auf hohe Feuchtigkeit angewiesen sind, wieder geeigneten Lebensraum. Unterschiedliche Libellen-, Wasserkäfer- und Laufkäferarten siedeln sich an, aber auch Amphibien und Vogelarten wie Teichrohrsänger, Wasserralle und Bekassine finden dort neuen Lebensraum. Nicht zu vergessen ist der wirtschaftliche Nutzen durch die vielseitigen Verwendungsmöglichkeiten bei der Produktion umweltschonender Dämmstoffe.

Die Versuchsanlage: Eine acht Hektar große Niedermoorfläche im Donaumoos. Grundvoraussetzung für das Gedeihen des Rohrkolbens sind ganzjährig hohe Wasserstände.
Hohe Wasserstände notwendig
Freilandversuche auf der acht Hektar großen Fläche bei Ingolstad zeigten, dass eine Renaturierung von Niedermoorflächen mithilfe von Rohrkolben gelingen kann. Wissenschaftler der Technischen Universität (TU) München, Lehrstuhl für Vegetationsökologie in Freising-Weihenstephan, pflanzten von Hand 110.000 Rohrkolbenpflanzen auf der Vernässungsfläche. Bei der kontinuierlichen Überflutung der Anbaufläche stellte sich heraus, dass sie als Pflanzenkläranlage fungiert und verschmutztes Wasser reinigt. Der Rohrkolbenanbau ähnelt dem asiatischer Reisfeldkulturen. Auch hier wird mit nährstoffhaltigem Wasser überschwemmt und gleichzeitig gedüngt.

Überzeugungsarbeit & Partner notwenig
Das Argument der Renaturierung und des Moorschutzes reicht jedoch nicht aus, um bei Bauern ein Umdenken zu bewirken, da sie auf die Einnahmen ihrer Anbauflächen angewiesen sind. Potenzielle Partner im Bau- und Dämmstoffsektor müssen noch von der Qualität des Rohstoffes Rohrkolben überzeugt werden. Die biologisch abbaubaren Produkte aus Rohkolben stehen in Konkurrenz zur Produktpalette der mineralischen und chemischen Erzeugnisse. Das angestrebte multifunktionale Landnutzungskonzept würde auch der Landwirtschaft lukrative Alternativen anbieten - wohlgemerkt in Einklang mit Natur und Umwelt. Gelingt es, das Problem der Vermarktung zu lösen, ließe sich großflächiger Rohrkolbenanbau in ökologisch degenerierten Niederungslandschaften auf größeren Flächen realisieren.

Sandwichplatte oder Schüttdämmstoff - nach Gebrauch biologisch abbaubar
Mit dem Rohrkolben steht ein nachwachsender Rohstoff mit vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten zur Verfügung: Aufgrund der besonderen Struktur des Blattgewebes lässt sich Rohrkolben zu einem leichten und elastischen marktfähigen Dämmstoff weiterverarbeiten. Der Architekt Werner Theuerkorn, im Verbundprojekt für die Verwertung der Rohrkolben zuständig, hat bereits verschiedene Produkte entwickelt: Zum Beispiel eine druckfeste und biegesteife Sandwichplatte oder Einblas- bzw. Schüttdämmstoffe, die aufgrund ihrer Dämmeigenschaften mit herkömmlichen Materialien wie Mineralwolle oder Styropor konkurrieren können. Die Produkte sind nach Ablauf der Lebensdauer bzw. Nutzung ohne giftige Rückstände kompostierbar.

Aufgrund der besonderen Struktur der Rohrkolbenblätter bietet das Material gute Voraussetzungen zur Herstellung eines marktfähigen Dämmstoffes. Vorteil des organischen Baumaterials: Nach Benutzung kann es ohne giftige Rückstände kompostiert werden.
Geerntet wird mit dem Wetlandtruck
Der überzeugende Erfolg des Projektes schlägt sich dabei auch im zukünftigen Landnutzungskonzept des Donaumoos-Zweckverbandes nieder. Der Anbau von Rohrkolben ermöglicht dabei neben Hochwasser-, Arten-, Natur- und Moorschutz auch weiterhin eine an das Ökosystem Niedermoor angepasste, landwirtschaftliche Nutzung. Geerntet wird mit einem „Wetlandtruck“ einem Raupenfahrzeug mit Schneidevorrichtung. Eine Wasserhöhe zwischen 20-30 cm gewährleistet, dass die Anbaufläche permanent überstaut ist. Nur so können Moore ihre Funktion als Stoffsenke wieder entfalten.

Fehlender Schritt zur Vermarktung
Der Rohstoff Rohrkolben kann in guter Qualität uns ausreichender Menge im Rahmen der Niedermoorrenaturierung produziert werden. Den Sprung auf den Markt haben Rohrkolbenprodukte bislang nicht geschafft. Es ist schwierig Hersteller und Händler zu überzeugen, dieses Material in die Produktpalette aufzunehmen, da es sich um Konkurrenzprodukte zu den vorhandenen konventionellen Materialien im Sortiment handelt.

Natürliches Vorkommen der Arten
Sowohl der Breitblättrige Rohrkolben (Typha latifolia) als auch der Schmalblättrige Rohrkolben (T. angustifolia) kommen an Ufern stehender oder langsam fließender Gewässer vor und bilden dort oft monodominante Bestände. Beide Arten weisen eine nordhemisphärische Verbreitung auf.
Durch den Einsatz feuchtgebietstauglicher Spezialfahrzeuge erfolgt die Ernte auf moor- und pflanzenschonende Weise. Dies gilt insbesondere bei gefrorenem Boden.
Kurzinfo:
ProjektzielRohrkolbenanbau in Niedermooren - Integration von Rohstoffgewinnung, Wasserreinigung und Moorschutz zu einem nachhaltigen Nutzungskonzept
Stand des Projektsabgeschlossenes Vorhaben
Aktenzeichen10628
ProjektträgerTechnische Universität München
Lehrstuhl für Vegetationsökologie
Am Hochanger 6
85350 Freising

 

AnsprechpartnerProf. Dr. Jörg Pfadenhauer
Dipl.-Biol. Sabine Heinz
Telefon(08161) 71 - 34 98
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