Niederwälder und Stockausschlagwälder in Rheinland-Pfalz

Niederwald ist eine traditionelle, zyklische Form der forstlichen Bewirtschaftung, bei der in relativ kurzen Zeitabständen (in der Regel alle 15 - 25 Jahre) alle Bäume auf einer Fläche geerntet werden. Die folgende Niederwaldgeneration erneuert sich natürlich durch Ausschläge aus den verbliebenen Stöcken. Die zyklische Bewirtschaftung mit mosaikartigen, temporären Freiflächen, führt zu einer großen Artenvielfalt und ausgeprägten Randeffekten.
Stockausschlagswald

Niederwälder waren über Jahrhunderte hinweg wichtige Lieferanten für Brennholz, Pfähle, Faschinen, Gerbrinde (Lohe) und vieles mehr. Aus wirtschaftlichen Gründen kam die Niederwaldbewirtschaftung nach 1950 fast überall zum Erliegen. Die meisten Niederwälder haben daher heute ein Alter von 60 - 90 Jahren und sind „durchgewachsen“. Der Begriff Niederwald wird heutzutage umgangssprachlich für alle Wälder, die aus Stockausschlag entstanden sind, verwendet.

In Rheinland-Pfalz befinden sich rund 160.000 ha aus Stockausschlag entstandene Wälder. Ihnen kommt eine erhebliche naturschutzfachliche Bedeutung zu. Sie sind zudem häufig Bodenschutzwald und stellen zugleich ein wichtiges Holzpotenzial dar. Sie werden jedoch nur in geringem Umfang noch niederwaldartig genutzt, vor allem durch traditionelle Nutzungsgemeinschaften und im Rahmen naturschutzfachlicher Pflegemaßnahmen. Häufig befinden sie sich auch in verschiedenen Stadien der Überführung zu Hochwald oder sind sich selbst überlassen und überaltert. Durch die in jüngster Vergangenheit verstärkte Nachfrage nach Energieholz gewinnt die Brennholzerzeugung als „ursprüngliches“ Ziel der Niederwaldbewirtschaftung wieder an Attraktivität. Aus der Perspektive verschiedener Akteure, die sich mit Stockausschlagwäldern befassen, bestehen unterschiedliche Vorstellungen über geeignete Bewirtschaftungsformen sowie über ihre Auswirkungen vor allem in naturschutzfachlicher Sicht. Offen ist insbesondere, inwieweit durch die Wiederbelebung niederwaldtypischer Dynamik Vorteile für Flora und Fauna entstehen können, z.B. im Hinblick auf seltene Arten.

junger Stockausschlag

Ziel des vorliegenden Projektes ist die Entwicklung von naturschutzfachlich- und nutzungsorientierten integrierten Bewirtschaftungskonzepten für Niederwälder. Dabei sollen Aussagen darüber erarbeitet werden, welche Funktionen Niederwälder im Laufe der typischen kurzen Bewirtschaftungszyklen erbringen können (Darstellung des multifunktionalen Anspruchs im räumlich-zeitlichen Kontext). Die Ergebnisse werden in Form von konkreten Entscheidungshilfen für die Praxis verfügbar gemacht. 

  1. Eine landesweite Bestandserfassung dient dazu, zunächst eine Typisierung der durch Stockausschlag entstandenen Wälder in Rheinland-Pfalz zu erarbeiten. Dabei wird nach Standorten, vor allem aber nach den verschiedenen beteiligten Baumarten und deren Entwicklungsstadium differenziert.

  2. Im Mittelpunkt eines zweiten Schritts steht die Entwicklung verschiedener Managementoptionen, die sowohl die klassisch-traditionelle wie auch „moderne“ Formen der Niederwaldbewirtschaftung (z.B. Niederwälder zur Waldrandgestaltung) umfassen können. Diese unterschiedlichen Bewirtschaftungsformen werden aus dem Blickwinkel von Naturschutz, Waldbau und forstlicher Nutzung sowie hinsichtlich ihres Beitrags zum Bodenschutz untersucht, woraus sich ein Überblick über mögliche wirtschaftliche und ökologische Funktionen des Niederwalds im regionalen Kontext ergibt. Daraus abgeleitet werden Hinweise darauf, wo und in welchem Umfang eine zyklisch angelegte Bewirtschaftung von Stockausschlagwäldern auch zukünftig erfolgen sollte, bzw. welche anderen Optionen für die Entwicklung und Nutzung dieser Wälder unter ökologischen, ökonomischen und sozialen Gesichtspunkten möglich sind. Ziel ist es, den multifunktionalen Anspruch von Niederwäldern in einem konkreten Raum-Zeit-Bezug darzustellen, Leitbilder zu entwickeln und Vorschläge für eine „Regionalisierung“ zu erstellen.

  3. Dritter Baustein des Projektes ist schließlich die Analyse der Bedeutung und Akzeptanz von Niederwäldern mit ihren verschiedenen Managementvarianten aus der Perspektive der Raumordnung und der beteiligten Stakeholder, wie z. B. staatlicher und privater Naturschutz, staatliche Forstverwaltung, private und kommunale Grundeigentümer, Jagd, Tourismus. Die Ergebnisse haben damit eine hohe Bedeutung im Rahmen der Politikberatung. Sie werden zu praktischen Handlungsempfehlungen für Waldbesitzer, Naturschutz, Regionalpolitik und Wirtschaft verdichtet und über Transfermaßnahmen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Projekttitel Schutz durch Nutzung: Ein Raum-Zeit-Konzept für die multifunktionale Entwicklung der Stockausschlagwälder in Rheinland-Pfalz
Stand des Projekts laufendes Vorhaben, voraussichtliches Ende 02/2012
Aktenzeichen 25954 - 33/0
Projektträger Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Institut für Forstbenutzung und
Forstliche Arbeitswissenschaft
Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. Gero Becker
Werthmannstr. 6
79085 Freiburg
Ansprechpartner Christian Suchomel
Telefon (0761) 203 9240
E-Mail christian.Suchomel@fobawi.uni-freiburg.de
Kooperationspartner -  Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Waldbau-Institut
Prof. Dr. Jürgen Bauhus
-  Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Institut für Landespflege
Prof. Dr. Werner Konold
-  Forschungsanstalt für Waldökologie und
Forstwirtschaft Rheinland-Pfalz
Dr. Ulrich Matthes
Internet www.fobawi.uni-freiburg.de

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