Projekt 36089/01

Modellhaftes und integriertes Rahmenkonzept der Park- und Kulturlandschaftsentwicklung in Niederschlesien am Beispiel des Fürstensteiner Grundes

Projektträger

Technische Universität Dresden Lehr- und Forschungsgebiet Geschichte der Landschaftsarchitektur/Gartendenkmalpflege
Helmholtzstr. 10
01062 Dresden
Telefon: 0351/463-34766

Zielsetzung

Die Park- und Kulturlandschaft im niederschlesischen Fürstenstein (polnisch: Książ) zählt zum deutsch-polnischen Kulturerbe. Von 1509 bis 1943 - über 400 Jahre lang - war die Herrschaft Stammsitz der Grafen und späteren Fürsten von Hochberg-Pless. Seit 1990 gehört die äußerst bedeutende und drittgrößte Schlossanlage Polens der Stadt Waldenburg (Wałbrzych). Sie ist mit einigen hunderttausend Besuchern pro Jahr touristisches Aushängeschild der Region und trägt wesentlich zu dem sich wandelnden Image der einstmaligen Montanregion bei. Neben den schon zu ihrer Erbauungszeit berühmten Terrassengärten werden die Schlossanlagen von einer weiträumigen historischen Park- und Kulturlandschaft gerahmt. Als frühe landschaftliche Anlage zog sie um 1800 zahlreiche Besucher an und wurde hundert Jahre später als Waldpark modernisiert. Einzigartig ist, dass sie in ihren historischen Ausmaßen noch erhalten ist, wenn auch in großen Teilen infolge der Entwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg stark verwildert; Gestaltungsabsichten sind deshalb nur noch schwer bzw. für den Spezialisten erkennbar. Gleichzeitig entwickelten sich in diesen Gebieten außergewöhnliche Naturwerte mit wertvollen Lebensräumen, die als Natur- und Landschaftsschutzgebiet (zuletzt als Natura2000-Areal) ausgewiesen wurden, jedoch unter den Auswirkungen des Klimawandels leiden.

Seitens des Museumsbetriebes und der Verwaltung der Schloss Fürstenstein GmbH besteht der Wunsch, die historische Landschaft stärker in ein museales und touristisches Konzept einzubeziehen. Angesichts diverser Eigentümer, kommunaler Zuständigkeiten und Entwicklungsinteressen ist sie jedoch in ihrer Einzigartigkeit in der Öffentlichkeit kaum erkannt und deshalb auch permanent gefährdet.

Ein Kerngebiet ist das ausgewählte Bearbeitungsgebiet des Fürstensteiner Grundes, der sich auf einer Länge von ca. 3 km unterhalb des Schlosses am kleinen Fluss Polsnitz erstreckt. Auf knapp 80 Hektarn zeigen sich bis heute gartenkünstlerische Ausschmückungen eines Naturraums, wie sie in der Gartengeschichte seit dem Ausgang des 18. Jahrhunderts typisch sind. Die stark abfallenden, durch Felsen und Steinschutt gekennzeichneten Flusshänge erheben sich bis zu 80 m und boten die ideale Kulisse für einen frühromantischen Landschaftspark. Gartenbauten und -elemente lassen sich noch heute finden, wie eine Grotte oder die Burgruine; sie sind jedoch in einem schlechten baulichen Zustand, teils sind sie auch komplett verschwunden. Aussichtspunkte sind zugewachsen, historische Wegeverbindungen unterbrochen, Brücken partiell nicht mehr existent. Ein künstlich angelegter Teich, der Schwanensee, führt seit über einem Jahrhundert kein Wasser mehr; früher speiste ihn ein System von Wasserkanälen.

Das abwechslungsreiche Gelände und ein spezifisches Mikroklima haben die Grundlage für eine artenreiche Tier- und Pflanzenwelt geschaffen. Aufgrund der außergewöhnlichen Naturwerte wurde 1981 der „Fürstensteiner Landschaftsschutzpark“ („Książański Park Krajobrazowy“) gegründet, 2000 das Naturschutzgebiet „Schlucht unterhalb von Fürstenstein bei Waldenburg“ („Rezerwat Przełomy pod Książem koło Wałbrzycha“) ausgewiesen, das 2013 in das Natura2000-Netzwerk aufgenommen wurde als („Przełomy Pełcznicy pod Książem“ - „Polsnitzer Schlucht unterhalb von Fürstenstein“).

Der Fürstensteiner Grund ist damit ein Komplex aus heterogenen Flächen, Biotopen, sowie Natur- und Kulturdenkmälern. Zudem zeigen sich einige grundlegende und komplexe Umweltprobleme. Neben der Wasserverschmutzung, die sich noch auf eine ehemalige intensive industrielle Nutzung seit dem 19. Jahrhundert zurückführen lässt, sowie der bestehenden Vermüllung sind die aktuellen Auswirkungen des Klimawandels nicht zu übersehen: zum einen ist ein geringes Wasservorkommen mit unzureichender Wasserqualität in der Polsnitz zu verzeichnen. Besonders drastisch zeigt sich dies in Zeiten heißer Sommer mit geringen Niederschlagsmengen, wie sie sich in den letzten Jahren häuften. Zudem verbreiten sich aufgrund der trockenen Sommer immer mehr Schädlinge, die die ohnehin schon geschwächten Bäume befallen. Bei auftretenden Starkstürmen kommt es daher zu starkem Windbruch. Zudem ist die Waldbrandgefahr bereits im Frühling sehr hoch.

In der Praxis entstehen aufgrund verschiedener Zielsetzungen zwischen den Akteuren und Behörden Kommunikationsprobleme, insbesondere zwischen Natur- und Denkmalschutz. Bislang ist es nicht gelungen, eine übergeordnete Ziel- und Planungsstrategie zu entwickeln, die einen Zusammenschluss von Natur- und Kulturerbe beinhaltet. An dieser Stelle setzt das DBU-Projekt an. In Zusammenarbeit zwischen der TU Dresden und der Naturwissenschaftlichen Universität Breslau (Uniwersytet Przyrodniczy we Wrocławiu) wird derzeit ein interdisziplinäres Modellprojekt an der Schnittstelle von Kulturgeschichte, Gartendenkmalpflege, Natur- und Wasserschutz sowie Tourismus erarbeitet (Laufzeit: Mai 2021 bis Oktober 2023).

Arbeitsschritte

Die wissenschaftliche Aufarbeitung der deutschsprachigen Quellen im Zusammenschluss mit der Analyse der Bestandsentwicklung nach 1945 sollen umfangreiche Grundlageninformationen generieren. Darauf baut ein vielschichtiger, integrierter Ansatz einer Kulturlandschaftsentwicklung auf. Dazu gehören die Entwicklung einer übergeordneten Planungsebene, der Aufbau eines Netzwerkes zwischen regionalen Akteuren, Verwaltungen und Wissenschaftlern, das Aufzeigen eines kulturlandschaftlichen Potentials für eine nachhaltige regionale Entwicklung sowie konzeptionellen Maßnahmen zur Biodiversitätserhöhung. Es gilt dabei die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH) und die Europäische Landschaftskonvention miteinander zu verknüpfen, zwei wichtige europäische Initiativen zur Erhaltung des Natur- und Kulturerbes, unterstützt durch das Konzept „Biocultural Diversity“. Im Rahmen des Projektes sollen daher vier Themenblöcke an der Schnittstelle zwischen Natur- und Kulturerbe umgesetzt werden:

1. Nachhaltige Waldentwicklung
2. Nachhaltige Gewässersanierung
3. Wiederherstellung und Sicherung historischer Garten- und Parkelemente
4. Entwicklung eines nachhaltigen Tourismus.

Zur Erreichung der Projektziele werden die Maßnahmen in drei Modulen mit je drei Stufen durchgeführt.

Modul A „Integrierte Park- und Kulturlandschaftsentwicklung“:
In der ersten Stufe werden Basisdaten generiert, d.h. Recherchen und Archivarbeiten sowie ökologische, hydrologische und denkmalpflegerische Bestandsaufnahmen durchgeführt. Alle das Untersuchungsgebiet betreffende Unterlagen (Archivalien, Schriftstücke) wurden bis 1945 in Deutsch verfasst und sind den polnischen Partnern größtenteils unbekannt. Eine nennenswerte Forschung gibt es nicht. Die deutsche Seite übernimmt deshalb die Aufarbeitung der Entwicklungsgeschichte bis 1945, d.h. eine grundlegende Recherche- und Archivarbeit in Polen und Deutschland. Die polnische Seite ist für die Zustandsentwicklung von 1945 bis heute zuständig, sie übernehmen ökologische, denkmalpflegerische und kulturhistorische Kartierungen. Zu den ökologischen Grundlagenerhebungen zählen faunistische (Insekten, Vögel), floristische (Gefäßflora, Farne), hydrologische (Polsnitz mit Zuflüssen, Kanalsysteme) sowie Biotop-Kartierungen. Zudem werden ehemalige Parkelemente aufgenommen, z.B. bauliche Relikte (Grotten, weitere Gartenbauten), bemerkenswerte Pflanzenarten, historische Sichtbeziehungen, Aussichtsplätze und Wegeverbindungen.

Aufbauend auf Analyse und Bewertung werden in Zusammenarbeit Erhaltungs-, Schutz- und Entwicklungsziele formuliert. Es gilt hierbei in der Praxis die Lücke zu füllen, dass es in Bezug auf Landschaften eine starke Verbindung zwischen Natur- und Kulturerbe gibt. Der sich daraus ableitende Gesamtmaßnahmenkatalog wird in realisierbare Projektschritte geteilt.

Modul B: Kommunikation und Vermittlung:
Parallel zur konzeptionell-planerischen Arbeit werden auf Grundlage eines Kommunikationskonzeptes lokale Akteure, Fachverbände und –behörden sowie politische Entscheidungsträger frühzeitig eingebunden. Sie sollen langfristig zu Garanten für die Erhaltung und Pflege der Fürstensteiner Park- und Kulturlandschaft werden. Für den Aufbau und die Belebung eines fachlichen Netzwerkes finden regelmäßig Projekttreffen, Informationsveranstaltungen, Fachworkshops, eine Fachexkursion sowie berufliche Qualifizierungen statt.

Alle Ergebnisse werden zweisprachig dokumentiert und aufbereitet, um das Projekt in der Öffentlichkeit und in Fachkreisen bekannt zu machen. Durch einen Beirat mit Experten aus beiden Ländern soll im Rahmen des Projektes eine strukturelle Zusammenarbeit gefördert und eine dauerhafte und sachgerechte Fortentwicklung gewährleistet werden.

Modul C: Aufbau und Betrieb einer GIS-Datenbank:
Das Modul C beinhaltet den Aufbau und Betrieb einer GIS-Datenbank. Hier werden alle Ergebnisse sowohl der kulturhistorischen Inventarisierungen als auch der ökologischen und hydrologischen Kartierungen zusammengetragen und thematische Karten aufbereitet, wie historische und aktuelle Wegeverbindungen, Gewässer/wasserbauliche Elemente, Aussichtspunkte, besondere Gehölzarten, Biotope, botanische und faunistische Untersuchungen. Dafür wurden alle historischen Karten georeferenziert. Die GIS-Datenbank ist grundlegend fertiggestellt und wird laufend aktualisiert.
In dieser Form werden Daten und Projektergebnisse nicht nur geteilt, sondern können auch fortgeschrieben oder anderweitig benutzt werden, sei es für touristische Zwecke oder als Grundlage für diverse fachlich ausgerichtete Planwerke bzw. -instrumente.

Öffentlichkeitsarbeit

Ziel ist es, die Öffentlichkeit auf das Projekt aufmerksam zu machen. Die Ergebnisse werden zweisprachig dokumentiert und aufbereitet. Mit regelmäßigen Posts über Facebook und der Projekt-Homepage wird über das Projekt berichtet. Dazu werden ergänzend Pressemitteilungen, um in lokalen und regionalen Medien präsent zu sein, lanciert.

Auf verschiedenen Veranstaltungen konnte bereits über das Projekt berichtet werden. Dazu gehören:
Dessau-Wörlitz-Kommission, Wörlitz: Über Gärten im Gespräch –Wechselwirkungen zwischen Landschaftsgärten des 18. und frühen 19. Jahrhunderts in Mittel- und Osteuropa, 09.-11.09.2021: Vortrag von Marcus Köhler und Marlen Hößelbarth: Der Fürstensteiner Grund – ein deutsch-polnisches Forschungsprojekt

Leibniz Universität Hannover: Gartenhistorisches Forschungskolloquium 2021, 03./04.09.2021, Vortrag von Justyna Jaworek-Jakubska: Die Perspektive einer integrierten Kulturlandschaftsentwicklung in Naturschutz- und Waldgebieten in Polen

Sonderausstellung „Schloss Fürstenstein – eine Perle in Niederschlesien“ (03.04.-16.10.2022), Kraszewski-Museum Dresden, Beteiligung mit Poster über das Projekt

Geführte Spaziergänge durch den Fürstensteiner Grund im Rahmen des „Dolnośląski Festiwal Nauki“ (Niederschlesisches Festival der Wissenschaften), 22.10.2022

Tagung „Nowe kierunki badań w Inżynierii Środowiska, Energetyce i Geodezji“ (Neue Forschungsrichtungen in den Bereichen Umwelttechnik, Energie und Geodäsie), 21.-23.09.2022, Urszulin, Poster von Tomasz Kowalczyk, Wojciech Orzepowski, Pawel Dąbek, Justyna Jaworek-Jakubska: Ocena możliwości i rewitalizacji systemu wodnego w wąwozie Pełcznicy pod Zamkiem Książ (Bewertung der Möglichkeiten hinsichtlich der Wiederinbetriebnahme des Wassersystems im Fürstensteiner Grund), Gemeinschaftstagung diverser polnischer Universitäten und Forschungseinrichtungen

Geplant:
Vortrag "Fürstensteiner Grund - Einblicke in ein deutsch-polnisches Modellprojekt im polnischen Niederschlesien", Dr. Justyna Jaworek-Jakubska und Marlen Hößelbarth, im Rahmen des 16. Kolloquiums der Arbeitsgruppe Sächsische Gartengeschichte „Verschönerte Landschaften in Mittel- und Mittelosteuropa! – Konzepte, Akteure und Realitäten“, 30./31.03.2023, TU Dresden, in Zusammenarbeit mit dem Landesamt für Denkmalpflege Sachsen.

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Übersicht

Fördersumme

251.619,00 €

Förderzeitraum

01.05.2021 - 30.04.2024

Internet

www.tu-dresden.de

Bundesland

Grenzüberschreitend

Schlagwörter

Grenzüberschreitend
Kulturgüter
Landnutzung
Naturschutz
Ressourcenschonung
Umwelttechnik