Projekt 35273/01

Zentrum für Metropolinnovationen in Bratislava: Modellprojekt einer ökologisch und sozial nachhaltigen Gebäudemodernisierung der Stiftung Nov Cvernovka in Bratislava, Slowakei

Projektträger

Fachhochschule Potsdam Institut für angewandte Forschung Urbane Zukunft
Kiepenheuer Allee 5
14469 Potsdam
Telefon: +49 331 580-2513

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Ziel des Forschungsprojekts war die Entwicklung einer architektonisch, sozial-ökologisch und energie-technisch nachhaltigen Konzeption für den Umbau des Wohnheims einer ehemaligen chemischen Fachmittelschule aus den 1950er und 1960er Jahren zum ersten Plusenergiegebäude in der Slowakei.
Das Wohnheim wird heute von Nová Cvernovka genutzt, einem bedeutsamen soziokulturellen Zentrum in einem nördlichen Stadtteil von Bratislava. Für das bestehende Wohnheim mit einer Gesamtgeschossfläche von ca. 6.500 m2 waren als programmatische Nutzungen neue gemeinschaftliche sowie kostengünstige Wohnformen (CoHousing), Büro- und Ateliernutzungen für Nichtregierungsorganisationen und soziale Innovationen sowie öffentliche Ergänzungsfunktionen (Kindertagesstätte, Café) zu berücksichtigen. Mit dem Konzept wird ein innovativer, nachhaltiger und resilienter Umbau des Bestandgebäudes beabsichtigt: Aus energetischer Sicht soll ein Plusenergiegebäude realisiert werden, das durch die Nutzung erneuerbarer Energiequellen im Jahresmittel mehr Energie erzeugt als verbraucht (ökologischer Nutzen), aus wirtschaftlicher Sicht werden günstige Mieten sowie niedrige Betriebs- und Lebenszykluskosten angestrebt (ökonomischer Nutzen) und durch die partizipatorische Entwicklung und gemeinschaftliche Nutzung der Wohn- und Dienstleistungsflächen werden die Bedingungen für eine verantwortungsvolle und inklusive Gemeinschaft von Bewohnerinnen und Bewohnern geschaffen (sozialer Nutzen). Für die Slowakei stellt die Nachnutzung brachliegender Gebäude unter Berücksichtigung hoher ökologischer Nachhaltigkeitsziele unter intensiver Beteiligung der künftigen Nutzerinnen und Nutzer - hier vor allem Akteure aus der Kreativindustrie und Bewohnerinnen und Bewohner in Gemeinschaftswohnungen - eine große soziale Innovation dar.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenDem Forschungsprojekt liegt ein sozial-ökologischer Ansatz angewandter und transformativer Forschung zugrunde, bei dem Methoden der integralen und partizipativen Planung für eine ganzheitliche Projektentwicklung eingesetzt wurden. Die enge Beteiligung der Stiftung sowie der Bewohnerinnen und Bewohner am Prozess war ein wichtiger Bestandteil des stark wissenstransfer- und umsetzungsorientierten Vorhabens. Die Projektbearbeitung erfolgte in acht Arbeitspaketen (AP), die jeweils unter Federführung der zuständigen Projektpartner des interdisziplinären Teams durchgeführt und von der FHP als Hauptantragstellerin koordiniert wurden. Die Erstellung des ökologischen Gesamtkonzepts und die Steuerung der integralen Planung (AP1), die Konzeption und Umsetzung der Homepage (AP2) sowie die Projektleitung und -administration (AP8) lagen bei der Fachhochschule Potsdam. Die Erarbeitung eines Konzepts für gemeinschaftliche Wohnformen und die Begleitung des Partizipationsprozesses (AP3) erfolgten durch id22: Institut für kreative Nachhaltigkeit. Für die Ermittlung des energetischen Zustandes (AP4) und die Konzeption eines Plusenergiegebäudes (AP5) war das Passivhausinstitut Slowakei (iEPD) zuständig und die Erstellung der abschließenden Planungsdokumentation für das Projekt (A6) sowie die Koordination von Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit (AP7) lagen bei der Stif-tung Cvernovka.

Methodisch waren neben qualitativen Interviews und quantitativen Umfragen bei den derzeitigen Bewohnerinnen und Bewohnern des Wohnheims vor allem die Recherche, Analyse und Besichtigungen von sozial-ökologischen Modellprojekten von besonderer Bedeutung für die Entwicklung des CoHousing-Konzepts und der ökologischen Maßnahmen. Die energetischen Berechnungen zur Optimierung zum Passivhaus-Standard wurden mit der Software PHPP durchgeführt, für thermodynamische Simulationen und Berechnungen der PV-Anlage wurde lES-ve verwendet. Die Wissensintegration aller Konzepte sowie räumlichen, baulichen, technischen und sozialen Maßnahmen in den Entwurf erfolgte von den beauftragten Architekten im Kontext einer integralen Planung.

Als ein zentraler Bestandteil zur Wissensvermittlung und als Inspirationen des Entwurfsprozesses dient eine Homepage mit dem Namen „Building Social Ecology“. Auf der Homepage wurden bestehende sozial-ökologische Bauprojekte und typische Gestaltungselemente dokumentiert, die in diesen Projekten vorkommen. Als konzeptionelle Grundlage zur Gestaltung der Homepage diente die Methodik der „Mustersprache“ ("A Pattern Language") von Christopher Alexander, Sara Ishikawa und Murray Silverstein (Alexander et al. 1977). In verallgemeinerter Form sind Muster miteinander kombinierbare, in Beziehung stehende und Synergien bildende Gestaltungselemente, die Architekten, Projektentwickler und Bewohnern als Inspirationsquelle für die Entwicklung eigener sozial-ökologischer Projekte dienen können.


Ergebnisse und Diskussion

Ökologisches Gesamtkonzept und Plusenergiegebäude: Zur Realisierung des Umbaus zum Plusenergiegebäude sind eine wärmetechnische Ertüchtigung der Hüllflächen zum Passivhausstandard einschließlich neuer Fenster, eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung sowie die Installation von Niedertemperatur-Deckenpaneelen für Heizung und Kühlung erforderlich. Die geplante PV-Anlage mit einer Leistung von ca. 100 kW liefert im Jahresmittel mehr als ausreichend Strom für den Betrieb der Wärmepumpe zur Wärmeerzeugung und gewährleistet so den Plusenergie-Standard. Die PV-Anlage ist als vollständig in der Shed-Dach-Konstruktion der geplanten Dachaufstockung integrierte Ausführung geplant und ein sichtbares Zeichen für die Nutzung erneuerbarer Energien.

Als grün-blaue Infrastrukturen sind Fassadenbegrünungen, Hydroponik, ein Dachgewächshaus sowie Anlagen zur Regen- und Grauwassernutzung mit Retentionsflächen geplant. Durch den Erhalt des Gebäudebestands, einer „Strategie der minimalen Interventionen“ und ein kreislaufgerechtes Materialkonzept bleibt die vorhandene Graue Energie weitgehend erhalten und das Aufkommen an Bauabfällen sowie weiterer Grauer Energien wird im Vergleich zu einem Neubau oder einer stärkeren Renovierung reduziert. Ein weiterer ökologischer und ökonomischer Nutzen ist durch die gemeinsame Nutzung gemeinschaftlicher Räume, Services und Gegenständen zu erwarten, z. B. in Form von Optionsräumen, Cluster-Wohnen oder durch die geplanten Sharing-Angebote im Mobilitätsbereich.

CoHousing und Partizipation: In einer partizipativen Planung mit der Stiftung Cvernovka und den derzeitigen Bewohnerinnen und Bewohnern wurde eine ortssensible Mischung an Wohnformen entwickelt, die als Kleinstwohnungen, Wohngemeinschaften und Cluster-Wohnungen umgesetzt werden sollen. Die Gebäudestruktur erweist sich als sehr geeignet und flexibel für die geplanten Umbauten, es sind nur minimale Eingriffe für Installationskerne, die Anpassung des Innenausbaus und brandschutztechnisch erforderlichen neuen Treppen erforderlich.

Der Austausch mit Vertreterinnen und Vertretern der Gemeinschaft in Nová Cvernovka hat gezeigt, wie wichtig wirksame Strategien und Instrumente sind, um die Bewohnerinnen und Bewohner einzubinden, insbesondere im Hinblick auf die digitale Kommunikation und Online-Sitzungen und um sie zur kontinu-ierlichen Teilnahme am Planungs- und Umsetzungsprozess zu motivieren.

Wissenstransfer und Homepage: Die Analyse von gebauten Beispielen und insbesondere die Besichtigungen bereits realisierter Modellprojekte in Berlin und Wien waren wichtige Erfahrungen, um die im Entwurfsprozess getroffenen Entscheidungen zu bewerten. Erst nach langjähriger Praxis lässt sich eine Aussage darüber treffen, ob sich bestimmte räumliche, technologische oder soziale Lösungen und Innovationen bewähren oder nicht. Auf der Homepage https://www.buildingsocialecology.org/ sind 24 Modellprojekte und ein Katalog mit 27 sozial-ökologischen Entwurfsmustern dokumentiert, die sich als ein nützliches Werkzeug bei der Planung erwiesen haben und von anderen Projektentwicklern, Archi-tektinnen und Architekten sowie weiteren Akteuren beim Entwurf eigener Projekte genutzt werden können.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Im Oktober 2021 erfolgte in Bratislava eine öffentliche Präsentation der Ergebnisse des Forschungsprojekts vor verschiedenen politischen Verantwortlichen der Stadt Bratislava, der Selbstverwaltungsregion sowie vor anderen institutionellen Vertretern aus Bratislava. Die im Berichtsanhang vorliegende Projektdokumentation ist Grundlage für die weiteren genehmigungsrechtlichen Schritte. Im Herbst 2022 werden die Öffentlichkeit und die Behörden über weitere Entwicklungsphasen des Projekts informiert.


Fazit

Das Projekt zeigt, dass eine Gebäudemodernisierung des ehemaligen Wohnheims zu einem Plusenergiegebäude mit vielfältigen Nutzungsmischung und gemeinschaftlichen Wohnformen mit einem vertretbaren Aufwand möglich ist. Das Projekt hat das Potential für ähnliche Modernisierungsvorhaben in der Slowakei zu dienen. Zielkonflikte wie höhere Investitionskosten für ökologische und energietechnische Standards („Plusenergiegebäude“) versus einer sozialverträglichen Finanzierung („bezahlbares Wohnen“) ließen sich im Rahmen der Forschung nicht auflösen.

Übersicht

Fördersumme

274.467,00 €

Förderzeitraum

01.06.2020 - 31.05.2022

Bundesland

Grenzüberschreitend

Schlagwörter

Grenzüberschreitend
Klimaschutz
Ressourcenschonung
Umweltforschung
Umwelttechnik