Projekt 35674/01

Biodiversität auf der Landschaftsebene fördern Partizipatives Forschungsprojekt zu ökologischer Wirkung, Wirtschaftlichkeit und Governance von kooperativen Agrarumweltmaßnahmen (Abkürzung: KOOPERATIV)

Projektträger

Georg-August-Universität Göttingen Department für Nutzpflanzenwissenschaften Abt. für Funktionelle Agrobiodiversität
Grisebachstr. 6
37077 Göttingen
Telefon: +49 551 39 22257

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Die Intensivierung der Agrarlandschaften führt zu fortschreitenden Biodiversitätsverlusten und zu einer Gefährdung von wichtigen Ökosystemleistungen. Agrarumweltmaßnahmen (AUM) können ein wichtiges Instrument sein, dass zur Vereinbarung von landwirtschaftlicher Produktion und dem Erhalt und der Förderung der Biodiversität in Agrarlandschaften beitragen kann. Bislang werden AUM jedoch hauptsächlich auf einzelnen und teilweise isolierten Flächen angelegt, während die Förderung vieler mobiler Arten Maßnahmen auf Landschaftsebene erfordert.
Vor diesem Hintergrund verfolgt das Projekt KOOPERATIV einen innovativen Lösungsansatz. Unter Berücksichtigung der ökologischen Wirkungen und ökonomischen Konsequenzen soll ein partizipativer und gemeinschaftlicher Ansatz zur Umsetzung von AUM auf der Landschaftsebene entwickelt und implementiert werden. KOOPERATIV basiert auf einem integrativen und interdisziplinären Vorgehen. Es sollen der Zustand der Biodiversität und deren Ökosystemleistungen möglichst kosteneffizient verbessert sowie partizipative und kooperative Governancebedingungen identifiziert werden, welche die räumliche Koordination und langfristige Umsetzung von gemeinschaftlichen AUM ermöglichen. Zugleich ist vorgesehen, die ökologisch optimalen Flächenanteile und räumliche Konfiguration von AUM zu bestimmen. Die Wechselwirkungen und Synergien zwischen den Bereichen Governance, Ökologie und Ökonomie werden dabei ganzheitlich betrachtet. Der Fokus liegt auf mehrjährigen Blühstreifen als potenziell besonders wirkungsvolle AUM. Diese sollen in unterschiedlichen Landschaftsräumen und Designs der Untersuchungsregion des Landkreises Northeim in Niedersachsen angelegt werden, um die ökologischen Effekte entlang eines Landschaftsdiversitätsgradienten zu erfassen. Um dieses Ziel zu erreichen, ist die Partizipation und Kooperationen mehrerer landwirtschaftlicher Betriebe vorgesehen. Neben den Rahmenbedingungen, die von beteiligten Akteur*innen hinsichtlich einer Zusammenarbeit als fördernd bzw. hemmend wahrgenommen werden, sollen dabei auch die ökonomischen Konsequenzen für die teilnehmenden landwirtschaftlichen Betriebe erfasst werden.
Im Rahmen dieses DBU Projektes wurden grundlegende Vorarbeiten für ein anschließendes Hauptprojekt geleistet, das über eine Förderperiode der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) laufen soll. Neben dem Aufbau eines Netzwerks lokaler Akteur*innen wurden die Auswahl der Untersuchungslandschaften vorbereitet, Methoden zur Erfassung der Biodiversität und Ökosystemfunktionen von funktionell relevanten Artengruppen identifiziert und Betriebe für die ökonomischen Analysen ausgewählt. Zudem wurden Optionen zur Finanzierung der geplanten Maßnahmen entwickelt.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenDas DBU Projekt KOOPERATIV gliederte sich in drei wissenschaftliche und ein koordinierendes Arbeitspaket (AP). Die zentralen Tätigkeiten des AP 1 (Koordination) betrafen die Kommunikation und Netzwerkbildung. Innerhalb eines Einführungsworkshops wurden Anforderungen und Ziele des Projektes partizipativ mit lokalen Akteur*innen abgestimmt. Darüber hinaus wurde eine Vernetzung mit Akteur*innen vor Ort durch Informationsveranstaltungen eingeleitet. Der Fokus lag dabei auf Landwirt*innen, die bereit sind, mehrjährige Blühflächen innerhalb des Hauptprojektes anzulegen, sowie auf begleitenden Akteur*innen, die durch ihre fachliche Expertise die Umsetzung der Blühflächen beratend unterstützen oder zur öffentlichen Bewusstseinsbildung beitragen können. Entsprechend wurden Akteur*innen aus Landwirtschaft, Naturschutz und den Gemeindeverwaltungen kontaktiert. Weiterhin wurden Partizipationsmöglichkeiten durch den Aufbau von projektbegleitenden kommunalen Runden Tischen geschaffen. Schließlich wurde der Antrag für das anschließende Hauptprojekt im Bundesprogramm Biologische Vielfalt (BPBV) erarbeitet.
Im AP 2 (Governance) wurde zunächst ein vergleichender Überblick zu bestehenden kooperativen Initiativen in Europa anhand einer Literaturrecherche geschaffen. Aufbauend auf den im AP 1 gebildeten lokalen Netzwerken wurden Interessen und Abhängigkeiten der verschiedenen beteiligten Akteur*innen anhand einer Akteursmatrix erfasst. Auch wurde basierend auf Literaturanalysen ein Set partizipativer Forschungsmethoden definiert, mit dem Ziel, die beteiligten Akteur*innen in allen Projektphasen von der Konzeption bis zur Umsetzung und Bewertung der Maßnahmen einbeziehen zu können. Um Einblicke in die Wertschätzung von Blühstreifen durch die Bevölkerung zu erhalten, wurden in einem zusätzlichen Schritt fotobasierte Interviews in Südniedersachsen durchgeführt.
Im AP 3 (Ökologie) wurden Geodaten zur Landnutzung, vorhandenen und geplanten AUM, FFH und anderen Schutzgebieten und Landschaftselementen zur Charakterisierung der Landschaftszusammensetzung zusammengestellt. Zudem wurden Landwirt*innen kontaktiert, um Flächen zur Anlage der mehrjährigen Blühstreifen zu identifizieren. Es wurden Methoden ausgewählt, die im Hauptprojekt zur standardisierten Erfassung der Diversität funktionell wichtiger Artengruppen und Ökosystemleistungen eingesetzt werden sollen. Die rechtlichen Rahmenbedingungen zur Anlage, Pflege und Finanzierung der mehrjährigen Blühstreifen wurden mit Vertreter*innen des Niedersächsischen Landwirtschaftsministeriums, der Landwirtschaftskammer Niedersachsen, des Niedersächsischen Umweltministeriums und des Bundeslandwirtschaftsministeriums besprochen, konnten aber aufgrund der laufenden Verhandlungen zur GAP nicht abgeschlossen werden.
Im AP 4 (Ökonomie) wurden die ökonomischen Auswirkungen der Umsetzung der geplanten kooperativen Maßnahmen durch Betriebsbefragungen abgeschätzt. In der Projektregion wurden sechs landwirtschaftliche Betriebe mit Hilfe eines betriebswirtschaftlichen Fragebogens befragt. Um ein möglichst aussagekräftiges Bild zu erhalten, wurden die Betriebsstruktur und das Anbauprogramm erfragt. Anschließend wurden die Deckungsbeiträge für die Ackerkulturen berechnet, um die Opportunitätskosten der Teilnahme abzuschätzen. Darüber hinaus wurden Einstellungen und Motivationen von Landwirt*innen zur Teilnahme an kooperativen AUM durch Interviews erfragt.


Ergebnisse und Diskussion

Innerhalb des von AP 1 organisierten Einführungsworkshops wurden wesentliche Anforderungen und Partizipationsprozesse abgestimmt sowie Herausforderungen identifiziert, die es im Zuge des Hauptprojektes zu berücksichtigen gilt. Hierbei wurde u.a. deutlich, dass die Richtlinien der kommenden Reform der GAP maßgeblich die Teilnahmebereitschaft von Landwirt*innen sowie die Vorgaben zur Anlage von mehrjährigen Blühstreifen beeinflussen können. Entsprechend ist ein enger, vertrauensvoller Kontakt zu den teilnahmebereiten Betrieben ebenso wichtig, wie ein intensiver Austausch mit den zuständigen Landesstellen bezüglich der agrarpolitischen Entwicklungen.
Im Zuge der Informationsgespräche wurden 14 Vertreter*innen der Gemeinden, der Naturschutzverwaltung und des Verbandswesens des Landkreises Northeim kontaktiert, die ihr Interesse an einer Projektteilnahme in schriftlichen Interessensbekundungen zum Ausdruck brachten. Die sieben kontaktierten Gemeinden erfüllen wichtige Multiplikatorfunktionen zur Erweiterung des Netzwerks landwirtschaftlicher Kontakte. Auch werden sie die öffentliche Sichtbarmachung des Projektes und die Sensibilisierung der Öffentlichkeit für den Biodiversitätsschutz in Agrarlandschaften unterstützen. Das in zwei Gemeinden signalisierte Interesse zur Etablierung projektbezogener Runder Tische ermöglicht den lokalen Austausch von Akteur*innen, bietet eine Grundlage für die Verstetigung der Projektideen nach Projektende und begünstigt die Analysen der akteursbezogenen Kommunikations- und Steuerungsprozesse im AP 2.
Zum projektübergreifenden Austausch wurden im AP 1 darüber hinaus Gastwissenschaftler*innen zu Vorträgen und Diskussionen eingeladen, Kontakte zu weiteren Modellprojekten innerhalb und außerhalb der Region aufgebaut sowie Vernetzungen zu politischen Initiativen hergestellt. Letzteres betrifft insbesondere den Niedersächsischen Weg, einem Abkommen zwischen Landwirtschaft, Naturschutz und Politik in Niedersachsen, innerhalb dessen die Stärkung des Naturschutzes in der Landwirtschaft vorgesehen ist.
Der im AP 1 erstellte Antrag für das Hauptprojekt über eine GAP-Förderperiode im BPBV wurde positiv bewertet. Das Hauptprojekt begann im August 2021.
Im AP 2 wurde eine tabellarische Übersicht zu 10 bestehenden kooperativen Modellen in Europa erstellt. Zu einigen kooperativen Initiativen wurde bereits Kontakt aufgenommen. Darüber hinaus wurde eine Akteursmatrix erstellt, die Kriterien der Zusammenarbeit abbildet, welche für den landschafts- und kommunikationsbezogenen Ansatz des KOOPERATIV-Projektes zentral sind. Das definierte Set partizipativer Forschungsmethoden bietet einen kontextbezogenen Rahmen, um Erfahrungen und Sichtweisen der Ak-teur*innen sowie förderliche Rahmenbedingungen von Kooperationen partizipativ zu erforschen. Es stützt sich auf einen dreistufigen, aus qualitativen und quantitativen Methoden bestehenden Ansatz. Zur Analyse der gesellschaftlichen Wertschätzung von Blühstreifen wurden insgesamt 102 Interviews mit der Bevölkerung im Umkreis von Göttingen geführt, die aktuell inhaltsanalytisch ausgewertet werden.
Für die Auswahl der Untersuchungslandschaften wurde im AP 3 eine neue Methode entwickelt, mit der die Landschaftsdiversität basierend auf den zusammengestellten Geodaten für 1 km² große Landschaftsausschnitte berechnet wurde. Anschließend wurden die Landschaftsausschnitte hinsichtlich ihrer Ähnlichkeit in sechs Landschaftsdiversitätsklassen gruppiert. In allen Diversitätsklassen wurden bereits Flächen identifiziert, auf denen mehrjährige Blühstreifen angelegt werden könnten. Ein Netzwerk aus Landwirt*innen wurde aufgebaut, allerdings konnten keine finalen Kooperationsvereinbarungen abgeschlossen werden, da die konkrete Ausgestaltung der neuen GAP noch nicht bekannt ist. In intensivem Austausch mit den zuständigen Stellen aus Bauernverband, Landwirtschaftskammer, den Niedersächsischen Ministerien sowie dem Bundeslandwirtschaftsministerium wurden für KOOPERATIV relevante rechtliche Rahmenbedingungen diskutiert. Die Wirkungen der Landschaftsdiversität und mehrjährigen Blühstreifen sollen für funktionell wichtige Artengruppen und Ökosystemleistungen erfasst werden. Für die standardisierten Erfassungen wurden Methoden ausgewählt, die von traditionellen Methoden (z.B. Transektbegehungen, Beutekarten) über akustische Aufnahmen zu genetischen Analysen reichen.
Basierend auf den Informationsgesprächen wurden im AP 4 sechs Betriebe für die Betriebsbefragungen ausgewählt, die im Januar und Februar 2021 befragt wurden. Es wurden betriebswirtschaftliche und strukturelle Daten erhoben und anschließend die Deckungsbeiträge im Ackerbau berechnet, um die Opportunitätskosten der Teilnahme an Blühstreifenprogrammen B 12 (Anlage von strukturreichen Blühstreifen, einjährig, 875 EUR/ha) und B 2 (Anlage von mehrjährigen Blühstreifen, 950 EUR/ha) abzuschätzen. Es zeigt sich, dass eine Teilnahme aus ökonomischer Perspektive im Moment für einige Betriebe machbar erscheint, bei anderen Betrieben übersteigen die Kosten die in Aussicht stehenden Prämien. Da mit zusätzlichem Koordinationsaufwand und mit zusätzlichen Kosten für die räumliche Konfiguration zu rechnen ist, erscheint eine höhere Prämie für Blühstreifen für den zusätzlichen Aufwand sachlich gerechtfertigt und für eine breitere Teilnahme in der Region auch erforderlich.

Hinsichtlich der Einstellungen und Motivationen zur Teilnahme an KOOPERATIV sehen Landwirt*innen im Landkreis Northeim insbesondere gesellschaftliche Nutzen im Sinne einer gesteigerten Landschaftsästhetik sowie Naherholungsfunktion. Dem gegenüberstehende Barrieren betreffen vorrangig das Management. Hervorgehoben wurden offene Fragen hinsichtlich des Pflegekonzepts der Streifen, der Rekultivierung nach Förderende und des Erhalts des Ackerstatus, sowie der Zustimmung der Flächeneigentümer*in. Die enge Abstimmung mit den zuständigen Stellen der Agrarverwaltung in AP 3 ermöglicht es, diese Fragen in der kommenden Projektphase umfassend zu adressieren, um Sicherheiten für die Landwirt*innen zu schaffen.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Im Zuge des DBU Projektes wurde eine breite Öffentlichkeitsarbeit betrieben. Eine Projekthomepage wurde erstellt, welche einen Überblick über den Projektansatz, die Partner*innen sowie projektbegleitende Aktivitäten gibt. Darüber hinaus wurden Infoflyer zum Projekt entworfen und im Rahmen der Informationsveranstaltungen an die Akteur*innen ausgegeben. Über soziale Medien und in Pressemitteilungen wurde über aktuelle Entwicklungen im Projekt informiert. Mit den Gemeinden wurden zudem Öffentlichkeitsarbeitsformate für das Hauptprojekt spezifiziert. Zukünftig soll hier eine Anbindung des KOOPERATIV-Projektes an bestehende Formate, wie die Landesgartenschau in Bad Gandersheim, forciert werden.


Fazit

Im Rahmen dieses DBU Projektes wurde ein partizipativer und gemeinschaftlicher Ansatz zur Umsetzung von AUM auf der Landschaftsebene vorbereitet, anhand dessen in einem sich anschließenden Hauptprojekt ökologische Effekte, ökonomische Konsequenzen und Governancestrukturen erfasst und beschrieben werden sollen. Der konzipierte Ansatz umfasst die Analyse förderlicher und hemmender Rahmenbedingungen der Zusammenarbeit (AP 2), die Erfassung der Effekte von kooperativen und landschaftsskaligen AUM auf die Biodiversität und Ökosystemleistungen (AP 3) sowie die ökonomische Bewertung der gemeinschaftlichen Umsetzung von AUM (AP 4). Um dies zu ermöglichen, wurden in diesem DBU Projekt weitreichende Akteur*innennetzwerke in der Projektregion etabliert und die wissenschaftlichen Tätigkeiten der APs fundiert vorbereitet. Vor dem Hintergrund offener Fragen bei der finalen Ausgestaltung der neuen GAP-Förderperiode konnte die Zusammenarbeit mit Landwirt*innen noch nicht in Kooperationsvereinbarungen beschlossen werden. Ein enger Kontakt zu den zuständigen Verwaltungsbehörden wird jedoch einen frühzeitigen Austausch bezüglich der GAP-Entwicklungen ermöglichen, um das Hauptprojekt KOOPERATIV aufbauend auf dem geschaffenen lokalen Engagement mit Beginn der neuen Förderperiode umsetzen zu können.

Übersicht

Fördersumme

119.751,00 €

Förderzeitraum

01.07.2020 - 30.06.2021

Bundesland

Niedersachsen

Schlagwörter

Landnutzung
Naturschutz