Projekt 31812/01

Förderinitiative Nachhaltige Pharmazie 2: Eliminierung von Tierarzneimitteln durch effektive Güllebehandlung

Projektträger

Justus-Liebig-Universität Gießen Fachbereich Biologie und Chemie Institut für Lebensmittelchemie und Lebensmittelbiotechnologie
Heinrich-Buff-Ring 17
35392 Gießen
Telefon: +49 6 41 9 93 49 53

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Antibiotika werden in beträchtlicher Menge in der Veterinärmedizin eingesetzt (733 t im Jahr 2017). Ein Großteil der Verbindungen wird vom Tier über Gülle und Faeces wieder ausgeschieden. Durch die Verwendung von Gülle als Wirtschaftsdünger gelangen diese Substanzen im Tonnenmaßstab in die Umwelt. Mögliche Folgen, wie die Ausbildung von Resistenzen oder die Auswaschung der Substanzen ins Grundwasser, sind bislang nicht vollständig erforscht. Gülle wird auch als Substrat in Biogasanlagen eingesetzt. Über das Verhalten von Antibiotika im anaeroben Fermentationsprozess liegen bisher nur vereinzelte Informationen vor. Im Rahmen des Projektes sollte das Eliminierungsverhalten von Antibiotika im Prozess der Biogasanlage untersucht werden. Ziel war eine Prozessoptimierung hinsichtlich einer hohen Antibiotikaeliminierung ohne Beeinträchtigung der Biogasausbeute.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenAnhand von semi-kontinuierlichen Fermenterstudien wurde im Labormaßstab eine Biogasanlage simuliert (Studien durchgeführt am LHL-Standort in Bad Hersfeld). Durch den Zusatz von mit Antibiotika dotierter Gülle wurde untersucht, in welchem Umfang der anaerobe Prozess eine Antibiotikaeliminierung bewirken kann. Darüber hinaus wurden Parameter des Fermentationsprozesses variiert (vorgeschaltete saure Hydrolyse, Zusatz von Enzymen, Temperatur). Bislang wurden derartige Prozessvariationen nur im Hinblick auf die Biogasausbeute vorgenommen. Hier sollte als weiterer Aspekt die Antibiotika-eliminierung mit eingebunden werden. Anhand von in vitro Experimenten wurden die für die Eliminierung entscheidenden Faktoren (pH-Wert, Temperatur, Sorption u.a.) ermittelt. In dem Zusammenhang wurden für die Tetracycline Eliminierungsprodukte identifiziert und hinsichtlich ihrer antibiotischen Aktivität untersucht. Für die Sulfonamide wurden durch den Einsatz von Standardsubstanzen die relevanten Strukturelemente für die Eliminierung erforscht und ein möglicher Mechanismus abgeleitet. Mittels Sorptionsstudien wurde die Reversibilität dieser Eliminierung untersucht.


Ergebnisse und Diskussion

In den semi-kontinuierlichen Fermenterstudien wurden verschiedene Prozessparameter hinsichtlich ihres Einflusses auf die Biogasproduktion und die Antibiotikaeliminierung untersucht. Ein positiver Einfluss auf die Methanausbeute wurde nur unter thermophilen Bedingungen in Kombination mit einer vorgeschalteten sauren Hydrolyse ermittelt. Die anderen getesteten Varianten unterschieden sich nicht voneinander. Bei den Versuchen mit Enzymzusatz wurde eine verringerte Viskosität des Fermenter-inhalts festgestellt. Dies könnte zu einer Einsparung von Energiekosten für den Anlagenbetreiber führen. Hinsichtlich der Antibiotikaeliminierung zeigten sich einige Unterschiede zu den in vitro Studien in Reinstwasser. Sulfonamide erreichten Eliminierungsraten zwischen 26 und 63%. Aufgrund der festgestellten chemischen Stabilität wurde hier eine Eliminierung durch Sorptionsprozesse vermutet. Dafür sprach auch der Einfluss der zugesetzten Menge und der Beschaffenheit der Maissilage. Der Zusatz von Hydrolysat führte unter mesophilen Bedingungen zu niedrigeren Eliminierungsraten. Die Tetracycline zeigten in der Fermentermatrix eine größere Stabilität als in den feststofffreien wässrigen Lösungen. Der Einfluss der Temperatur fiel weniger deutlich aus als in den in vitro Studien. Auch hier konnte ein Einfluss der Beschaffenheit der Maissilage festgestellt werden mit niedrigeren Eliminierungsraten bei Hydrolysatzusatz. Dies weist ebenfalls auf die Bedeutung von Sorptionsprozessen für die Eliminierung von Tetracyclinen im Rahmen der anaeroben Fermentation hin. Keine der untersuchten Fermentationsbedingungen führte zu einer vollständigen Eliminierung der Antibiotika.
Aufgrund der Eliminierung der Tetracycline in wässriger Lösung wurde die Bildung von Transformationsprodukten untersucht. Für Tetracyclin konnte ein Transformationsprodukt (seco-Cyclin A) identifiziert werden. Die Bildung der Verbindung wurde durch Phosphat gefördert und durch die Anwesenheit zweiwertiger Kationen gehemmt. Das Produkt konnte ebenfalls in Fermenterproben nachgewiesen werden, die Transformation findet somit auch in komplexen Matrices statt. Allerdings lagen die detektierten Gehalte im einstelligen ?g kg-1 Bereich (<1% des Tetracyclin-Gehaltes). Stabilitätsuntersuchungen in Güllematrix konnten zeigen, dass das Transformationsprodukt selbst einer Eliminierung unterliegt. Der genaue Beitrag dieser Verbindung zur Eliminierung von Tetracyclin kann deswegen nicht abgeschätzt werden. Für Chlortetracyclin konnten zwei dem seco-Cyclin A ähnliche Verbindungen neu identifiziert werden. Aufgrund der strukturellen Veränderungen im Molekül kam es zu einer deutlichen Abnahme der antibiotischen Aktivität der Transformationsprodukte. Für Konzentrationen bis 500 mg L-1 konnte keine Hemmung des Testkeims festgestellt werden.
Sowohl Sulfonamide als auch Tetracycline zeigten in Pufferlösung bei Zusatz von Maissilage im Laufe der Inkubation eine Eliminierung, die bei den Sulfonamiden stärker ausgeprägt war als bei den Tetracyclinen. Da in wässriger, feststofffreier Lösung keine Eliminierung der Sulfonamide festgestellt worden war, wurden Sorptionsprozesse als Ursache angesehen. Anhand von Sorptionsstudien in Fermentermatrix wurde ein Zusammenhang zwischen der Eliminierungsrate und der zugesetzten Menge der Maissilage festgestellt. Eine vorherige Behandlung der Maissilage durch Säure führte zu einer Abnahme der Eliminierungsrate. Dies entspricht den Beobachtungen in den semi-kontinuierlichen Fermenterstudien. Durch die Inkubation mit verschiedenen Standardsubstanzen in Reinstwasser konnten Lignin und Huminsäuren als relevante Verbindungen für die Eliminierung identifiziert werden. Studien mit der Modellverbindung 2,6-Dimethoxyphenol in Gegenwart von Kieselgel als Trägermatrix wiesen auf die Ausbildung einer kovalenten Bindung zwischen Sulfonamiden und dem Phenol hin. Dies spricht für eine Eliminierung der Verbindungen durch eine Chemisorption. Die Eliminierung von Tetracyclinen erfolgte unabhängig von der Modellverbindung, so dass für diese Substanzen andere
Eliminierungsprozesse relevant sein müssen. In der Literatur werden hierzu Prozesse wie zum Beispiel die Ausbildung von Wasserstoffbrückenbindungen genannt.
Sorptionsprozesse können prinzipiell reversibel sein. Um zu überprüfen, inwiefern die Sorptionsprozesse in der Güllematrix umkehrbar sind, wurde mit Antibiotika dotierte Gülle mit Maissilage inkubiert. In regelmäßigen Abständen wurde die Flüssigphase mit antibiotikafreier Gülle ausgetauscht. Vor allem bei den Tetracyclinen konnte ein Übergang der Verbindungen aus der Festphase in die Flüssigphase beobachtet werden. Für Sulfonamide deuten die Ergebnisse auf einen ähnlichen Zusammenhang hin. Die in den Fermenterstudien beobachtete Eliminierung der Verbindungen durch Sorption muss vor diesem Hintergrund kritisch betrachtet werden, da die Substanzen potentiell wieder freigesetzt werden können.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Die Ergebnisse dieses Projekts wurden wie folgt präsentiert
? Poster auf dem Deutschen Lebensmittelchemiker Tag, September 2015 (Karlsruhe, D)
? Vortrag auf der EuroResidue Conference, Mai 2016 (Egmond aan Zee, NL)
? Poster auf dem Deutschen Lebensmittelchemiker Tag, September 2016 (Freising, D)
? Vortrag beim Infotag „Tierarzneimittelrückstände in Lebensmitteln“, Oktober 2017 (Gießen, D)
? Poster auf der Green Pharmacy Conference 2017 (Utrecht, NL)
Eine Publikation, die sich mit dem Vorkommen und dem Verbleib von Antibiotika in Gülle beschäftigt, ist im Journal Sustainable Chemistry and Pharmacy erschienen („Occurrence and fate of antibiotics in manure during manure treatments: A short review“ https://doi.org/10.1016/j.scp.2018.06.004).
Weitere Publikationen sind für die Ergebnisse der Fermenterstudien, der Strukturaufklärung der Transformationsprodukte sowie der Sorptions-/Desorptionsversuche vorgesehen.



Fazit

Anhand verschiedener Studien konnte Sorption als zentraler Eliminierungsweg für Sulfonamide und Tetracycline in Gülle- und Fermentermatrix identifiziert werden. Im Vergleich zu rein wässrigen Lösungen, üben Bestandteile der Güllematrix einen stabilisierenden Effekt auf die Substanzen aus. Dadurch war es in den entsprechenden Versuchen nicht möglich durch den Zusatz eines Sorptionsmaterials die Antibiotika aus der Gülle vollständig zu entfernen. Darüber hinaus deuten die Ergebnisse darauf hin, dass die Sorptionsprozesse (teilweise) reversibel sind. Aus diesem Grund ist langfristig mit einer erneuten Freisetzung der Verbindungen aus der Matrix zu rechnen, was Untersuchungen von Grundwasserproben unter landwirtschaftlichen Nutzflächen bereits heute zeigen. Konkrete Handlungsempfehlungen zur Verminderung der Antibiotikabelastung von Wirtschaftsdüngern können nicht gegeben werden. Das Ziel muss es deswegen sein, die Anwesenheit von Antibiotika in der Gülle durch einen reduzierten Einsatz in der Veterinärmedizin zu minimieren.

Übersicht

Fördersumme

343.795,00 €

Förderzeitraum

01.04.2015 - 30.09.2018

Bundesland

Hessen

Schlagwörter

Klimaschutz
Landnutzung
Umweltforschung
Umwelttechnik