Projekt 35668/01

Einrichtung von Naturschutzhöfen zur Umsetzung von Biodiversitätszielen und Umweltdienstleistungen

Projektdurchführung

Landwirtschaftskammer Niedersachsen
Geschäftsbereich Landwirtschaft
FB 3.12 Nachhaltige Landnutzung, ländlicher Raum
Mars-la-Tour-Str. 1 - 13
26121 Oldenburg

Zielsetzung

Das Land Niedersachsen hat eine besondere Verantwortung für den Schutz von Wiesenvögeln. Gleichzeitig ist die Grünlandbewirtschaftung in vielen Regionen durch eine intensive, betriebswirtschaftlich optimierte Milchviehhaltung geprägt, die den Anforderungen des Natur- und Umweltschutzes insbesondere mit Blick auf den Wiesenvogelschutz nur eingeschränkt gerecht wird.

Insbesondere in den großflächigen Wiesenvogelschutzgebieten sind jedoch angepasste, naturverträgliche Bewirtschaftungsformen notwendig. Das Projekt greift daher den vergleichsweise neuen Ansatz einer gesamtbetrieblichen Betrachtung auf. Ziel ist es, landwirtschaftliche Betriebe gezielt bei der Umstellung auf eine Struktur zu unterstützen, die sowohl natur- und umweltschutzfördernd als auch ökonomisch tragfähig ist.

Mit dem Konzept sogenannter „Naturschutzhöfe“ sollen langfristige Partner für den Wiesenvogelschutz gewonnen werden. Diese Höfe sollen als Modellbetriebe fungieren, die ökologische Zielsetzungen mit einer nachhaltigen wirtschaftlichen Perspektive verbinden.

Arbeitsschritte

1. Abkehr von rein flächenbezogenen Schutzinstrumenten
Statt wie bisher auf Flächenerwerb oder Neuverpachtung zu setzen, verfolgt das Projekt einen betriebsbezogenen Ansatz. Im Mittelpunkt stehen naturschutzorientierte Betriebskonzepte, die dauerhaft tragfähig sind.

2. Ganzheitliche Analyse der Kooperationsbetriebe
Für ausgewählte Betriebe wird eine umfassende „Komplexberatung“ durchgeführt, die folgende Aspekte integriert:
- Ökonomie: Betriebswirtschaftliche Ausgangslage und Entwicklungspotenziale
- Ökologie: Nutzungseffekte auf Wiesenvogel-Lebensräume
- Soziales: Perspektiven für Betriebsleiter:innen, Arbeitskräfte und Familien
Diese interdisziplinäre Analyse wird von Expert:innen aus Landwirtschaft und Naturschutz begleitet.

3. Entwicklung betriebsindividueller Konzepte
Auf Basis der Analysen werden maßgeschneiderte Entwicklungskonzepte für umstellungsbereite Beispielbetriebe erarbeitet. Ziele sind:
- Langfristige ökonomische Perspektiven für die Betriebe
- Verlässliche Partnerschaften für den Wiesenvogelschutz

4. Modellhafte Erprobung und Skalierung
Die Erkenntnisse fließen in:
- Die Erarbeitung eines Leitfadens mit einer Entscheidungskaskade zur betrieblichen Umstellung
- Beratungs- und Handlungsempfehlungen für Praxis und Politik
- Eine Analyse von Förderbedarfen und Zielkonflikten in der aktuellen Agrarförderung

5. Finanzierungsmodelle und institutionelle Verankerung
Es werden Finanzierungsstrategien geprüft und weiterentwickelt:
- Integration in bestehende Agrarförderinstrumente (z. B. Ökokonto-Modelle)
- Projektfinanzierungen für konkrete Maßnahmen
- Option zur Einbindung einer Stiftung als Trägerin oder Förderstruktur

Ergebnisse

Naturschutzfachliche Anforderungen als Herausforderung
Die naturschutzfachliche Zielsetzung stellt landwirtschaftliche Betriebe vor erhebliche Herausforderungen. Insbesondere die Ausrichtung großer Teile der Flächenbewirtschaftung auf die Bedürfnisse der Wiesenvögel erfordert tiefgreifende betriebliche Anpassungen – sowohl in ökonomischer, als auch in arbeitswirtschaftlicher Hinsicht.

Heterogene Ausgangslagen erfordern individuelle Lösungen
Die sechs beteiligten Betriebe wiesen sehr unterschiedliche Ausgangsbedingungen auf: Betriebsgrößen, Produktionsausrichtungen und Flächenausstattung variierten stark. Entsprechend mussten die erarbeiteten Entwicklungskonzepte individuell zugeschnitten werden.

Hoher Aufwand – unzureichende Refinanzierung
Die Umstellung auf wiesenvogelfreundliche Bewirtschaftung bringt Mehrkosten und Ertragsverluste mit sich, die derzeit weder durch den Markt kompensiert noch durch bestehende Förderprogramme angemessen ausgeglichen werden.
- Markterlöse decken den betrieblichen Mehraufwand nicht
- Förderprogramme gleichen in der Regel nur Mindererträge einzelner Flächen aus, nicht aber betriebswirtschaftliche Gesamteinbußen
- Eine alleinige Orientierung an bestehenden Fördermitteln bedeutet ein erhebliches wirtschaftliches Risiko für die Betriebe

Pragmatische Umsetzung durch kleinschrittige Maßnahmen
Trotz dieser Ausgangslage konnten im Projekt erste betriebsindividuelle Maßnahmen angestoßen werden. Diese pragmatischen Schritte, wie z. B. das Aufstellen von Solarpumpen für Weidebewässerung, erhöhen die Umsetzungsbereitschaft und bieten auch anderen Betrieben Anreize für einen Einstieg.

Erweiterung von Förderung und Beratung notwendig
Für eine breitere Umsetzung braucht es:
- Innovative Förderansätze, etwa zur Finanzierung gemeinschaftlicher Weidemanagementstrukturen, für die Gebietsbetreuung oder investive Maßnahmen
- Eine gesamthafte betriebliche Perspektive in Förderlogik und Planung
- Langfristige finanzielle Planungssicherheit für die Betriebe

Externe Unsicherheiten als zusätzliche Belastung
Die betriebliche Transformation erfolgt vor dem Hintergrund erheblicher Unsicherheiten, darunter der Klimawandel mit Extremwetterereignissen wie Dürre oder Dauerregen, Marktschwankungen und sich ständig ändernde politische Rahmenbedingungen. Diese Faktoren erschweren eine langfristige Betriebsumstellung zusätzlich.

Transformation als schrittweiser, betriebsübergreifender Prozess
Ein angepasstes Flächenmanagement kann auch in kleinen Schritten zur Förderung des Wiesenvogelschutzes beitragen. Besonders geeignet sind Maßnahmen auf ohnehin wenig produktiven Flächen.Dabei gilt es, zwischen kurzfristig realisierbaren und langfristig angestrebten Zielen zu unterscheiden. So können betriebsübergreifende Mosaike entstehen, die naturschutzfachlich wirksam sind und gleichzeitig als dynamischer Entwicklungsprozess verstanden werden.

Begleitende Beratung bleibt zentral
Die gesamtbetriebliche Neuausrichtung erfordert langfristig kontinuierliche fachliche Begleitung – sowohl in der betrieblichen Weiterentwicklung als auch in rechtlichen und behördlichen Fragen. Eine fortgesetzte Beratung auch nach Projektende ist daher ausdrücklich zu empfehlen.

Öffentlichkeitsarbeit

Von Beginn an stieß der Projektansatz auf ein großes Interesse, insbesondere innerhalb der Fachöffentlichkeit. Das Thema der Vereinbarkeit von betriebswirtschaftlich tragfähiger Landwirtschaft mit gesamtbetrieblich umgesetzten Naturschutzleistungen, insbesondere im Bereich des Wiesenvogelschutzes, wurde als hochrelevant wahrgenommen.

Während der Projektlaufzeit wurden die Inhalte, Arbeitsschritte und Zwischenergebnisse in zahlreichen Fachartikeln, Vorträgen und Diskussionsformaten vorgestellt und reflektiert. Die Resonanz unter Fachleuten aus Landwirtschaft, Naturschutz und Verwaltung war durchweg positiv.

Allerdings war die fachliche Vernetzung und der persönliche Austausch in den Jahren 2020 und 2021 infolge der Corona-Pandemie nur eingeschränkt möglich. Besonders im Hinblick auf die komplexe Thematik und die Erarbeitung tragfähiger Lösungsansätze wäre ein intensiver Präsenzdialog wünschenswert gewesen.

Daher ist es ein zentrales Anliegen der Projektbeteiligten, die im Projekt gewonnenen Erkenntnisse auch über das Projektende hinaus aktiv zu kommunizieren. Ziel ist es, die entwickelten Konzepte sowie die aufgezeigten Herausforderungen und Lösungsansätze weiterhin praxisnah zu diskutieren, weiterzuentwickeln und in politische sowie fachliche Entscheidungsprozesse einzuspeisen.

Eine wichtige Plattform für diesen Dialog bildet weiterhin der Arbeitskreis „Kooperation Landwirtschaft und Naturschutz“ unter dem Dach der Ostfriesischen Landschaft, der lokal stark verankert ist und einen kontinuierlichen Austausch zwischen Praxis, Beratung und Verwaltung ermöglicht.

Fazit

Ein zentrales Ergebnis des Projekts ist die Erkenntnis, dass nicht zwangsläufig der gesamte Betrieb umgestellt werden muss, sondern auch die zielgerichtete Umstellung einzelner Betriebszweige mit Blick auf Naturschutzziele sinnvoll sein kann. Insbesondere dann, wenn sich Flächen durch Störfaktoren, wie z.B. durch unmittelbare Nähe zu stark befahrenen Straßen, trotz aufwendiger Maßnahmen nicht für den Wiesenvogelschutz eignen, ist eine differenzierte Betrachtung notwendig.

Hier zeigt sich der Mehrwert des im Projekt entwickelten naturschutzfachlichen Zonierungskonzepts, das eine Priorisierung der Flächennutzung erlaubt. Es unterstützt Betriebe dabei, abzuwägen, welche Flächen weiterhin intensiv z. B. für die Grundfutterproduktion genutzt werden können und welche sich für eine extensivere Nutzung, etwa im Rahmen einer Mutterkuhhaltung mit Direktvermarktung, eignen.

Gleichzeitig wurde deutlich, dass auf vielen Flächen zunächst Habitat verbessernde Maßnahmen notwendig sind, um sie überhaupt wieder für wiesenvogelfreundliche Bewirtschaftung nutzbar zu machen. Diese Problematik verweist auf erhebliche Schwächen der bisherigen Agrarförderung, deren Wirkung oft durch unzureichende Flächenvoraussetzungen begrenzt bleibt.

Für die langfristige Wertschöpfung aus extensiverer Bewirtschaftung braucht es neue und zusätzliche Absatzwege, etwa durch die stoffliche Verwertung von Gras oder andere innovative Verwertungskonzepte. Hier sind Kooperationen, Innovationsförderung und wirtschaftliche Unterstützung entscheidend.

Das zentrale Ziel bleibt die praktische Erprobung und Etablierung verbesserter Förderinstrumente, die den gesamtbetrieblichen Ansatz zur Umsetzung von Naturschutzzielen ermöglichen. Dabei ist es essenziell, familiengeführte Betriebe langfristig zu erhalten und sie auf ihrem Weg zur Transformation nicht allein zu lassen.

Die erfolgreiche Umsetzung erfordert ein eng abgestimmtes Zusammenwirken aller relevanten Akteure aus Landwirtschaft, Naturschutz, Beratung, Verwaltung und Politik. Nur gemeinsam kann der Transformationsprozess hin zu tragfähigen Naturschutzpartnerschaften in der Landwirtschaft gelingen.

Übersicht

Fördersumme

298.045,00 €

Förderzeitraum

01.11.2020 - 30.06.2024

Bundesland

Niedersachsen

Schlagwörter

Landnutzung
Naturschutz