Projekt 37036/01

Umweltbewusstsein und Risikowahrnehmung in Zeiten der SARS-CoV-2-Pandemie in Deutschland

Projektträger

Universität Bielefeld Dekanin der Medizinische Fakultät OWL
Morgenbreede 1
33615 Bielefeld
Telefon: +49521 106 67423

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Aufgrund des aktuell noch immer ungebremst voranschreitenden Klimawandels, verbunden mit Starkregen und Dürren, wird das Auftreten von Pandemien und anderer krisenhafter Ereignisse zukünftig wahrscheinlicher. Damit erhöht sich auch die Wahrscheinlichkeit, dass die Bevölkerung in steigendem Ausmaß von den vielfältigen Konsequenzen dieser Ereignisse betroffen ist. Das vorliegende Forschungsvorhaben erfolgt vor dem Hintergrund der seit 2020 weltweit auftretenden SARS-CoV-2-Pandemie (Corona-Pandemie) sowie der fortschreitenden Klimakrise und analysiert die Wahrnehmung der Bevölkerung bezüglich der beiden Prozesse.
Das Projekt fokussiert vor allem das Umweltbewusstsein und die Risikowahrnehmung in Bezug auf die Corona-Pandemie und den Klimawandel sowie mögliche Einflussfaktoren. Ziel war es zum einen zu erfassen, inwiefern die Bevölkerung in Nordrhein-Westfalen (NRW) aufgrund der Ausnahmesituationen während der Corona-Pandemie ihr individuelles und das generelle Risiko bezüglich einer COVID-19-Erkrankung und des Klimawandels wahrnehmen. Zudem sollte ermittelt werden, ob das Bewusstsein eines Zusammenhangs von Klimawandel und Pandemie besteht. Dabei war ebenso von Interesse, ob sich das Umweltbewusstsein und die Risikowahrnehmung bei Betroffenen einer SARS-CoV-2-Infektion oder bei einer pandemiebedingten wirtschaftlichen Betroffenheit von Nicht-Betroffenen unterscheiden.
Da im Juli 2021 (u. a.) auch Starkregen- und Hochwasserereignisse zahlreiche Menschen in NRW in Ausnahmesituationen brachten, wurde diesbezüglich der Effekt der Betroffenheit auf das Umweltbewusstsein und die Risikowahrnehmung des Klimawandels analysiert. Im Rahmen der Studie erfolgte zudem eine Analyse möglicher Zusammenhänge zwischen der individuellen Risikowahrnehmung bzgl. der SARS-CoV-2- Pandemie bzw. der Klimakrise sowie der Befürwortung von Maßnahmen zur Pandemieeindämmung bzw. zum Klimaschutz.
Die Ergebnisse können einen Beitrag zur Erarbeitung verbesserter Strategien und Dialogstrukturen in der Risikokommunikation leisten. Damit soll nicht nur in akuten Krisenfällen eine Steigerung der Befürwortung von notwendigen (Schutz-)Maßnahmen erreicht werden, sondern insbesondere auch eine Verbesserung der Befürwortung und des Verständnisses für die Umsetzung von präventiven Maßnahmen zum Klimaschutz erreicht werden. Bei der Studienplanung wurde davon ausgegangen, dass mit dem gewählten Befragungszeitpunkt die maximale Belastungssituation der Bevölkerung im gesamten Pandemieverlauf abgebildet werden kann. Da sich die Pandemiesituation in 2021 aber nicht nur verlängert, sondern mit der dritten Welle und dem harten Lockdown im Februar 2021 weiter intensiviert hat, wurde der Befragungszeitraum auf die Sommer/Herbstmonate 2021 ausgeweitet. Durch die Follow-Up-Erhebung im August/September 2021 war eine Analyse von Veränderungen der Einstellungen und Wahrnehmung von Pandemie- und Umweltthemen im Pandemieverlauf möglich.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenDie Befragung der repräsentativen Stichprobe (n=1049) aus Nordrhein-Westfalen erfolgte im Februar 2021 zur Zeit des zweiten bundesweiten Lockdowns. Im August/September 2021 erfolgte dann eine wiederholte Befragung von (n=637) Teilnehmende im Rahmen einer Follow-Up-Erhebung. Für das Projekt wurde ein Onlinefragebogen entwickelt, der neben sozioökonomischen Aspekten, allgemeine Aspekte zur Corona-Pandemie und zur persönlichen gesundheitlichen und wirtschaftlichen Betroffenheit durch die SARS-CoV-2-Pandemie behandelt. Die Erfassung des Umweltbewusstseins erfolgte mittels eines etablierten Instruments aus der Umweltbewusstseinsstudie von 2018 (Geiger und Holzhauer 2020). Dieses Instrument bildet das Umweltbewusstsein durch verschiedene Komponenten ab (Affekt, Kognition, Verhalten). Fragen zu Umwelt und Umweltverhalten (z. B. bzgl. Mobilität, Konsum) sowie zum Thema Klimawandel wurden allgemein und im Zusammenhang mit der Pandemie gestellt. Weitere Fragen umfassten die Befürwortung von Einschränkungsmaßnahmen zur Pandemie und von Maßnahmen zum Umwelt- und Klimaschutz. Des Weiteren erfolgte die Erfassung der subjektiven Risikowahrnehmung der Teilnehmenden bezüglich der Corona-Pandemie und des Klimawandels. Dazu diente ein Messinstrument, welches eine subjektive Erfassung von thematisch unterschiedlichen Risiken ermöglicht (Wilson et al. 2019). Das Instrument bildet die Risikowahrnehmung durch verschiedene Komponenten ab (allgemein, persönlich, Affekt, Wahrscheinlichkeit, Konsequenzen). Die Daten wurden deskriptiv ausgewertet. Zum anderen wurde der Einfluss der Pandemie-Betroffenheit auf die Komponenten des Umweltbewusstseins analysiert sowie Unterschiede der Risikowahrnehmung des Klimawandels von Betroffenen und Nicht-Betroffenen statistisch analysiert.
Zur Erfassung der Dynamik im Pandemieverlauf wurden bei der Follow-Up-Erhebung im August/September 2021 ausgewählte Themen erneut abgefragt und statische Analysen entsprechend der ersten Befragung durchgeführt. Zusätzlich wurden die Teilnehmenden zu ihrer persönlichen und/oder indirekten Betroffenheit (d. h. Betroffenheit nahestehender Personen) durch die Starkregen- und Flutereignisse im Juli 2021 befragt. In diesem Zusammenhang wurde der Einfluss der Betroffenheit auf die Komponenten des Umweltbewusstseins und Unterschiede der Risikowahrnehmung des Klimawandels von Betroffenen und Nicht-Betroffenen analysiert.


Ergebnisse und Diskussion

Effekt der Betroffenheit auf das Umweltbewusstsein
Eine gesundheitliche Betroffenheit durch die Pandemie hatte im Februar 2021 einen positiven Einfluss auf die Komponenten des Umweltbewusstseins. Dieser Effekt trat in der Follow-Up-Befragung im August/September 2021 nicht mehr auf. Bei einer wirtschaftlichen Betroffenheit konnten hingegen an beiden Befragungszeitpunkten eine negative Wirkung auf umweltbezogene Einstellungen festgestellt werden. Die Betroffenheit durch die Starkregen- und Flutereignisse im Juli 2021 ergab starke, positive Effekte auf alle Komponenten des Umweltbewusstseins.

Effekt der Betroffenheit auf die Risikowahrnehmung
Gesundheitlich Betroffene schätzten die Wahrscheinlichkeit einer Gefährdung durch die Corona-Pandemie im Durchschnitt höher ein als nicht-betroffene Personen. Daneben hat eine wirtschaftliche Betroffenheit einen signifikanten Effekt auf die persönliche Risikowahrnehmung der Pandemie. Wirtschaftlich stark Betroffene schätzen zudem die Wahrscheinlichkeit einer persönlichen Gefährdung durch die Pandemie als größer ein und sind emotional stärker involviert als nicht betroffene Teilnehmer*innen Die Betroffenheit durch die Flutereignisse ergab bei der Wahrnehmung des persönlichen Risikos sowie der Affekt-, Wahrscheinlichkeits- und der Komponente der Konsequenzen signifikante Unterschiede zwischen Betroffenen und Nicht-Betroffenen. Demnach kann die Betroffenheit durch die Folgen einer Krise die Risikowahrnehmung der Krise insgesamt erhöhen.

Zusammenhang der Risikowahrnehmung von unterschiedlichen Krisen
Eine stärkere emotionale Beschäftigung mit den Risiken der Corona-Pandemie ist mit einer stärker ausgeprägten Risikowahrnehmung des Klimawandels assoziiert. Die generelle Risikowahrnehmung und die Wahrnehmung in Bezug auf die Konsequenzen der Pandemie stehen darüber hinaus in einem signifikanten Zusammenhang mit der generellen Risikowahrnehmung des Klimawandels bzw. den möglichen Konsequenzen des Klimawandels.

Risikowahrnehmung der Pandemie und Befürwortung von Maßnahmen
Es konnte ein signifikanter Zusammenhang zwischen der Risikowahrnehmung der Pandemie und der Befürwortung von Maßnahmen zur Pandemieeindämmung festgestellt werden. Zudem bestehen auch signifikante Zusammenhänge zwischen der Risikowahrnehmung des Klimawandels und der Befürwortung von Umweltschutzmaßnahmen. Bezüglich der Befürwortung von Umwelt- und Klimaschutzmaßnahmen konnte hier allerdings auch festgestellt werden, dass Maßnahmen, die eher mit möglichen Kosten verbunden sind, insgesamt weniger Zustimmung erhielten. Die Befürwortung der betrachteten Umwelt- und Klimaschutzmaßnahmen blieb über den Pandemieverlauf konstant, während sich die Befürwortung verschiedener Maßnahmen zur Pandemieeindämmung im Pandemieverlauf verändert hat. Insbesondere Maßnahmen, die Einschränkungen des öffentlichen Lebens betreffen, erhielten bei der Follow-Up-Befragung im August/September 2021 deutlich weniger Zustimmung als im Februar 2021.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Eine unmittelbare mit einer Krisensituation assoziierte Betroffenheit, genauso wie eine krisenunabhängige persönliche Belastungssituation, kann sich auf das Umweltbewusstsein und die Relevanz der Themen Klimawandel und Umweltschutz auswirken. Die vorliegenden Studienergebnisse zeigen, dass abhängig von der jeweiligen Art einer persönlichen Betroffenheit (z. B. gesundheitlich oder wirtschaftlich) durch eine Krisensituation wie der Pandemie, die subjektive Einstellung zu einer anderen Krise, wie dem parallel fortschreitenden Klimawandel, beeinflusst werden kann. Das bedeutet, durch eine Krise wie der Corona-Pandemie können Einstellungen begünstigt werden, die entweder umwelt-protektiv oder auch weniger zugunsten der Umwelt ausgerichtet sind. Eine krisenbedingte Betroffenheit, die eindeutiger mit dem Klimawandel zu verbinden ist, wie die Überflutungen im Juli 2021, hat jedoch insgesamt einen stärkeren Einfluss auf die Risikowahrnehmung, als bspw. die Pandemie.
Grundsätzlich steht die Risikowahrnehmung, sowohl der Pandemie als auch des Klimawandels, in einem Zusammenhang mit (selbst-)schützendem Verhalten sowie der Akzeptanz von (politischen) Schutzmaßnahmen. Die Corona-Pandemie kann demnach potentiell zur Sensibilisierung der Menschen für die Klimakrise und den möglichen Folgen beitragen sowie zum Verständnis zur Umsetzung notwendiger (Schutz)Maßnahmen. Inwieweit das die Handlungsbereitschaft für präventives umwelt- und klimaschützendes Verhalten insgesamt erhöht, gilt es noch zu prüfen.


Fazit

Konzepte zur Erhöhung der Risikowahrnehmung einer Krise, bspw. durch eine gute, nachvollziehbare Informationspolitik, können zur Verbesserung der Akzeptanz von notwendigen schützenden Maßnahmen beitragen. Dabei ist es jedoch erforderlich, die „Kosten und Nutzen“ der Beibehaltung der eingeführten Maßnahmen im Verlauf der Krisensituation stetig abzuwägen, um deren Akzeptanz zu erhalten. Eine umfassendere Aufklärung der Bevölkerung über die weitreichenden Folgen der weltweit fortschreitenden Umweltzerstörung und des Klimawandels, wie der Zusammenhang mit der Corona-Pandemie, kann zu einem höheren Bewusstsein für die Risiken und Folgen der Klimakrise beitragen. Zudem könnten dadurch ggf. nicht nur die Einstellungen zugunsten der Umwelt insgesamt gestärkt, sondern auch die Bereitschaft zur Anpassung des individuellen Verhaltens erhöht werden. Dafür ist eine sozial-wirtschaftliche Stabilität jedoch eine essentielle Voraussetzung.

Übersicht

Fördersumme

99.447,00 €

Förderzeitraum

15.07.2020 - 14.09.2021

Bundesland

Nordrhein-Westfalen

Schlagwörter

Umwelttechnik