Projekt 29892/01

Entwicklung eines integralen und zukunftsweisenden Planungsansatzes für den Neubau des Gymnasiums Diedorf bei Umsetzung des Plusenergiestandards in Holzbauweise und Entwicklung neuer Lösungen für offene Lernlandschaften

Projektträger

Landkreis Augsburg Der Landrat
Prinzregentenplatz 4
86150 Augsburg
Telefon: 0821 3102-2452

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Der Landkreis Augsburg plant den Neubau eines 4-zügigen Gymnasiums in Diedorf. Für den zeitgemä-ßen Neu- oder Umbau von Schulen sind zukunftsfähige räumliche Konzepte, die den komplexen Nut-zungsanforderungen gerecht werden, sowie energieeffiziente und betriebswirtschaftlich überzeugende Lösungen gefragt.
Durch den Neubau des Gymnasiums Diedorf soll durch einen Integralen Planungsprozess ein Weg zu innovativen und nachhaltige Planungen, die im Lebenszyklus ein wirtschaftliches und sparsames Umge-hen mit den vorhandenen Ressourcen erwarten lassen, aufgezeigt werden.
Die ökologische Sinnhaftigkeit von Holzbau ist heute unbestritten. Im Rahmen des Projektes sollen kon-struktive Prinziplösungen als Entscheidungshilfe für den ökologischen Holzbau und Antwort auf die gän-gigen Vorurteile erarbeitet werden. Neben einer deutlichen Steigerung der Energieeffizienz des Gebäudes hin zu einer Plus-Energie-Schule steht ebenfalls die Verbesserung der Lern- und Lehrsituation im Fokus. Sowohl bauphysikalische Faktoren wie Raumluftqualität, Akustik und Tages-/ Kunstlichtversorgung sowie ein flexibles Raumkonzept zur möglichen Anpassung an sich wandelnde pädagogische Ansätze, insbesondere die Realisierung von Lernlandschaften, sind integrale Themen des Planungs- und Umsetzungsprozesses.
Das Projekt soll die Machbarkeit eines derartigen Neubaus zu vertretbaren Mehrkosten mit geringsten Betriebs- und Erhaltungskosten dokumentieren und Vorbildwirkung für andere Kommunen ausüben.



Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenDie wesentlichen Arbeitspakete lassen sich wie folgt beschreiben:

1. Pädagogisches Konzept
Erarbeitung eines Raumfunktionskonzepts in Zusammenarbeit mit den Nutzern und Abstimmung mit dem Raumprogramm. Verwirklichung von Lernlandschaften im Unterrichtsalltag. Einarbeitung in die Grundrisse. Mitwirkung der pädagogischen Berater bei der Bedarfsermittlung für die Ausstattung des Gebäudes unter Berücksichtigung von multifunktionalen Einrichtungskomponenten.
2. Planungskonzept und Architektur
Erforschung und Entwicklung von verschiedenen Lösungsansätzen und prinzipiellen Varianten und Ge-genüberstellung in Form eines Stärke- und Schwächeprofiles unter besonderer Berücksichtigung des Zielkonfliktes Kompaktheit – räumliche Differenziertheit – optimale Belichtung / landschaftsverträgliche Einbettung des Gebäudes unter Berücksichtigung ressourcenschonender Geländeveränderungen und Gründungsmaßnahmen. Entwicklung von holzbauadäquaten Lösungen bei der Integration haustechni-scher Elemente und Systeme.
3. Holzbau
Erarbeitung von konstruktiven Lösungen und Materialkonzepten, die einen guten sommerlichen thermi-schen Komfort gewährleisten. Erforschung und systematische Darstellung von Wand- und
Deckenaufbauten in Hinsicht Ihres Schalldämmasses. Handlungsempfehlungen im Hinblick auf Dau-erhaftigkeit, Fäulnisgefahr, chemischer Holzschutz sowie Luftdichtigkeit wissenschaftlich beurteilen.
4. Bauphysik / Entwicklung baulich technischer Energiekonzept
Entwicklung der Gebäudehülle unter Einbeziehung der Ergebnisse aus thermisch-dynamischer Simu-lationsberechnungen und tageslichttechnischer Berechnungen. Auswirkungen auf den thermischen Kom-fort ermitteln. Erarbeitung von Anregungen zur Raumorganisation. Handlungsempfehlungen zur Errei-chung einer Plus-Energie-Schule.
5. Entwicklung technisches Anlagenkonzept
Entwicklung einer strömungsgünstigen mechanischen Zu-/Abluftanlage mit einer hocheffizienten Wärme- und Feuchtigkeitsrückgewinnung. Variantenuntersuchung zur Wärme- und Kälteversorgung im Hinblick auf Wirtschaftlichkeit und CO² - Emissionen. Potentialuntersuchung der Variante Wärme-rückgewinnung aus Abwasser. Kunstlichtkonzeptentwicklung mit wenig Energiebedarf. Gegenüberstellung von Strom-energieverbrauch/-einsparung und Stromerzeugung.
6. Schallschutz / Akustik
Entwicklung von raumakustischen Anforderungen für die Lernbereiche / Lernlandschaften unter Be-rücksichtigung des Wegfalls der Türen.
7. Lichtplanung
Anpassung der Kunst-/Tageslichtplanung an die pädagogischen / architektonischen Konzepte.
Tageslichtkonzeptentwicklung bezüglich des Plusenergiekonzeptes.
Anpassung der Kunstlichtplanung und Kunstlichtsteuerung an das Plusenergiekonzept.
8. Brandschutz
Machbarkeitsstudie und Prüfung innovativer Grundrisskonzepte, insbesondere im Hinblick auf die Lern-landschaften. Untersuchung innovativer Konzepte der Haustechnik hinsichtlich des Brandschutzes. Eva-kuierungskonzepte erstellen.
9. Kostenberechnung
Kostentechnische Überprüfung der Baukonstruktionen in Kombination mit energetischen und bauökologischen Überprüfungen parallel zu den jeweiligen Entwicklungen um Kostensicherheit zu erzielen.
10.Lebenszykluskosten und Wirtschaftlichkeitsberechnung
Vor dem Hintergrund eines ganzheitlichen Ansatzes ist bei der Projektentwicklung auch zu berück-sichtigen, dass die Summe aus Kapital-, Betriebs- und Umweltfolgekosten über den gesamten Le-benszyklus des Gebäudes zu minimieren ist. Dies wird durch eine Wirtschaftlichkeitsberechnung sicher-gestellt.
11. Ökobilanz
12. Risikostoffe für die lokale Umwelt
Erarbeitung von Handlungsempfehlungen für die Materialwahl
13. Risikostoffe für die Innenraumhygiene
Erarbeitung von Handlungsempfehlungen für die Materialwahl und Baustoffwahl
14. Projektdokumentation
15. Projektbegleitung
Controlling in der Entwicklungs- / Planungsphase. Projektkoordination.
16. Integraler Planungsprozess
Die Forschungsziele werden definiert und zeitlich wie finanziell quantifiziert und qualifiziert.
Lösungsansätze werden unter Einhaltung der wirtschaftlichen und zeitlichen Zielvorgaben erarbeitet.
17. Einbindung Nutzer und Öffentlichkeit
18. Monitoring
Erstellung eines Monitoringkonzeptes für eine durchgehende Qualitätssicherung in allen Projektphasen.



Ergebnisse und Diskussion


Als Ergebnis der ersten Planungsphase kann festgehalten werden:
1. Die neue „pädagogische Architektur“ ist ohne relevante Mehrflächen gegenüber dem Standardprogramm umzusetzen.
2. Es wurden gekoppelte Lernlandschaften (Klassencluster) entwickelt. Um eine wirtschaftlichere Variante im Hinblick auf die Baukosten und dem Verhältnis NF/BRI zu erzielen wurde die dreigeschossige Bauweise gewählt. Vorteil dieser Lösung ist auch der geringere Grundverbrauch. Eine natürliche Belichtung der tiefen Lernlandschaften (Marktplätze) konnte erzielt werden. Durch die Optimierung der Hüllfläche und damit des umbauten Raums wurde eine deutliche Kostenreduktion erreicht. Eine Umsetzung despädagogischen Konzepts erfolgt auch in der Außenraumgestaltung (z.B. Werkterrassen).
3. Es wurden Qualitätssicherungsmaßnahmen anhand der DIN 68800 erarbeitet. Es wird kein Chemischer Holzschutz verwendet, alle Maßnahmen werden getroffen, dass durch geeignete Konstruktionen sowie geeignete Holzauswahl dieser nicht notwendig wird. Die Gebäudedichtigkeit wird den Anforderungen des Passivhauses gerecht, diese sind mit den heute bekannten Produkten und Standarddetaillösungen umsetzbar. Bei der Detaillierung wird besonders auf diesen Punkt Augenmerk gelegt, die Prüfung erfolgt über umfassende heute üblichen „Blowerdoor Tests“.
4. Allein unter Ausnutzung der dafür bereitgestellten Dachflächen kann der Plusenergiestandard gemäß der projektspezifischen strengen Definition erreicht werden kann. Es wurde ein energetisches Pflicht-enheft für den weiteren Planungsprozess erarbeitet.
5. Aus dem Variantenvergleich wurde die Variante (Pelletkessel, indirekte adiabate Kühlung, Kompressions?Kältemaschine) zur weiteren Planung ausgewählt. Dies begründet sich durch einer im Vergleich
relativ niedrigen jährlichen Vergleichskosten, die niedrigsten CO²Emissionen und dem geringsten Pri-märenergiebedarf von allen Varianten.
6. Zum Erreichen der raumakustischen Anforderungen sind im Vergleich zu üblichen Klassenräumen insbesondere die schallabsorbierenden Verkleidungen zu vergrößern.
7. Das Ziel der Tageslichtversorgung der inneren Bereiche des Gebäudes wird durch die Ausbildung der Oberlichtöffnungen grundsätzlich erreicht.
Der Einsatz von intelligenten Tageslichtsystemen ist für alle Tageslichtöffnungen aufgrund der hohen G?Wert Anforderungen notwendig. Neben einer ergonomischen Benutzung der Räume für alle Wetter-lagen und Sonnenstände stellen sie eine Begrenzung des Strahlungswärmeeintrages sicher. Die Ober-lichter und der Lichthof werden mit Mikrosonnenschutzraster im Glaszwischenraum des 3fach?Isolierglasverbundes ausgestattet, welches direkte Sonneneinstrahlung verhindert und gleichzeitig diffuses Tageslicht in den Raum lässt.
Bei der Kunstlichtplanung werden anstatt von Kompakt?Leuchtstofflampen oder Halogen?Glühlampen
LED-Leuchtmittel in den korrekten Lichtfarben verwendet. Dies bietet das größte Energieeinsparungspotential und ist wartungstechnisch als sehr positiv einzuordnen.
8. Anhand von geeigneten Kompensationsmaßnahmen ist es auch für die geplante Holzbauweise mit offenen Lernlandschaften möglich, eine Gleichwertigkeit zu Standardlösungen auf der Grundlage des Musterkonzeptes der Bauordnungen sowie der Schulbaurichtlinien zu erzielen. Zu den Hauptschwerpunkten gehören hierbei ein geeignetes Konzept für eine Brandfrüherkennung, eine Sicherung der Rettungswege, eine ausreichende Bereitstellung von Rettungswege sowie eine effektive Entrauchung von Hallenbereichen.
9. Es hat sich gezeigt, dass bei einer frühzeitigen Abschätzung der Kosten noch ohne großen Mehraufwand die Planung überarbeitet und im Hinblick auf die gesamte Wirtschaftlichkeit optimiert werden kann.
10. Die ganzheitliche Lebenszyklusbetrachtung weist einen geringen Vorteil zugunsten der Variante Plus-energieschule mit offenem Lernkonzept auf. Bei einer dynamisierten Berechnung mit einer Steigerung der Baupreise und Energiekosten, steigt der Vorteil über den Betrachtungszeitraum stark an.
11. Die ökologische Sinnhaftigkeit von Holzbauten ist unumstritten. Beim Neubau des Gymnasiums Diedorf führt die Primärkonstruktion in Holz führt zu ca. 30 % geringeren Werten. Entlastungen durch die Alternative Plusenergieschule von bis zu 220% ?300% sind überzeugende Ergebnisse.
12. Die Materialwahl Schaumglas ist begründet durch die Vermeidung von Risikostoffen, die in synthetischen Bauprodukten enthalten sind. Die Dämmdicke muss wegen des schlechteren Lambda? Wertes
erhöht werden.
13. Im Rahmen der weiteren Planung werden weitere Handlungsempfehlungen für die Innenraum –Materialwahl und Baustoffwahl erarbeitet. Insbesondere eine detaillierte Leistungsbeschreibung in der Ausschreibung sollen Risikostoffe für Innenraumhygiene vermeiden.
14. Durch die Dokumentation des Projektes kann eine Informationsweitergabe an andere Bauherren erfolgen. Insbesondere auch im Hinblick auf vergaberechtliche Aspekte und den Integralen Planungsprozess können Erfahrungen zur Evaluierung beitragen.
15. Im gesamten Planungsprozess werden im Vorentwurf und im Entwurf „Optimierungsphasen“ eingeführt, um dem Bauherrn, den Nutzern und allen Planern ausreichend Gelegenheit für eine Optimierung des Entwurfs hinsichtlich Energieeffizienz, Funktionalität und Nachhaltigkeit unter Berücksichtigung der Lebenszykluskosten zu verschaffen. Die Optimierungsschritte wurden in Planungsteambesprechungen wahrgenommen.
16. Im Planungsprozess ist es von entscheidender Bedeutung, die Zielkriterien, deren Indikatoren, die Beschreibung der Anforderungen und die Nachweismethoden frühzeitig zu definieren und fortzuschreiben. Dies ist eine wichtige Planungshilfe, die es ermöglicht frühzeitig die qualitativen und quantitativen Vorteile des entwickelten Planungskonzeptes im Hinblick auf die Zielstellungen zu konkretisieren und abzubilden.
17. Aus Sicht der Schulgemeinschaft sind die Ideen und Wünsche der Nutzer in geradezu optimaler Weise in den bisherigen Planungsprozess eingeflossen. Am Anfang stand die Erarbeitung eines Raumkonzepts durch die Schulgemeinschaft, in das Ideen von Schülern, Eltern und Lehrkräften eingeflossen sind.
Die Gremien des Kreistags, insbesondere der Bau-, Umwelt- und Energieausschuss haben sich in öffentlicher Sitzung umfassend mit der Planung befasst. Eine Information der Öffentlichkeit ist über die Zeitung erfolgt. Für die Eltern der Schüler und die Lehrer sind im Anschluss an die öffentliche Behandlung eigene Informationsveranstaltungen durchgeführt worden.
18. Das vorhandene Messtechnikkonzept wird laufend an den aktuellen Planstand angepasst, dies betrifft insbesondere die Zentralen Anlagen der Haustechnik. Im Planungsprozess ist die ergänzende Messtechnik in das Konzept der GLT und MSR einzubinden. Die zusätzliche Monitoring?MSR unterliegt somit synchron den Phasen Planung, Umsetzung, Inbetriebnahme und Mängelbeseitigung.



Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Die Gremien des Kreistags, insbesondere der Bau-, Umwelt- und Energieausschuss werden sich auch weiter hin in öffentlicher Sitzung umfassend mit der Planung befassen. Schulleiter wie Lehrer sollen in den laufenden Planungsprozess mit eingebunden werden und auch bei Jour Fixe Terminen mit anwesend sein. Über den Fortgang der Planungen und den Bauprozess soll die Öffentlichkeit fortlaufend über die Homepage des Gymnasiums unterrichtet werden. Für die nächsten zwei Jahre werden mehrere fachspezifische und fächerübergreifende Veranstaltungen für die Lehrkräfte geplant. Besuche bei Schulen, in denen bereits in offenen Lernlandschaften gearbeitet wird, sind vorgesehen. Damit kann ein kollegialer Austausch über Chancen und alltägliche Schwierigkeiten im Umgang mit dem Konzept stattfinden. Gleichzeitig wurden bereits verpflichtend in jeder Jahrgangsstufe in allen Kernfächern Lehrerteams gebildet, die gemeinsame Prüfungsaufgaben entwerfen und gemeinsam an ihrer Unterrichtskultur arbeiten. Soweit dies in der derzeitigen Architektur der Containerlandschaft möglich ist, versucht die Lehrerschaft bereits jetzt offene Unterrichtsformen einzusetzen, um so auch die Schüler schrittweise auf das Jahr 2015/16 vorzubereiten. Ergänzend ist die Projektdokumentation als Broschüre, in diversen Fachartikeln und parallel im Internet vorgesehen. Ein Symposium zum Thema Schulbau soll im fertigen Objekt mit Besichtigung, alternativ mit Baustellenbesichtigung geplant werden. Darüber hinaus soll die Verbreitung der Forschungsergebnisse als Fachbuch erfolgen.


Fazit

Die Entscheidungen zu Beginn eines Planungsprozesses haben besonders hohe Auswirkungen auf das Gelingen des Projektes. Bereits bei den ersten Planungsschritten, die Zusammenarbeit in einem interdisziplinären Planungsteam zu beginnen, hat sich aus Sicht des Landkreises Augsburg als sehr positiv bewährt. Der Integrale Planungsprozess, wie er beim Neubau des Gymnasiums Diedorf praktiziert wurde, stellt einen Lösungsweg für die Verwirklichung komplexer Planungsaufgaben dar. Durch bereichsübergreifende Gesamtplanungen können synergieorientierte Konzepte für Lebens? und Arbeitsräume geschaffen werden, bei denen die Gesichtspunkte Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit eine zentrale Rolle spielen. Bei dem Projekt Neubau des Gymnasiums Diedorf hat sich gezeigt, dass gerade die gemeinsamen technischen Workshops bzw. Planertreffen zum besseren Verstehen der Planungsaufgabe und der einzelnen fachplanerischen Lösungsansätze beigetragen haben. Es wurde hierdurch ein bereichsübergreifendes Konzept zur Verwirklichung der Zieldefinitionen erarbeitet.

Übersicht

Fördersumme

125.000,00 €

Förderzeitraum

10.04.2012 - 09.09.2012

Bundesland

Bayern

Schlagwörter

Klimaschutz
Ressourcenschonung
Umweltforschung
Umweltkommunikation
Umwelttechnik