Hürden auf dem Weg zur sozial-ökologischen Transformation – Rechtsextremismus als Herausforderung für den Naturschutz

Die Klimakrise wird zu Recht als eine der größten Herausforderungen in der Menschheitsgeschichte bezeichnet. Dementsprechend sind zu ihrer Bekämpfung internationale Vereinbarungen getroffen worden, so auch das Pariser Klimaabkommen. Um das Ziel dieses Klimaabkommens erreichen zu können, sind binnen kürzester Zeit einschneidende Maßnahmen notwendig. Eines der zentralen Mittel, um der Klimakrise zu begegnen, ist ein substanzieller Ausbau der erneuerbaren Energien. Hier steht der Naturschutz wegen des Zielkonfliktes „Artenschutz versus beschleunigter Ausbau der erneuerbaren Energien“ vor einer großen Herausforderung. Eine aktuelle NABU-Studie zeigt, dass völkisch-rechtspopulistische und -extremistische Kreise zielgenau unter anderem diesen Konflikt nutzen, um Einfluss auf im Naturschutz Engagierte zu gewinnen. Diese Kreise reklamieren mittlerweile offen die Deutungshoheit über den Naturschutz im Sinne „Ökologie ist rechts!“ für sich. Verschärft haben sich diese großen Herausforderungen durch die Folgen, die der russische Angriffskrieg auf die Ukraine nach sich zieht. Fragen der Energieversorgung und daraus resultierende Folgen für den sozialen Sektor und für den Naturschutz werden die politischen Auseinandersetzungen in der nächsten Zeit wesentlich bestimmen. Soziale Verwerfungen sind absehbar – ein zweites Einfallstor für demokratiefeindliche, neurechte Akteur*innen. Die Auseinandersetzung mit solchen Phänomenen der Einflussnahme auf den Naturschutz ist dringend geboten, insbesondere vor dem Hintergrund, dass sich unter vielen Naturschützer*innen aufgrund oft frustrierender Alltagserfahrungen eine wachsende Demokratie- und Partizipationsverdrossenheit erkennen lässt. Hier will das Projekt ansetzen und eine gründliche Aufarbeitung der Prozesse leisten.

Abfrage von Präsenz und Bedeutung des Themas und umfangreiche Fallstudien

Die bisherigen Erfahrungen auf diesem Feld zeigen, dass die Interventionen vor allem den zivilgesellschaftlichen Naturschutz betreffen. Im Rahmen des Projektes soll daher der zivilgesellschaftliche Naturschutz von Beginn an eingebunden werden. In einer ersten Projektphase werden zunächst die Bedeutung der Thematik auf lokaler Ebene in unterschiedlichen Verbänden erfasst und konkrete Unterstützungsbedarfe abgefragt. Bereits zu Beginn soll auch die Expertise anderer gesellschaftlicher Subsysteme, wie Gewerkschaften, Kirchen und Wohlfahrtsverbänden, Berücksichtigung finden. Diese mussten sich bereits mit der beschriebenen Problematik auseinandersetzen. Auch die Perspektive des Verfassungsschutzes soll beratend einbezogen werden.

Durch die Berücksichtigung der anderen Subsysteme werden Vergleiche insbesondere hinsichtlich geeigneter, übertragbarer Interventionen in den Naturschutz ermöglicht. Es soll die Frage geklärt werden, an welchen Stellen es spezifischer Interventionen bedarf, und wo solche aus anderen Subsystemen übernommen werden können. Um daraufhin systematische Muster der Einflussnahme von Akteur*innen der Neurechten analysieren zu können, braucht es eine breitere empirische Grundlage. Hierfür sind insgesamt zehn bis zwölf Fallstudien aus dem Wirkungskreis der kooperierenden Umwelt- und Naturschutzverbände vorgesehen. Die Fallstudien werden auf Basis empirischer Auswertungen von Dokumenten, Social-Media-Plattformen und leitfadengestützten Interviews erfolgen. Die Rekonstruktion und Analyse der Fallstudien werden im Schwerpunkt durch die Universität Kassel erfolgen. Die Analysen der Fallstudien haben die Funktion, die Entstehungskontexte rechter Aktivitäten aufzuschlüsseln sowie die Entstehungsbedingungen rechter Dynamiken in organisierten zivilgesellschaftlichen Räumen zu identifizieren.

Entwicklung einer Handreichung für Verbände

Umwelt- und Naturschutzverbände sollen auf Basis der Analyse der Fallstudien Empfehlungen aus dem Vorhaben erhalten, wie die Identifikation von und der Umgang mit rechten Einflussnahmen strukturiert, konkret und praxisnah erfolgen kann. Hierbei sollen insbesondere auch Akteur*innen in den Verbänden erreicht werden, die sich der potenziellen Einflussnahme der Neurechten nicht bewusst sind. Um den Umwelt- und Naturschutzverbänden auf allen Ebenen ihres Handelns eine praxisnahe Hilfestellung geben zu können, soll aus dem DBU-Projekt eine konkrete Handreichung hervorgehen, die dem Zweck dient, die Verbände zu ertüchtigen, sich rechter Einflussnahmen zu erwehren. Das Handbuch soll mittelfristig dazu beitragen, in den Umwelt- und Naturschutzverbänden auf allen Ebenen eine grundlegende demokratische Resilienzstrategie zu entwickeln. Die Handreichung wird im Schwerpunkt durch die Stiftung Naturschutzgeschichte unter Einbindung politikdidaktischer Expertise der Universität Kassel entwickelt. Eine Übertragbarkeit der Ergebnisse auf weitere Bereiche wie beispielsweise landwirtschaftliche Verbände soll ebenfalls geprüft werden.

Projektdurchführung:
Stiftung Naturschutzgeschichte
Königswinter, Nordrhein-Westfalen

DBU-AZ: 38613

Förderzeitraum: 13.03.2023 – 13.03.2025

Stand: 14.08.2023

Titelbild: AdobeStock – Gift Culture MediaKOTO