Projekt 34788/01

Des Königs neue Schäume: Entwicklung und modellhafte Anwendung eines innovativen Reinigungskonzepts für durch anthropogene Umwelteinflüsse geschädigte Kunst- und Kulturgüter auf Basis von Schäumen

Projektträger

Universität Stuttgart Institut für Physikalische Chemie
Pfaffenwaldring 55
70569 Stuttgart
Telefon: +49 711 685 64470

Zielsetzung

Historische Oberflächen an Kunst- und Kulturgut sind die Gesichter der Kunstwerke. Diese Oberflächen weisen häufig eine nutzungs- und umweltbedingte Verschmutzung auf, die langfristig zu einer Schädigung der originalen Oberfläche führt und daher entfernt werden muss. Neben biogenen Verschmutzungen wie z.B. mikrobiellem Befall sind seit Beginn der Industrialisierung anthropogene Verschmutzungen in vielen Fällen die wichtigste Quelle für Verschmutzungen historischer Oberflächen. Die Reinigung dieser Oberflächen stellt eine Herausforderung bei der Restaurierung der Kunstwerke dar, da für jede Oberfläche ein maßgeschneidertes Reinigungskonzept (wässrige oder lösemittelhaltige Systeme, die meist in Gel-Form verwendet werden) entwickelt werden muss. Ziel dieses Projekts ist, neue innovative Reinigungsmethoden zu entwickeln, die auf dem Einsatz von Schäumen basieren. Wir wollen zeigen, dass Schäume eine objekt- und umweltschonende Alternative für die Reinigung historischer Oberflächen darstellen, die vor allem bei großflächigen oder schwer zugänglichen Oberflächen Anwendung finden könnten. Mit der Entwicklung von "maßgeschneiderten" Schaumsystemen kann ein wesentlicher Beitrag für die Restaurierung und somit für die Erhaltung von Kunst- und Kulturgut geleistet werden bei gleichzeitiger Umweltentlastung, da bis zu 90% Reinigungsmittel eingespart werden können. Die entwickelten Konzepte können dann auf andere Objekte (z.B. Luxusgüter) übertragen werden.

Arbeitsschritte

Um innovative Reinigungskonzepte auf Basis von Schäumen für Kulturgüter zu entwickeln, wollen wir in enger Zusammenarbeit zwischen einer Physiko-Chemikerin, einer Physikerin, einem Chemiker und der Bayerischen Schlossverwaltung folgende Punkte bearbeiten:
• Einstellen von Stabilität, Fließ-, Haft- und Reinigungsverhalten des Schaums
• Schaumgeneration mit unterschiedlichen Methoden
• Test umweltverträglicher Tensidklassen für die Reinigung historischer Oberflächenmaterialien
Als Objekte für die Erprobung und Anwendung von schaumbasierten Reinigungssystemen eignen sich die historischen Fahrzeuge im Marstallmuseum von Schloss Nymphenburg. Es handelt sich um ca. 40 Fahrzeuge des 18. und 19. Jahrhunderts, die zum einen über eine relativ stabile Oberfläche verfügen (da für den "Outdoor"-Bereich konzipiert) und die zum anderen bisher keiner Reinigung unterzogen wurden, da der Aufwand und die Kosten einer kleinteiligen Reinigung nicht finanzierbar waren.

Ergebnisse

Ziel dieses Projekts war es, eine neue innovative Reinigungsmethode auf der Basis von Schäumen zu entwickeln. Durch Reinigungsexperimente auf Modelloberflächen wurde zu Beginn des Projekts erkannt, dass das zuerst eingesetzte Tensid (Alkylpolyglycolether) keine zur Reinigung ausreichend stabilen Schäume bildet, d. h., dass sich die Schäume nicht zur effizienten Reinigung von historischen Objekten eignen. Daher wurde bereits im ersten Jahr das Tensid gewechselt und ein Alkylpolyglucosid verwendet. Alkylpolyglucoside sind biobasierte, nichtionische Tenside und besitzen eine gute Reinigungswirkung. Im Gegensatz zu den Alkylpolyglycolethern, die aus petrochemischen Ressourcen hergestellt werden, erfolgt die Synthese von Alkylpolyglucosiden aus nachwachsenden Rohstoffen (z.B. Zucker und Rapsöl) und sie sind biologisch abbaubar. Das Testen verschiedener Methoden zur Schaumherstellung ergab, dass sich die Doppelspritzentechnik am besten eignet, um zur Reinigung geeignete Schäume herzustellen. Mit dieser Technik können Schäume mit variierendem Flüssigkeitsanteil bei gleichbleibender Blasengröße erzeugt werden. Im zweiten Jahr des Projekts befassten wir uns damit, die Rolle von Schäumen in Reinigungsprozessen zu verstehen und die zur Reinigung benötigten Eigenschaften eines Schaums zu identifizieren. Die Reinigungstests zeigten, dass instabile Schäume besser reinigen als stabile Schäume. Daher kann auf den Einsatz des klimaschädlichen FCKW Perfluorhexan zur Stabilisierung der Schäume verzichtet werden. Außerdem wurden drei Reinigungsmechanismen identifiziert: (1) Imbibition bei niedrigen Flüssigkeitsanteilen, (2) "Wischen" (Verschiebung der Kontaktlinie zwischen Öl, Schaum und Glas, bei allen Flüssigkeitsanteilen und (3) Drainage bei hohen Flüssigkeitsanteilen. Durch die Veränderung des Flüssigkeitsanteils und der Schaumstabilität entstehen unterschiedlichen Kombinationen dieser Mechanismen mit unterschiedlichen Reinigungsergebnissen. Wir konnten zeigen, dass Schäume mit mittlerer Stabilität, niedrigem Flüssigkeitsanteil (ε ≤ 5 %) und initial kleiner Blasengröße aufgrund der Synergie zwischen Imbibition und Schaumzerfall sehr effizient sind. Durch den niedrigen Flüssigkeitsanteil des Schaums kann bei der Reinigung mit Schäumen nicht nur 90% an eingesetztem Reinigungsmittel, sondern auch Wasser eingespart werden. Aus 1 ml Lösung ergeben sich 20 ml Schaum, wodurch eine wesentlich größere Fläche gereinigt werden kann als mit 1 ml ungeschäumter Lösung. Im dritten Jahr des Projekts wurde der entwickelte Reinigungsschaum auf historischen, relativ stabilen Oberflächen (Outdoor-Bereich) der Kutschen im Marstallmuseum in Schloss Nymphenburg angewandt. Der Reinigungsschaum wurde auch hier mit der Doppelspritzentechnik hergestellt, da keine andere Methode geeignet war, um einen Schaum mit den benötigten Eigenschaften herzustellen. Mit dem Reinigungsschaum können vergoldete, historische Holzoberflächen effizient von Schmutz gereinigt werden ohne die Oberfläche zu beschädigen. Mit Hilfe eines anschließenden Tensidnachweises, konnte gezeigt werden, dass nach der Reinigung keine Tensidreste auf den Oberflächen zurückbleiben. Unter Anwendung dieser Reinigungsmethode wurde von September bis November 2021 der Krönungswagen von Kaiser Karl dem VII. (gebaut 1721) vollständig gereinigt. Durch die neue Reinigungsmethode konnte nicht nur der Wasser- und Tensidverbrauch reduziert werden, sondern auch die Arbeitszeit der Restauratoren um 60 %. Außerdem kann auf den Einsatz von Lösungsmitteln (z. B.: Benzin, etc.) vollständig verzichtet werden. Somit konnten wir zeigen, dass Schäume eine objekt- und umweltschonende Alternative für die Reinigung historischer Oberflächen darstellen, die auch zur Reinigung von großflächigen oder schwer zugänglichen Oberflächen genutzt werden können. Wir konnten außerdem zeigen, dass die Schäume zur Reinigung empfindlicher, historischer Oberflächen im Indoor-Bereich geeignet sind. Das Ziel des Projekts wurde erreicht, d. h., die Eigenschaften eines zur Reinigung von historischen Oberflächen geeigneten Schaums wurden identifiziert. Mit der Entwicklung dieses Schaums wurde ein wesentlicher Beitrag für die Restaurierung und somit für die Erhaltung von Kunst- und Kulturgut geleistet bei gleichzeitiger Umweltentlastung.

Öffentlichkeitsarbeit

VERÖFFENTLICHUNGEN
1. Less is More: Unstable Foams clean better than Stable Foams, T. Schad, N. Preisig, D. Blunk, H. Piening, W. Drenckhan, C. Stubenrauch, JCIS, 2021, 590, 311-320
2. Foam-Based Cleaning of Surfaces Contaminated with Mixtures of Oil and Soot, T. Schad, N. Preisig, W. Drenckhan, C. Stubenrauch, J. Surf. Det., 2022; 25:377–385.
3. Tenside: Schaum in Aktion, T. Schad, N. Preisig, D. Blunk, H. Piening, W. Drenckhan, C. Stubenrauch, Nachrichten aus der Chemie, 2021, 69, 72-74
4. Bericht von Heinz Käsinger (Chefredakteur) "Des Königs neue Schäume" in der Zeitschrift Galvanotechnik 1/2021 Eugen G. Leuze Verlag, Bad Salgau, S. 62-66
5. Bericht von Reinhard Breuer "Aufgeschäumt" in der Zeitschrift bild der wissenschaft 2/2022, S.82-87, Verlagsbüro Wais & Partner Gbr
VORTRÄGE
1. Innovative Foam-Based Cleaning Concepts for Historical Objects: Aqueous Foams in Contact with Non-Aqueous Compounds, University of Strasbourg, Institute for Advanced Study, USIAS Fellow Seminar, France, 17.9.2020
2. Innovative Foam-Based Cleaning Concepts for Historical Objects, KTH Royal Institute of
Technology, Stockholm, Sweden, 2.2.2021, invited by Prof. P. Claesson
3. Des Königs neue Schäume: innovatives, schaumbasiertes Reinigungskonzept für Kunst- & Kulturgüter, Kepler-Seminar, Stuttgart
TAGUNGSBEITRÄGE
Innovative Cleaning Concept with Controlled Foams, T. Schad, N. Preisig, H. Piening,
W. Drenckhan, D. Blunk, C. Stubenrauch, Kolloid- & Bunsentagung, Virtual Conference, Germany, 10.-12.5.2021 (Vortrag via ZOOM)
Foam-Based Cleaning of Historical Surfaces, T. Schad, N. Preisig, H. Piening, D. Blunk, W. Drenckhan, C. Stubenrauch, 35th ECIS 2021, Athen, Griechenland, 5.-10.9.2021 (Poster)
FERNSEH-BEITRAG
Wissenschaftsmagazin NANO und SWR Wissen Aktuell; verantwortlicher Redakteur: Thomas Hillebrandt, Ausstrahlung am 18.6.2021 bei NANO auf 3SAT und online bei SWR Wissen
REINIGUNG
Reinigung des Krönungswagens von Kaiser Karl dem VII. im Marstallmuseum in Schloss Nymphenburg SEP-NOV2021 bei der Bayerischen Schlösserverwaltung

Fazit

Die Reinigung historischer Oberflächen von Kunst- und Kulturgütern ist eine große Herausforderung, da man für jede Oberfläche ein zugeschnittenes Reinigungskonzept benötigt, um den durch langfristige Umwelteinflüsse entstandenen Schmutz auf den Objekten zu entfernen ohne das Kunstwerk zu beschädigen. Ziel dieses Projekts war es, eine neue, innovative Reinigungsmethode auf der Basis von Schäumen zu entwickeln. Schäume eignen sich hervorragend als Reinigungsmittel, da durch ihren Einsatz die Menge des Reinigungsmittels um bis zu 90 % und der Wasserverbrauch um bis zu 85 % reduziert werden können. Außerdem ermöglichen Schäume die Reinigung von schwer zugänglichen Oberflächen. Dass Schäume bei der Reinigung physikalische Mechanismen hervorrufen konnte durch Reinigungstests mit Schäumen auf mit einer Modellverschmutzung beschichteten Glasplatte gezeigt werden. Die verwendeten Schäume wurden mit der Doppelspritzentechnik mit unterschiedlichen Flüssigkeitsanteilen, aber sehr kleiner Blasengröße erzeugt. Die Schäume wurden durch Zugabe von Perfluorhexan stabilisiert. Die Ergebnisse der Reinigungstests zeigten, dass instabile Schäume ohne Perfluorhexan besser reinigen als die mit Perfluorhexan stabilisierten. Daher kann auf den Einsatz von Perfluorhexan verzichtet werden. Bei den Reinigungstests wurden drei an der Reinigung beteiligte Mechanismen identifiziert: (I) das Aufsaugen des Schmutzes in den Schaum bei niedrigen Flüssigkeitsanteilen (Imbibition), (II) die Wischbewegungen der Blasen aufgrund des Schaumzerfalls auf der Oberfläche (Wischen) und (III) das Fließen der Flüssigkeit aus dem Schaum bei hohen Flüssigkeitsanteilen (Drainage), wodurch der Schmutz von der Oberfläche abgelöst wird. Auf die Oberflächen historischer Objekte sollte keine Flüssigkeit fließen, daher muss ein Schaum mit geringem Flüssigkeitsanteil zur Reinigung verwendet werden. Bei einem niedrigen Flüssigkeitsanteil ergibt sich unter Einbeziehung der richtige "Schauminstabilität" eine Kombination aus dem Mechanismen Imbibition und Wischen. Im Anschluss an das Testen des Schaums auf den Modellverschmutzungen wurde der entwickelte Reinigungsschaum auf den historischen Kutschen von Königen und Kaisern vergangener Zeiten im Marstallmuseum in Schloss Nymphenburg angewandt. Die Reinigung der historischen, vergoldeten Oberflächen mit Schäumen war sehr erfolgreich und die erkannten Reinigungsmechanismen des Schaums sind so effizient, dass es ausreicht, den Schaum auf die Oberfläche aufzutragen und nach kurzer Einwirkzeit wieder abzusaugen ohne eine zusätzliche mechanische Reinigung. Durch den Einsatz von Reinigungsschäumen können auch raue und senkrechte Flächen gereinigt werden. Durch die Identifikation der benötigten Eigenschaften des Reinigungsschaums konnte eine Beschädigung der historischen Oberflächen verhindert werden. Somit war die vorzeitige Erprobung der Schäume auf den Modellverschmutzungen optimal. Zur Herstellung der Schäume wird weiterhin die Doppelspritzentechnik genutzt, da keine andere Technik Schäume mit den benötigten Eigenschaften erzeugen kann. Mit der Doppelspritzentechnik können allerdings nur geringe Mengen an Schaum auf einmal hergestellt werden. Daher müsste zum großflächigeren Einsatz der Reinigungsschäume eine neue Technik zur Schaumherstellung entwickelt werden. Außerdem könnte der Einsatz der Schäume zur Reinigung auf andere Bereiche und sensible Oberflächen ausgeweitet werden.

Übersicht

Fördersumme

120.000,00 €

Förderzeitraum

16.08.2018 - 31.03.2022

Bundesland

Baden-Württemberg

Schlagwörter