Identifizierung und Schutz von Waldbeständen mit vorrangiger Bedeutung für den Erhalt der Biodiversität

Projekt zielt auf Erarbeitung einer belastbaren wissenschaftlichen Grundlage ab

Mit dem Projekt soll in den Schleswig-Holsteinischen Landesforsten ein Lösungsweg für zwei wichtige Ziele des Waldnaturschutzes erarbeitet werden: Zum einen der Schutz der Lebensgemeinschaften der Alters- und Zerfallsphase von Laubwäldern, zum anderen der Schutz von gefährdeten Waldbiotopen auf extremen Standorten. Die beabsichtigte Konkretisierung einer Strategie zur Identifizierung und zum Schutz von Biodiversitätszentren soll die Auswahl von naturschutzfachlichen Vorrangflächen im Wald auf eine belastbare wissenschaftliche Grundlage stellen.

Das Vorhaben baut insbesondere auf den Überlegungen des britischen Ökologen Norman Myers auf, wonach durch Identifizierung und Schutz der besonders artenreichen und gleichzeitig am stärksten gefährdeten Regionen der Erde (sog. Hotspots) eine Vielzahl von Arten auf vergleichsweise wenig Fläche und besonders effektiv vor dem Aussterben bewahrt werden kann. In diesem Sinne sollten auch Schutzbemühungen im Wald vor allem dort ansetzen, wo eine größtmögliche Wirksamkeit zu erwarten ist. Dies gilt insbesondere für die Zentren der typischen Arten- und Lebensraumvielfalt, deren Stabilisierung wesentlich effektiver ist als ihre Wiederherstellung an anderer Stelle. Zudem können diese Biodiversitätszentren als Spenderflächen für angrenzende Waldflächen fungieren und damit auch der Wiederherstellung naturnaher Lebensgemeinschaften auf größerer Fläche dienen.

Naturnahe Buchenwälder mit einem hohen Anteil von Totholz und alten Bäumen sind im norddeutschen Tiefland nur noch selten zu finden. Gleichzeitig beherbergen sie eine Vielzahl seltener und geschützter Pflanzen- und Tierarten, was sie besonders schützenswert macht.

Für die Umsetzung dieser Strategie stehen derzeit noch keine praxisreifen Methoden zur Verfügung. Diese Lücke soll mit dem hier vorgestellten Vorhaben geschlossen werden, in dem ein Verfahren entwickelt, erprobt und validiert wird, mit dem Biodiversitätszentren identifiziert und langfristig gesichert werden können. Als konkrete Biodiversitätszentren stehen die Lebensgemeinschaften der Alters- und Zerfallsphase von Laubwäldern sowie die Waldbiotope auf extremen Standorten (nass, trocken, nährstoffarm) im Fokus des Projektes. Diese haben aufgrund ihrer Naturnähe, Seltenheit und Gefährdung einen besonders großen naturschutzfachlichen Wert.

Das zu entwickelnde praxisreife Verfahren zur Identifikation von Biodiversitätszentren schließt die Auswertung vorliegender Daten ebenso ein wie geeignete Methoden der Vor-Ort-Kartierung sowie zielführende Maßnahmenbündel zur Behandlung und langfristigen Sicherung der Biodiversitätszentren.

Das Leberblümchen (Hepatica nobilis) - die Blume des Jahres 2013! - ist gesetzlich besonders geschützt. Es kommt fast nur dort vor, wo schon seit vielen Jahrhunderten Laubwald wächst. Dieser Frühblüher kann deshalb als Indikatorart für die aus Naturschutzsicht besonders wertvollen alten Waldstandorten dienen.

Im Einzelnen werden die folgenden Zielsetzungen verfolgt:

A         Entwicklung eines Verfahrens zur Identifikation von Biodiversitätszentren durch Methoden der Habitatmodellierung für die Arten bzw. Lebensgemeinschaften der Alters- und Zerfallsphase von Laubwäldern. Ergänzend werden Modelle zur Vorhersage von seltenen und gefährdeten Waldbiotopen extremer Standorte mithilfe von Indikatorartengruppen erarbeitet. Abschließend erfolgen eine Validierung der Ergebnisse aus beiden Analysen und die Abgrenzung von Biodiversitätszentren.

B         Erarbeitung und Erprobung eines praxisnahen Verfahrens zur Kartierung der Naturnähe von Waldbeständen durch Weiterentwicklung der bereits vorliegenden Verfahren der Biotopkartierung. Als zu kartierende Indikatoren der Naturnähe werden vor allem Indikatorarten, Waldstrukturen und Standortverhältnisse genutzt. Die Validierung erfolgt durch die Kartierung der unter A ermittelten Biodiversitätszentren im Vergleich zu einem Zufallskollektiv von Waldbeständen.

C         Aufstellung eines Katalogs zielführender naturschutzfachlicher Maßnahmen für die Behandlung von Biodiversitätszentren und ihrer Umgebung auf der Grundlage einer Literaturstudie und der Synopse vorhandener Maßnahmenkataloge.

Als Datengrundlage werden vorliegende Art-, Forst- und Umweltdaten genutzt. Hier sind insbesondere die wertvollen Datensammlungen der AG Geobotanik in Schleswig-Holstein und Hamburg e. V., des Vereins für Naturwissenschaftliche Heimatforschung zu Hamburg e. V., des Landesamtes für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (LLUR) sowie der Schleswig-Holsteinischen Landesforsten (SHLF) zu nennen.

Abb. 3: Der Ästige Stachelbart ist ein exotisch anmutender Pilz, der nur in alten Buchenwäldern mit viel Totholz vorkommt. Seinen wissenschaftliche Namen - Hericium coralloides - trägt dieser Naturnähezeiger aufgrund der Ähnlichkeit mit einem Korallenstock. Er ernährt sich saprotroph, wächst also nur auf totem Holz.
Projektthema
Identifizierung und Schutz von Waldbeständen mit vorrangiger Bedeutung für den Erhalt der Biodiversität
 
Projektdurchführung
Nordwestdeutsche Forstliche Versuchsanstalt, Abteilung Waldwachstum, Sachgebiet Waldnaturschutz/Naturwaldforschung, Prof. Dr. H. Spellmann, Dr. P. Meyer, Grätzelstr. 2, 37079 Göttingen
 
Ansprechpartner: Dr. Andreas Mölder

Tel. 0551/69401-313

E-Mail: andreas.moelder@nw-fva.de

Kooperationspartner: Schleswig-Holsteinische Landesforsten, T. Scherer, B. Friedrichsdorf, Memellandstr. 15, 24537 Neumünster

Internet: www.nw-fva.de
www.forst-sh.de
 
AZ 29677