Kulturgut maschinell reinigen

Maschinelle Reinigung von Archivgut und Textilien

Sie füllen Regalmeter in Archiven, Museen und Bibliotheken: Verunreinigte Aktenblätter, Karten, Pläne, Plakate, Grafiken oder Fotografien. Unumgänglich für die Erhaltung und Benutzung ist ihre Reinigung. Das manuelle Entfernen von Feinstaub und Schimmel ist allerdings mühsam, in der Wirksamkeit schwer kontrollierbar und unter Umständen gesundheitsgefährdend. Herkömmliche Methoden können zudem empfindliche Papieroberflächen, Tinten-, Zeichen- oder Farbschichten beschädigen und sind nicht immer einsetzbar. Ein Forschungsprojekt der Fakultät Bauen und Erhalten an der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst (HAWK) Hildesheim/Holzminden/Göttingen zeigt erste Erfolge für eine objektschonende maschinelle Lösung.

Beruhend auf einer an der Universitäts- und Forschungsbibliothek Erfurt/Gotha entwickelten maschinellen Technologie der elektrostatischen Reinigung entstand an der HAWK eine neue kompakte und modular aufgebaute Anlage. Sie reinigt kontaminiertes Kulturgut mit einer höheren elektrostatischen Aufladung als das Vorgängersystem und ermöglicht es als Zusatzoption, die Dokumente doppelseitig zu digitalisieren.

Für die Reinigung werden die Dokumente auf einem Transportband durch leichten Unterdruck fixiert und gesichert. Während sie die Anlage durchlaufen, nimmt eine elektrostatisch aufgeladene Folie Stäube und auch Schimmelsporen gleichmäßig von beiden Seiten der Dokumente ab. Der Reinigungsdurchlauf kann ohne Risiko für die Dokumente mehrmals wiederholt werden bis das Reinigungsziel erreicht ist. Die Reinigungsanlage ist im laufenden Betrieb nicht lauter als ein Kopierer und kann an das normale Stromnetz angeschlossen werden.

Die neue Anlage reinigt bis zu 120 Objekte pro Stunde – hier die Entnahme eines Dokumentes.

Federführend entwickelt und realisiert wurde das neue, modulare System durch die HAWK in Kooperation mit der Firma Becker Systems GmbH, Berglen, dem Niedersächsischen Landesarchiv, Hannover, und dem Institut für Kunst und Technologie der Universität für angewandte Kunst Wien. In Zusammenarbeit mit der Von Veltheim-Stiftung, Helmstedt, dem Landeskirchlichen Archiv Kassel und der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart wurde die Technologie auch bei Textilien, handkolorierten Cyanotypien und mikrobiell kontaminierten historischen Fotografien erprobt.

Das Prinzip der elektrostatischen Reinigung: die Objektoberfläche A) vor und B) während der Reinigung

Inzwischen unterstützt die HAWK mit ihrem elektrostatischen Verfahren die Reinigung von Archivbeständen des Niedersächsischen Landesarchivs und des Historischen Archivs der Stadt Köln. Forschungsbedarf besteht noch zur Reinigungstiefe bei mikrobiell belasteten Beständen.

Zur digitalen Informationssicherung von Schriftgut wird die Anlage zurzeit gemeinsam mit der MFB MusterFabrik GmbH Berlin um Komponenten der digitalen Bildverarbeitung und Mustererkennung erweitert. Die Anlage an der HAWK Hildesheim steht auf Anfrage für Probearbeiten und Vorführungen der unterschiedlichen Anwendungen – Reinigung, Scannen und Schrifterkennung – zur Verfügung. Für andere Institutionen können Anlagen bedarfsgerecht konzipiert und hergestellt werden.

Testscan einer Karte des Niedersächsischen Landesarchivs

Projektthema:
Maschinelle Reinigung von Archivgut und Textilien

ProjektdurchfĂĽhrung:
Hochschule fĂĽr Angewandte Wissenschaft und Kunst (HAWK)

Fakultät Bauen und Erhalten, Prof. Dipl.-Rest. Ulrike Hähner
Tappenstr. 55
31134 Hildesheim
E-Mail: haehner@hawk-hhg.de
www.hawk-hhg.de

AZ 29643