Beheizung von Industrieöfen jetzt auch mit erneuerbaren Energien möglich

Ein neuartiges Hybridstrahlrohr kombiniert erstmalig ein klassisches Gasbrenner-Strahlrohr mit einer elektrischen Heizungsvorrichtung, sodass Brenngas eingespart und Überschussstrom aus erneuerbaren Energien genutzt werden kann

In der Prozessindustrie werden zur Herstellung von Nutzgütern mit höchsten Qualitätsanforderungen Thermoprozessanlagen eingesetzt. Ein wesentlicher Prozessschritt ist die Wärmebehandlung in Industrieöfen. Die Beheizung dieser Öfen auf Temperaturwerte von 600 °C bis 1.000 °C ist äußerst energieintensiv und wird zurzeit überwiegend mit Erdgasbrennern sichergestellt. Mit Hinblick auf die Energiewende, insbesondere auch auf die Anforderungen aus dem European Green Deal und dem Bundes-Klimaschutz-Gesetz zur Verringerung des CO2-Ausstoßes und der verstärkten Nutzung von erneuerbaren Energien, sind daher neue, innovative Arten der Beheizung von Thermoprozessanlagen nötig.

In einem Projekt haben sich vier Partner dieser Herausforderung gestellt und erfolgreich die technische Umsetzbarkeit eines neuartigen hybriden Strahlrohrs zur Beheizung von Industrieöfen unter Beweis gestellt.

Aber was genau ist eigentlich ein Strahlrohr? Von außen betrachtet ist es ein riesiger Heizstab mit einer Wärmeleistung von zum Beispiel rund 50 kW, welcher aus einem keramischen oder metallischen Rohr besteht und den Industrieofen beheizt. In einem konventionellen Strahlrohr wird dazu ein Gasbrenner eingebaut, dessen Flamme während des Betriebs zunächst die Innenseite des Rohres erwärmt. Die Wärme wird über das Rohr selbst an dessen Außenseite und damit in den Ofeninnenraum übertragen. Die Beheizung erfolgt demnach indirekt. Dieser Umstand führte zu der Frage, ob das Strahlrohr neben der bewährten gasbefeuerten Beheizung auch mit einer elektrischen Beheizung betrieben werden könnte. So könnte Erdgas bei einem hohen Aufkommen von Strom aus erneuerbaren Energien substituiert und damit eingespart werden.

Bei der Entwicklung mussten die speziellen Anforderungen an das Hybridstrahlrohr wie beispielsweise die dauerhafte Hochtemperaturfestigkeit im Bereich um 1.000 °C, die Beständigkeit in einer wasserstoffhaltigen Atmosphäre, eine gleiche Heizleistung sowohl im gasbefeuerten als auch im elektrischen Betrieb und möglichst geringe aufwands- oder kostenintensive Industrieofenumbauten berücksichtigt werden. An einer Bandanlage bei dem Projektpartner thyssenkrupp Steel Europe (tkSE) wurden diese Anforderungen zunächst genauer untersucht. Da tkSE selbst insgesamt fünf vergleichbare Thermoprozessanlagen betreibt, ist die Übertragbarkeit der erhaltenen Ergebnisse gegeben. Expertise auf dem Gebiet der Strahlrohrbrenner steuerte die Firma WS Wärmeprozesstechnik bei, welche im Jahr 2011 den Deutschen Umweltpreis der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) für die Entwicklung des flammenlosen Verbrennungsverfahrens FLOX erhielt. Als weltweit agierender Projektpartner im Bereich der elektrischen Heizelemente wirkte die Firma Kanthal im Projekt mit. Die Koordination des Vorhabens lag beim VDEh-Betriebsforschungsinstitut (BFI).

Das erarbeitete Konzept für das neuartige Hybridstrahlrohr wurde bereits als Prototyp im Technikum umgesetzt, mit welchem beide Beheizungsvarianten erfolgreich getestet werden konnten. Das Hybridstrahlrohr ist damit nun auch ein elektrischer Verbraucher, welcher flexibel eingesetzt werden kann. Bei großer Verfügbarkeit von Strom aus erneuerbaren Energien kann somit tatsächlich auf die Verbrennung von Erdgas verzichtet werden; gleichzeitig wird der Stromverbrauch signifikant erhöht, sodass beispielsweise Windkraftanlagen mit Hinblick auf die Netzstabilität nicht mehr abgeschaltet werden müssen. Der angepasste Brenner kann zudem nicht nur Erdgas, sondern bei entsprechender Verfügbarkeit auch Wasserstoff, synthetische Gase oder Biomethan nutzen.

Da es sich bei Industrieöfen um sehr energieintensive Prozesse handelt, gibt es mit der Entwicklung des Hybridstrahlrohrs nun eine weitere starke Option der Sektorenkopplung im gewerblichen und industriellen Bereich – ein weiterer wichtiger Baustein für die Transformation der Energiewirtschaft. Nach diesem hervorragenden Nachweis der technischen Machbarkeit führt das Projektkonsortium die Arbeiten jetzt mit dem Ziel der industriellen Erprobung im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Kopernikus-Projekts "Synergie" fort.

 

Projektdurchführung
VDEh-Betriebsforschungsinstitut GmbH (BFI)
40237 Düsseldorf
www.bfi.de

 

DBU-AZ: 34825

Förderzeitraum: Mai 2019 bis Oktober 2020

 

Stand: 23.04.2021

Aufbau der elektrischen Beheizung: Flammrohr mit helixförmiger Aufwicklung des Heizdrahts mit keramischen Abstandshaltern zur gleichmäßigen Wärmeabgabe
Schema der entwickelten Hybridstrahlrohrs: gasbefeuerte und elektrische Beheizungsmöglichkeit, Wärmeleistung jeweils rund 50 kW
Prüfstand mit angeschlossenem Hybridstrahlrohr
Banddurchlaufofen in der Stahlindustrie: Durchsatz rund 450.000 Tonnen pro Jahr, Erdgasverbrauch 1.300 Kubikmeter pro Stunde, Beheizung teilweise mit Strahlrohren, Temperaturen zwischen 600 °C und 1.000 °C