Projekt 35504/22

LOVR die plastikfreie Lederalternative aus Agrarreststoffen

Projektträger

Revoltech GmbH (LOVR)
Alexanderstr. 8
64283 Darmstadt
Telefon: +49 (0) 170 763 718 9

Zielsetzung

Die Textilindustrie ist für mehr als ein Zehntel der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich. Das ist mehr als der internationale Flugverkehr und die Seeschifffahrt zusammen verursachen. Hinzu kommen der massenweise Einsatz gesundheitsschädlicher Chemikalien sowie die Umweltbelastung durch Mikrokunststoffe. Intransparente, globale Lieferketten sorgen immer wieder für Skandale. Besonders die Leder- und Kunstlederindustrie sind mitverantwortlich für enorme Umweltprobleme. Die Lederherstellung steht aufgrund hoher CO2-Emissionen, des Einsatzes gesundheitsgefährdender Chemikalien und des verursachten Tierleids in der Kritik. Kunstleder werden zu einem großen Teil aus erdölbasierten Kunststoffen hergestellt und sind aufgrund ihres Schichtaufbaus nicht recyclebar. Textilverarbeitende Unternehmen sehen sich mit den strengen Vorgaben des EU Green New Deal bzgl. Kreislaufwirtschaft, Klimaneutralität und des Einsatzes von Chemikalien bzw. Kunststoffen konfrontiert. Sie sind deshalb auf der Suche nach CO2-armen und umweltfreundlichen Lederalternativen.
LOVR – eine Innovation der Revoltech GmbH kann diese Nachfrage als erste weltweit bedienen. LOVR besteht zum größten Teil aus Reststoffen des kontrolliert biologischen und regionalen Hanfanbaus und ist somit rein pflanzlich und frei von tierischen Produkten. Es werden keine erdölbasierten Produkte oder schädliche Chemikalien verwendet. LOVR verursacht damit keine Probleme durch Abrieb von Mikroplastik und ist biologisch abbaubar. LOVR zeichnet sich außerdem durch seine Klimaneutralität aus, die sich aus der Verwendung von Reststoffen und geringen Prozessemissionen ergibt. Das im Juli 2021 zur Patentierung angemeldete Herstellungsverfahren erlaubt die Verwendung bereits bestehender auf Kosten- und Energieeffizienz getrimmten Anlagen und Prozesse. Es handelt sich außerdem um eine Plattformtechnologie, die auf eine Vielzahl von Naturfasern angewendet werden kann.
LOVR ist ein Einschichtmaterial, das keinen Träger benötigt. Hierdurch ist es über seinen Querschnitt homogen und kann durchgehend gefärbt sowie offenkantig verarbeitet werden. Die Dicke des Materials ist prozessbedingt variabel einstellbar. Die Oberflächen und haptischen Eigenschaften können durch Prägungen und mechanische Nachbearbeitung an Kundenbedürfnisse angepasst werden. All dies erlaubt eine Weiterverarbeitung von LOVR mit handelsüblichen Maschinen und etablierten Verfahren der Textilindustrie. Beispielprozesse wie Vernähen, Verkleben, Spalten oder Zurichten wurden bereits erfolgreich getestet.
LOVR soll zunächst im Schuh- und Accessoirebereich – neben der Möbel- und Automobilindustrie die wichtigsten Produktsegmente des weltweiten Marktes für Kunst- und Echtleder – zur Anwendung kommen. Potenzielle Kunden zeigen ein großes Interesse an den Materialproben von LOVR, die derzeit noch im Labormaßstab hergestellt werden. Um lieferfähig zu werden, arbeitet die im Juni 2021 gegründete Revoltech GmbH in enger Kooperation mit der TU Darmstadt an der Skalierung der Produktion.
Ergänzend hierzu sollen die Mittel der DBU-Green Start-up-Förderung insbesondere zur Finanzierung der Forschung und Entwicklung mit Hinblick auf die Veredelung von LOVR verwendet werden. Hierdurch kann das Produktportfolio der Revoltech GmbH maßgeblich erweitert und somit der Markteintritt von LOVR in vielversprechenden Segmenten wie der Schuh-, Mode-, Möbel- und Autoindustrie erleichtert werden. Ziel ist es, so viel Kunst- und Echtleder wie möglich durch LOVR zu ersetzen, um so den ökologischen Fußabdruck der Textilwirtschaft zu minimieren.

Arbeitsschritte

Die Veredelung von LOVR umfasst die fünf Arbeitspakete (1) Walken und Stollen, (2) Oberflächenvariationen, (3) Farbvariationen, (4) Naturfaservariationen sowie (5) Um- bzw. Urformen. Bei jedem Arbeitspaket wird der ökologische Fußabdruck im Vergleich zum Stand der Technik durch die vorranginge Verwendung von Naturprodukten als Rohstoffe sowie effiziente Verfahren verringert.
1. Walken und Stollen

Ziel dieses mit Abstand größten Arbeitspaketes, das sich über die gesamte Laufzeit der Förderung verteilt, ist es, den Weichheitsgrad von LOVR zu erhöhen.
Zum Stand der Technik: Gerber erhöhen den Weichheitsgrad von Echtleder durch die folgenden Prozesse:
• Walken oder Millen, also das Aufweichen der Lederfasern durch rotierende Bewegung in einem schmalen, hohen Walkfass, dessen Inneres mit Stäben oder Stufen ausgestattet ist, sowie durch
• Stollen: Die Stollmaschine hat zwei Platten mit Noppen und Vertiefungen. Durch ständige Vibration der Platte mit den Noppen in die mit den Vertiefungen wird das Leder punktuell durch die Noppen in die Vertiefungen gedrückt und die Faser dadurch gedehnt.
Die grundsätzliche Übertragbarkeit der Techniken des Walkens und Stollens auf LOVR wurde in ersten Versuchen erwiesen. Im Rahmen der DBU-Green Start-up-Förderung sollen die Verfahren in den kontinuierlichen Herstellungsprozess von LOVR eingebunden werden.

2. Oberflächen

Ziel des zweiten Arbeitspaketes, für das 6 Monate vorgesehen sind, ist es, das Produktportfolio von LOVR durch Oberflächenvariationen zu erweitern.
Zum Stand der Technik: durch die folgenden Verfahren wird die Oberfläche von Echtleder verändert.
• Prägen ist die Änderung des natürlichen Narbenbildes einer Tierhaut durch das Aufpressen oder Aufwalzen eines neuen Narbenbildes.
• Perforation: Durchstoßung der Lederoberfläche mit einer Lochmatrix in meist regelmäßigen Abständen. Durch die Perforation wird die Luftdurchlässigkeit des Leders stark erhöht und das Schwitzen im Kontaktbereich deutlich reduziert.
• Schleifen: Hierbei wird die Lederoberfläche auf einer rotierenden Walze angeschliffen bzw. abgeschliffen, wodurch man einen leichten Flor erhält.
• Beschichten mit einer Folie oder im Sprühverfahren.
Im Rahmen der DBU-Green Start-up-Förderung sollen die Verfahren in den kontinuierlichen Herstellungsprozess von LOVR eingebunden werden. In Kombination mit einem rein pflanzlichen Nadelvlies könnte perforiertes LOVR bspw. zu einem atmungsaktiven Material verarbeitet werden. Durch Beschichtungen könnte LOVR mit UV-Schutz, Hydrophobierungen, antimikrobiell (Nano-Silber) oder mit leitenden Metallen für Smart-Textile-Anwendungen ausgerüstet werden.

3. Farbvariationen

Im Anschluss an das zweite Arbeitspaket sollen 6 Monate der Erweiterung Produktportfolios von LOVR durch Farbvariationen gewidmet werden.
Zum Stand der Technik: Bei der Färbung von Ledern werden zwei Hauptarten von Färbungen unterschieden. Die „Durchfärbung“ mit einem Farbstoff und die „Pigmentierung“ der Oberfläche.
Experimente zur „Durchfärbung“ von LOVR mit Naturfarbstoffen wurden bereits erfolgreich durchgeführt.
Im Rahmen der DBU-Green Start-up-Förderung sollen die Verfahren in den kontinuierlichen Herstellungsprozess von LOVR eingebunden werden.

4. Naturfaservariationen

In der zweiten Hälfte des Jahres 2023 soll die Nutzbarkeit unterschiedlicher Naturfasern für LOVR zu geprüft werden. Durch die Verwendung unterschiedlicher Naturfasern würde zweierlei erreicht:

1. Erhöhte Lieferkettensicherheit
2. Erweiterung des Produktportfolios von LOVR

Im Labormaßstab wurde LOVR bereits unter Verwendung von Bananen-, Flachs- und Kakaofasern sowie Baumwollinters hergestellt. Im Rahmen der DBU-Green Start-up-Förderung sollen entsprechende Versuchsreihen fortgeführt und Fasermahlung in den kontinuierlichen Herstellungsprozess von LOVR eingebunden werden.

5. Urformen/Umformen

Mit dem letzten Arbeitspaket zur Veredelung, wofür ebenfalls ein halbes Jahr vorgesehen ist, sollen die Anwendungsgebiete von LOVR durch Ur- und Umformen zu erweitert werden.
Im Rahmen der DBU-Green Start-up-Förderung sollen LOVR-Faserformteile (bspw. für die Anwendung im Automobil) durch Tiefziehen und Spritzguss hergestellt werden.

Anwendungsversuche

Die Ergebnisse aus den Arbeitspaketen zur Veredelung von LOVR sollen über die gesamte Laufzeit der Förderung in die Realisierung von Prototypen überführt werden.
Durch eine enge Abstimmung mit potenziellen Pilotkunden wird eine marktnahe Produktentwicklung gewährleistet.
Bis zum Ende der DBU-Green Start-up-Förderung sollen öffentlichkeitswirksame Pilotprojekte mit Anwendern aus den Bereichen Mode, Möbel und Automobil durchgeführt werden.

Übersicht

Fördersumme

124.990,00 €

Förderzeitraum

02.06.2022 - 02.06.2024

Bundesland

Hessen

Schlagwörter

Ressourcenschonung
Umwelttechnik