Projekt 34976/01

Phosphorangepasste Futtermittel am Beispiel Kleie (PhANG)

Projektträger

Technische Universität Hamburg (TUHH) Institut für Umwelttechnik und Energiewirtschaft (IUE)
21073 Hamburg
Telefon: 040428783008

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Phosphor (P) ist ein essentieller Nährstoff für jegliche Art von Leben und daher unverzichtbar für die Nahrungs- und Futtermittelindustrie; deshalb wird P in der Nahrungs-, Futter- und vor allem Düngemittelindustrie eingesetzt. Gleichzeitig ist mineralischer P eine stark limitierte Ressource. In der Biosphäre liegt P natürlich zumeist in organisch gebundener Form (z.B. als Phytat/Phytinsäure), beispielsweise in Getreide und Hülsenfrüchten vor. In dieser Form kann er jedoch ohne die entsprechenden Enzyme nur schwer bis gar nicht verdaut werden. Daher wird der mit dem Futter aufgenommene P vor allem von Monogastriern, die nicht über Phytasen im Verdauungstrakt verfügen, größtenteils unverdaut wieder ausgeschieden. Diese Exkretion hoher Mengen von P führt als eine Folge der Ausbringung von entsprechenden Wirtschaftsdüngern auf landwirtschaftliche Böden zu einer Überversorgung und damit zu einer potentiell erhöhten Gewässereutrophierung. Daher wird durch eine aktualisierte Düngemittelverordnung die flächenspezifische Ausbringungsmenge von P, sowohl in organischer als auch mineralischer Form, stark reguliert.

Das Ziel dieses Projektvorhabens ist es daher, die Roggenkleie als beispielhaftes mineralstoffreiches Tierfutter an P abzureichern, sodass ein P-armes Futtermittel vorliegt, welches eine erhöhte P-Exkretion bei gleichzeitiger Nutzung des verbleibenden Protein- und Fasergehalts verhindert. Der so gewonnene P soll dann in nutzbarer Form (z.B. als direkt verfügbare Dünge- oder Futtermittelzusatzstoffe) in den Kreislauf zurückgeführt werden. Somit kann durch eine Substitution mineralischen Ps durch biogenen P dazu beigetragen werden, wertvolle mineralische P-Ressourcen zu schonen.



Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenIm Projekt soll ein gesamtheitlicher Prozess entwickelt werden, der von der nativen Roggenkleie bis hin zu einer an P abgereicherten Roggenkleie zur direkten Verfütterung und einem Phosphat-Salz zur weiteren Anwendung in verschiedenen Produkten führt. Hierbei werden unterschiedliche Prozesspfade zur parallelen oder kombinierten Anwendung betrachtet, um den organisch gebundenen P aus der Kleiematrix zu lösen. Anschließend soll die natürlich vorliegende P-Form des Phytats gespalten werden, um Phosphat freizusetzen.

• Zunächst wird die mechanische Abtrennung einer P-reichen Fraktion aus dem Getreide untersucht, um so bereits einen P-reichen Masseanteil vor Überführung der Kleie in die Nassphase zur weiteren Verarbeitung abtrennen zu können. Mit Blick auf eine technische Umsetzung könnten dadurch Reaktionsvolumen und Energieaufwand für eine anschließende Trocknung reduziert werden.
• Aufbauend auf Vorarbeiten der Projekte „BusinessP“ und „ValuePP“ wird eine enzymatische Behandlung der Kleie im wässrigen Milieu zur P-Reduktion untersucht. Dabei werden sowohl spezifische Phytasen optimiert als auch kommerziell erhältliche Enzymformulierungen hinsichtlich der maximalen P-Reduktion in der Kleie untersucht.
• Ergänzend dazu werden neuartige chemische Methoden untersucht, um die Spaltung der Phosphomonoesterbindungen thermisch bzw. katalytisch zu induzieren. Dabei steht eine saure Extraktion mit anschließender Mikrowellen-Behandlung im Fokus.
• Der auf mechanischem, enzymatischem oder chemischem Weg herausgelöste P wird in einem Folgeschritt, vorzugsweise in Salzform (d.h. mittels Fällung), verfügbar gemacht.

Der so im Labor dargestellte Prozess zur P-Reduktion der Kleie soll anschließend hochskaliert werden, um Fütterungsstudien vorzunehmen und die Verdaulichkeit der angepassten Kleie bewerten zu können. Abschließend führt eine technische, ökonomische und ökologische Analyse des Gesamtprozesses zur übergreifenden Bewertung der Umsetzbarkeit des entwickelten Prozesses.



Ergebnisse und Diskussion

Die Untersuchung der mechanischen P-Abtrennung aus Getreidekörnern bereits während des Mahlprozesses zeigte eine deutliche Akkumulation des P in den äußeren Schalen von Roggen-, Weizen-, Gerste- und Haferkörnern. Da im Getreide jedoch biologische Schwankungen der Schalenanteile auftreten und während des Mahlens relativ grobe Zerkleinerungsmechanismen angewandt werden, kann eine spezifische Abtrennung eines P-reichen Getreideanteils nicht ohne einen größeren Umrüstungsaufwand in den vorhandenen Getreidemühlen erreicht werden. Alle weiteren Untersuchungen finden daher weiterhin mit der nicht separierten Roggenkleie statt.

Eine chemische Behandlung der Kleie führte mittels salzsaurer Extraktion im Kleie-zu-Säure-Verhältnis von 1:20 zu einer hohen Solubilisierungsrate der Phytinsäure, die bereits bei Raumtemperatur und Extraktionszeiten von unter 40 Minuten maximiert werden konnte. Die verbleibende Kleie zeigt nach Waschung mit 8-facher Menge an Wasser einen deutlich reduzierten P-Gehalt bei verbleibenden Mengen an Stärke, Proteinen und Fasern. Somit eignet sich die zurückbleibende Kleie potentiell zur weiteren Verfütterung. Eine anschließende thermische Behandlung des flüssigen Roggenkleie-Extrakts in der Mikrowelle führte bei 200 °C und 15 Minuten zu 98,5 % Phytinsäure-Spaltung. Damit konnte eine neue Methode der Phosphat-Freisetzung aus Roggenkleie dargestellt werden, sodass im Hydrolysat freies Phosphat für eine Rückgewinnung in Salzform zur Verfügung steht.

Der Pfad der enzymatischen Kleie-Behandlung wurde mit einem durch die KnowVolution-Strategie maßgeschneiderten Phytase-Blend durchgeführt, der letztlich zu einer im Vergleich mit kommerziellen Enzymen deutlich erhöhten Inositol-Phosphat-Reduktion führte. So konnten enzymatisch ebenfalls bis zu 93 % Phosphat aus der Phytinsäure freigesetzt werden. Eine ergänzende Nutzung zellspaltender Enzyme kann den Stofftransport der Phytinsäure in Lösung etwa verdoppeln und somit den Prozess beschleunigen. Die enzymatische Behandlung mit dem Phytase-Blend wurde vom Labormaßstab ausgehend stufenweise bis zu einem Arbeitsvolumen von 375 L mit einem Kleie-zu-Wasser-Verhältnis von 1:7 hochskaliert. So konnten in mehreren Chargen etwa 20 kg konditionierte Roggenkleie für die folgenden Fütterungsstudien bereitgestellt werden. Das verbleibende Hydrolysat wurde hinsichtlich einer Wertstoffnutzung, insbesondere durch Rückgewinnung des Phosphats, untersucht.

Die Rückgewinnung des P-Gehalts aus dem Hydrolysat wurde vergleichend für beide Pfade als Fällung von Struvit bzw. Calciumphosphat untersucht. In beiden Substraten führte trotz der unterschiedlichen Zusammensetzung der beiden Hydrolysate eine Zugabe von Magnesiumchlorid bzw. Calciumchlorid/Calciumhydroxid unter alkalischen Bedingungen zu hohen P-Rückgewinnungsraten von bis zu > 99 %. Eine Röntgenstrukturanalyse der Präzipitate zeigte eine erfolgreiche Fällung von Struvitkristallen, die Anwendung in der Düngemittelindustrie finden, und von Calciumhydrogenphosphat, welches potentiell als Futterergänzungsmittel genutzt werden kann. Glühverlustmessungen zeigen allerdings eine Co-Fällung organischer Komponenten aus dem Hydrolysat, je nach Substrat und Prozessparametern mit einem Anteil von wenigen Prozent bis zu etwa einem Viertel der Präzipitatmasse. Diese könnten potentiell unschädlich oder sogar wertbringend in einer Ausbringung als Düngemittel sein; im Futtermittelbereich jedoch herrschen strikte Zulassungskriterien. Daher wird eine Waschung des Präzipitats zur Herauslösung der organischen Kontaminanten untersucht.

Mittels Adsorption können aus dem Hydrolysat außerdem phenolische Komponenten gewonnen werden. Etwa 80 % der Phenole binden beispielsweise an Amberlite als Adsorbens (XAD 16 bzw. 7 HP) und könnten so für weitreichende Einsatzmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Die verbleibende Organik, insbesondere gelöste Zucker, könnten außerdem als Nährmedium für mikrobiologische Prozesse weitergenutzt werden.

Die Fütterungsstudie mit der konditionierten Kleie wird in der verbleibenden Projektzeit an 42 Kaninchen durchgeführt, welche in drei Gruppen je vergleichend unterschiedliche Mischfutter bereitgestellt bekommen, die den P-Bedarf mit 3 g/kg genau decken. Die Vergleichsgruppe wird mit einer Grundmischung und dem entsprechenden Anteil an Mononatriumphosphat (MNP) als leicht verdaulichem P gefüttert, einer zweiten Gruppe wird die Grundmischung mit nativer Roggenkleie gereicht und die letzte Gruppe bekommt schließlich die Grundmischung mit der P-reduzierten Roggenkleie und der entsprechenden Ergänzung des P-Gehalts durch MNP gefüttert. Da der Ca-Gehalt die P-Verdaulichkeit entscheidend beeinflusst, wird mittels Calciumcarbonat ein identisches Ca:P-Verhältnis in allen Futtermischungen sichergestellt. Nach einer Adaptationsphase von 5 Tagen folgen die Kollektionsphase von 5 Tagen zur Kotsammlung, die anschließende Analytik und die Bewertung der Verdaulichkeit.

Die Ergebnisse der Fütterungsstudie sowie eine umfassende Bewertung aller technischen, ökonomischen sowie ökologischen Faktoren zur Implementierung des dargestellten Prozesses sind aktuell noch ausstehend.




Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Die Projektergebnisse wurden laufend sowohl auf nationalen und internationalen Konferenzen als auch in wissenschaftlichen Artikeln veröffentlicht. Beiträge wurden beispielsweise auf Himmelfahrtstagungen der Dechema in Frankfurt, der ISGC in La Rochelle, der ESPC in Wien, der EUBCE in Bologna und der ProcessNet vorgestellt.

Die Publikationen, die im Zusammenhang mit diesem Projekt entstanden sind, können unter den folgenden Links abgerufen werden:

• Hintergrund und Stand der Technik zum im Projekt angestrebten Kleie-Konditionierungsprozess: https://doi.org/10.3390/su14073998

• Ausführliche Darstellung und Diskussion der mechanischen Abtrennung einer P-reichen Fraktion aus Roggen-, Weizen-, Gerste- und Haferkörnern: https://doi.org/10.1007/s11947-022-02981-3

• Anpassung einer aus E. coli exprimierten Phytase zur verbesserten Spaltung von Inositoltetraphosphat mittels KnowVolution-Strategie: https://doi.org/10.3389/fceng.2022.838056

• Darstellung von Polyphosphat zur Nahrungsmittelanwendung aus Samen und Kleie mit Hilfe von Enzymen: https://doi.org/10.1016/j.bioeco.2023.100048

• Kurzvorstellung der FTIR-Analytik zur inline-Messung des Phytatgehalts: https://doi.org/10.1002/cite.202255084



Fazit

Im Projekt angestrebt wurde die Konditionierung von Kleie im Hinblick auf einen reduzierten P-Gehalt sowie die Nutzbarmachung des herausgelösten P. Beide Produkte konnten mit zwei alternativen Pfaden dargestellt werden. Die chemische Hydrolyse stellt dabei eine neuartige und sehr effiziente Methode der Phytinsäure-Spaltung dar. Die enzymatische Kleie-Behandlung findet hingegen bei deutlich milderen Bedingungen statt und konnte bereits erfolgreich hochskaliert werden, um Substrat für einen Fütterungsversuch herzustellen. Die abschließende Prozessbewertung wird einen Einblick in die Möglichkeiten einer größer technischen Implementierung geben und sowohl aus wirtschaftlicher als auch ökologischer Sicht zeigen, wie der Prozess zu einer nachhaltigen P-Kreislaufwirtschaft beitragen kann.

Übersicht

Fördersumme

636.492,00 €

Förderzeitraum

01.07.2020 - 31.03.2024

Bundesland

Hamburg

Schlagwörter

Landnutzung