Projekt 35308/01

Unternehmens- und mitarbeiterorientiertes Energiemanagement: Sensibilisierung und Qualifizierung für ganzheitliches Energiemanagement in KMU

Projektträger

Hochschule Reutlingen REZ Dezentrale Energiesysteme und Energieeffizienz
Alteburgstr. 150
72762 Reutlingen
Telefon: 07121 271-7127

Zielsetzung

Die Steigerung von Energieeffizienz in Unternehmen stellt ein zentrales klimapolitisches Ziel Deutschlands dar. Trotz politischer Anstrengungen ergreifen kleine und mittlere Unternehmen (KMU) nach wie vor seltener Energieeffizienz-Maßnahmen als größere Unternehmen. Die sogenannte die Lücke zwischen praktisch möglicher und tatsächlich realisierter Energieeffizienz) ist insbesondere in KMU nach wie vor stark ausgeprägt. Studien schätzen das Energieeffizienzpotenzial von KMU in Deutschland auf rund 25% bis 30 % ein.
Angesichts des überwältigenden Anteils von KMU an der deutschen Wirtschaft verdient diese Problematik noch stärkerer Hinwendung. Fast alle Unternehmen in Deutschland gehören zu den kleinen und mittleren Unternehmen. Davon entfallen alleine rund 560.000 KMU auf das Handwerk und rund 200.000 KMU auf das verarbeitende Gewerbe.
Eine Reihe von Studien konstatiert Energiemanagement als effektiver Treiber von Energieeffizienz in Unternehmen zur Überwindung der energy efficiency gap. Energiemanagement legt den Fokus auf organisationale und kulturelle Aspekte in Unternehmen jenseits ausschließlich technischer oder wirtschaftlicher Perspektiven. Trotz des positiven Einflusses von Energiemanagement auf die Steigerung von Energiemanagement, wird die Situation in KMU in besonderer Weise problematisiert. In KMU bestehe eine ausgeprägte „energy management gap“ und in rund zwei Drittel aller KMU in Europa würden nicht einmal einfachste Maßnahmen zum Management des Energiebedarfs umgesetzt werden.

Das Projekt EMSenQua hat sich vor diesem Hintergrund die Förderung von Energiemanagement in KMU als Ziel gesetzt. In Zusammenarbeit mit KMU wurde ein an den Bedürfnissen der Betriebe orientiertes Konzept für Energiemanagement entwickelt, ein Konzept zur Sensibilisierung und Qualifikation erarbeitet und ein Konzept zur Umsetzung und Verbreitung formuliert.

Die Umsetzung im Projekt vollzog sich im Rahmen eines sogenannten „Reallabors“, zusammengesetzt aus einem transdisziplinären Projektteam. Innerhalb des Reallabors wurden gemeinsam die Bausteine von Energiemanagement für KMU erarbeitet, deren Umsetzung zur Sensibilisierung und Qualifizierung der KMU entwickelt und probeweise angewendet. Im Reallabor als Erfahrungsraum des gemeinsamen Lernens arbeiteten die Forschungspartner mit der Unterstützung von Partnerinstitutionen und Multiplikatoren gemeinsam mit sechs Modell-KMU aus der Region Reutlingen mit ihren je unterschiedlichen Kompetenzen zusammen.

Die folgenden sechs Partnerunternehmen brachten ihre Praxisperspektive in das Projekt ein.
Die WEINMANN Holzbausystemtechnik GmbH mit Sitz in St. Johann-Lonsingen ist Hersteller von Maschinen und Anlagen für den Holzbau (insbesondere für den Abbund & Zuschnitt, Holzrahmenbau und Fertighausbau) und beschäftigt rund 150 MitarbeiterInnen.
Die Schlegel Kälte- und Klimatechnik GmbH mit Sitz in Dotternhausen wurde 1972 gegründet. Das aus rund 10 MitarbeiterInnen bestehende Kleinstunternehmen befasst sich mit Innovationen im Bereich Kühlung und damit verbunden auch mit dem Thema Klimawandel und CO2-Emissionen.
Das Unternehmen R. Windhösel GmbH + Co. KG wurde 1963 gegründet und ist ein mittelständisches Unternehmen und Hersteller von Schlauchumflechtungen und Hohlgeflechten.
Die BKW Kälte-Wärme-Versorgungstechnik GmbH entwickelt und produziert als Manufaktur wirtschaftliche, maßgeschneiderte Kühlungen und Temperierungen für industrielle Anforderungen.
Die Adelhelm Kunststoffbeschichtungen GmbH mit Sitz in Eningen realisiert Beschichtungslösungen für unterschiedlichste Anwendungen.
Die Dorfbäckerei Tiefenbach mit Sitz in St. Johann-Würtingen ist eine traditionelle Handwerksbäckerei.

Die folgenden Forschungspartner brachten ihre Technik-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaftskompetenz in das Projekt ein.
Im Reutlinger Energiezentrum für Dezentrale Energiesysteme und Energieeffizienz (REZ) der Hochschule Reutlingen forscht interdisziplinär an Lösungen für die Energiewende.
Das Institut für Energieeffizienz in der Produktion (EEP) der Universität Stuttgart forscht zu Themen, die auf eine Verringerung des Energieverbrauchs in der Fertigung zielen.

Die Forschungs- und Unternehmenspartner wurden im Rahmen des Reallabors von einem Begleitkreis (sog. „Sounding Board“) unterstützt, das sich aus den folgenden Partnern zusammensetzte.
Die Industrie- und Handelskammer (IHK) Reutlingen ist zudem Organisator der Kompetenzstelle für Energieeffizienz (KEFF) in der Region Neckar-Alb unterstützt vor allem regionale KMU dabei, die Optimierung der Energie- und Ressourceneffizienz im Betrieb anzugehen.
Die Handwerkskammer (HWK) Reutlingen unterstütz Handwerksbetriebe bei den Themen Energie und Umweltmanagement.
Das Institut für Ressourceneffizienz und Energiestrategien (IREES) arbeitet im Bereich der nachhaltigen Energie- und Ressourcennutzung.
Die KlimaschutzAgentur Landkreis Reutlingen unterstützt Unternehmen im Landkreis Reutlingen bei der regionalen Energiewende vor Ort.

Arbeitsschritte

Das Projekt wurde im Rahmen eines sogenannten Reallabors umgesetzt. Als Reallabor wird eine transdisziplinäre Kooperation zwischen Wissenschaft und Zivilgesellschaft bezeichnet, die das gegenseitige Lernen in einem experimentellen Umfeld ermöglicht. Für den Zweck des Projekts wurde ein Reallabor gebildet, in welchem gleichsam als Netzwerk die Ergebnisse des Projekts gemeinsam produziert wurden. Das Reallabor setzte sich zusammen aus den koordinierenden Partnern aus der Wissenschaft (REZ Hochschule Reutlingen, Institut für Energieeffizienz in der Produktion EEP), sechs KMU aus der Region Reutlingen und einem unterstützenden Begleitkreis (sog. „Sounding Board“) bestehend aus vier weiteren Partnern.

Die Umsetzung des Projekts erfolgte in 3 Phasen.
In der ersten Projektphase wurde eine Bestandsaufnahme durchgeführt, um den Bedarf zur Entwicklung eines ganzheitlichen Energiemanagements zu definieren. Die Untersuchung fokussierte dabei zum einen auf die teilnehmenden Partnerunternehmen und den Expertenmeinungen der Sounding-Board-Partner und zum anderen auf der Übersicht über rezente Maßnahmen und Instrumente zur Qualifikation im Bereich Energiemanagement für KMU in Deutschland.
In der zweiten Projektphase wurde ein Konzept für ganzheitliches und bedarfsgerechtes Energiemanagement für KMU entwickelt, das technische, wirtschaftliche, strategische, organisationale und unternehmenskulturelle Aspekte einbezieht.
In der dritten Projektphase fand zum einen die exemplarische Umsetzung des entwickelten Konzeptes in den Partnerunternehmen statt und zum anderen wurde ein Konzept zur Verbreitung formuliert.

Während des gesamten Vorhabens wurden sozialwissenschaftlich Methoden, wie beispielsweise die teilnehmende Beobachtung und qualitative Interviews bei mehrtägigen Vor-Ort-Besuchen eingesetzt. Im Rahmen des Bestandaufnahme wurden Energieaudits in den Partnerunternehmen durchgeführt. Neben einer Reihe von Projekt-Workshops wurden Themen-Workshops parallel zur Entwicklung der Bausteine für Energiemanagement veranstaltet.

Ergebnisse

In kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) werden Energieeffizienz-Potentiale in geringerem Maße ausgeschöpft als in Großunternehmen. Zugleich bilden KMU den überwältigenden Anteil deutscher Unternehmen. Die Steigerung der Energieeffizienz verspricht einen substanziellen Beitrag zur Umweltentlastung. Energiemanagement wird gemeinhin als wesentlicher Treiber von Energieeffizienz-Maßnahmen in betrachtet.
Im Kontext von Unternehmen wird Energiemanagement üblicherweise synonym mit dem Energiemanagementstandard ISO 50001 betrachtet. Problematisch zeigt sich diese Perspektive mit Blick auf KMU, für die eine aufwändige Implementierung eines solchen System in den überwiegenden Fällen nicht infrage kommt.
Vor diesem Hintergrund darf sich eine Förderung von Energiemanagement in KMU jedoch nicht entmutigen lassen. Im Rahmen des wurde ein bedarfsgerechtes und an den Bedürfnissen von KMU orientierten Konzept von Energiemanagement für KMU entwickelt. Die Ausarbeitung erfolgte in einem sogenannten Reallabor, welchem gleichsam als Netzwerk die Ergebnisse des Projekts ko-produziert wurden.

Im Rahmen des Reallabors wurden jene Bausteine definiert, die Energiemanagement für KMU ausmachen. Sensibilität und Basiswissen ist für KMU unumgänglich in den Bereichen: 1. Motivation für Energieeffizienz & Klimaneutralität, 2. Organisation-Entscheiden-Verhalten, 3. Energie-Daten-Management und 4. Energieeffizienz-Maßnahmen (Querschnitt-Technologien). Den vier festgelegten Bausteinen wurden unterschiedliche Inhalte Schwerpunkte zugeordnet. Die Bausteine und Schwerpunkte wurden jeweils begründet und mit konkreten Lehr-, Lern- und Sensibilisierungsziele benannt. Parallel zur Festlegung der Bausteine und Schwerpunkte von Energiemanagement wurden Lehr-, Lern- und Sensibilisierungs-Materialien ausgearbeitet, bestehend aus Leitfäden und Checklisten. Die Ausarbeitung wurde jeweils mit Themen-Workshops parallel begleitet. Die entwickelten Lehr-, Lern- und Sensibilisierungs-Materialien wurden in und mit den Partnerunternehmen getestet. Alle Materialien stehen mit Abschluss des Projekts für die Verbreitung zur freien Verfügung.

Der zukünftige Beitrag zur Umweltentlastung hängt von der breiten Umsetzung außerhalb des Projektkontexts ab. Die Sensibilisierung und Qualifizierung für Energiemanagement schafft eine nachhaltige Energiesparkultur in KMU. Eine breite Anwendung des entwickelten Konzepts im Rahmen von moderierten Unternehmens-Netzwerken fördert die nachhaltige Befähigung von KMU Energieeffizienz zu planen und umzusetzen.

Öffentlichkeitsarbeit

Während der Projektlaufzeit wurden Zwischenergebnisse auf einer Reihe von Veranstaltungen vorgestellt.
Ein Studienbericht über das durchgeführte Projekt wird über das Repositorium der Hochschule Reutlingen Anfang 2023 veröffentlicht. Parallel ist ein englischsprachiger Beitrag für eine internationale Fachzeitschrift (Open Access & peer-review) in Bearbeitung und soll im Verlauf des Jahres 2023 veröffentlicht werden.
Das im Rahmen des Projekts entstandene Netzwerk der teilnehmenden Partnerunternehmen bleibt auch nach Projektabschluss aufrecht und wird seitens des REZ koordiniert. Damit wird zum einen dem Wunsch der Partnerunternehmen entsprochen, die im Verlauf des Projektes den gemeinsamen Austausch kennen und schätzen gelernt haben. Zum anderen hat insbesondere das REZ der Hochschule Reutlingen als Stätte der praxisorientierten Forschung ein programmatisches Interesse am Austausch mit Praxispartnern im Hinblick auf Energieeffizienz.
Ein wesentlicher Punkt für die Verbreitung der Ergebnisse stellt der freie Zugang zu den entwickelten Lehr-, Lern- und Sensibilisierungs-Materialien dar. Diese werden über die Projekt-Homepage für alle Interessierten digital zur Verfügung gestellt.
Entsprechend den formulierten Empfehlungen und mit Unterstützung der Sounding-Board-Partner wird versucht, das Konzept und die ausgearbeiteten Materialien zu verbreiten. Dazu gehört die Ansprache möglicher Organisationen und Netzwerke.

Homepage zum Projekt EMSenQua: Energiemanagement für KMU

Fazit

Das Projekt war durch die Gleichzeitigkeit der Covid-19 Pandemie ebenso geprägt wie mit der damit zusammenhängenden Lieferkettenproblematik, an der insbesondere KMU aus dem produzierenden Gewerbe nach wie vor zu kämpfen haben. Der Krieg in der Ukraine Anfang 2022 hat zu einer Zuspitzung der Situation in vielen KMU gesorgt, vor der auch die teilnehmenden Partnerunternehmen betroffen wurden und mithin auch das Projekt. KMU von Energiemanagement und Energieeffizienz zu überzeugen, erschien mit dem Start des Projektes 2020 deutlich schwieriger als heute.
Angesichts enorm steigender Kosten für fossile Energieformen treten in KMU jene Versäumnisse hervor, welche die Lage in vielen Betrieben noch verschärft. Mit der Konzentration auf den ökonomischen Aspekt von Energieeffizienz ist allerdings die Gefahr verbunden, den Klimaschutz zu vernachlässigen.

Für Energiemanagement im Zusammenhang mit Klimaneutralität sensibilisieren zu müssen, wurde schon früh im Verlaufe des Projekts von den Partnern als Anforderung festgelegt. Jedes KMU ist zu Klimaneutralität verpflichtet. Bedarfsgerechtes Energiemanagement in KMU ist dafür eine Notwendigkeit – Ohne Energiemanagement keine Klimaneutralität. Diese Sichtweise und Zielsetzung haben sich bis Projektende nicht verändert. Unumgänglich ist dafür die Sensibilität und ein Basiswissen in den KMU in den Bereichen: 1. Motivation für Energieeffizienz & Klimaneutralität, 2. Organisation/Entscheiden/Verhalten, 3. Energie-Daten-Management und 4. Energieeffizienz-Maßnahmen. KMU müssen befähigt werden und vorbereitet sein, externe qualifizierte Unterstützung (Handwerk, Dienstleistung, Beratung) einzuholen, denn externe Unterstützung ist unbedingt notwendig. Sensibilisierung und Qualifizierung für Energiemanagement schafft zudem eine nachhaltige Energiesparkultur in KMU. Die Sensibilisierung und Qualifizierung sollte für eine größtmögliche Wirkung bundesweit institutionalisiert werden. Das heißt, langfristig und verstetigend organisiert werden.

Das methodische Vorgehen der Zusammenarbeit im Reallabor hat sich aus der Sicht der Projektpartner bewährt. Der systematische Austausch der Perspektiven führt zu einem praxisnahen Verständnis, was Energiemanagement für KMU bedeutet und welche Befähigungen dafür notwendig sind. Der unmittelbare Austausch Vor-Ort, am Konkreten, an der Sache, zeigte sich im Projekt als besonders produktiv. Das zu gestalten, stellte eine Herausforderung angesichts der Pandemie-Situation dar. Zugleich zeigte sich damit auch die Wirkmacht eines kontinuierlichen Netzwerks umso mehr. Eine Anwendung des Reallabor-Ansatzes ist auch für ähnliche Projektkontexte zu empfehlen.

Übersicht

Fördersumme

124.979,00 €

Förderzeitraum

01.07.2020 - 30.09.2022

Bundesland

Baden-Württemberg

Schlagwörter

Klimaschutz
Ressourcenschonung
Umweltforschung
Umwelttechnik