Projekt 26540/01

Sicherung wirtschaftlicher Nutzung von Feuchtgrünlandstandorten unter Berücksichtigung der Sporenpflanze Sumpfschachtelhalm

Projektträger

Landwirtschaftskammer Niedersachsen Fachbereich 3.1.5 Grünland und Futterbau
Johannssenstr. 10
30159 Hannover
Telefon: 0511/3665-1384

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

In einigen extensiv bewirtschafteten Flächen des Bundeslandes Niedersachsen wurde seit 2006 zunehmendes Vorkommen der als giftig geltenden Sporenpflanze Sumpfschachtelhalm beobachtet. Die ansässigen Landwirte/Tierhalter bewirtschaften die betreffenden Flächen mit Rindern, z. T. auch Milchvieh sowie Schafen und Pferden. In Milchviehbetrieben kam es zu Leistungseinbußen nach Vorgabe des betreffenden Futters, so dass die Bewirtschaftung des für den Wiesenvogelschutz wichtigen Grünlandes in Frage gestellt wurde. Es sollten Verfahren der Eindämmung der Giftpflanze und Möglichkeiten alternativer Verwertungskonzepte untersucht werden, um übertragbare Empfehlungen für die zukünftige Grünlandnutzung auf extensiv genutztem Feuchtgrünland bei Vorkommen von Sumpfschachtelhalm zu erarbeiten.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenIdentifikation tiergesundheitlicher Risiken bei Aufnahme von Sumpfschachtelhalm (SSH).
Die Tierärztliche Hochschule Hannover untersuchte die Auswirkungen der Futterzugabe von getrocknetem und pulverisiertem SSH in verschiedenen Dosierungen bei Schafen, Rindern und Pferden.
Erarbeitung von Lösungsansätzen zur Minimierung gesundheitlicher Risiken für Nutztiere.
LWK und NLWKN untersuchten pflanzenbaulich technische Maßnahmen sowie die Wirkung unterschiedlicher Beweidungsdichte auf das Vorkommen bzw. die Eindämmung von SSH im Grünland.
Minderung des Risikopotenzials von Sumpfschachtelhalm bei Konservierung und Fütterung.
Konservierungsversuch von Grünlandaufwüchsen mit starkem SSH-Besatz, um den Einfluss der Zusatzstoffe (Silierhilfsstoffe) auf den Alkaloidgehalt (Palustrin) zu untersuchen.
Untersuchung energetischer Nutzungspotenziale entsprechender Grünlandaufwüchse.
Universität Rostock untersuchte den Einfluss des SSH auf die Vergärbarkeit von Grünlandaufwüchsen
Bewertung verschiedener Lösungsansätze in einem Monitoring auf Praxisflächen
Durchführung ausgewählter Maßnahmen aus der Erarbeitung von Lösungen zur Eindämmung des SSH


Ergebnisse und Diskussion

Aufgrund seiner Toxidität, die für verschiedene Nutztierarten nachgewiesen ist, ist der Sumpfschachtelhalm (Equisetum palustre; im Folgenden: SSH) bereits seit dem 1. Jhd. n. Chr. als ausgesprochene Problempflanze in der Grünlandwirtschaft bekannt (Zusammenfassung bei KÖHLER 1971). Die küstennahen Flussmarschen und Niedermoorgebiete Norddeutschlands stellten den Verbreitungsschwerpunkt in der BRD dar; in den ersten Jahrzehnten der Nachkriegszeit wurde gerade hier einer gezielten Bekämpfung des Duwock starke Beachtung geschenkt, wovon u.a. auch mehrere Dissertationen zu dieser Pflanzenart und ihrer Bekämpfung zeugen (VON KRIES 1962, KÖHLER 1971). Die in der Projektstudie vorgestellte detaillierte Erfassung der SSH-Bestände hat gezeigt, dass die Art mittlerweile wieder eine vielfach vorkommende Pflanzenart innerhalb des Grünlands feuchter Standorte in Teilen der Dümmerniederung sowie der Niederelbniederung ist. Die hier anzutreffende Nutzung der Aufwüchse durch Rinder-, Schaf- und Pferdebetriebe ist daher mit hohen tiergesundheitlichen und wirtschaftlichen Risiken verbunden. Das Weideverhalten und der Einfluss der Beweidung durch Wiederkäuer und Pferde waren in unseren Untersuchungen stark differenziert. Bei der Schafbeweidung wurden die Duwocktriebe durch selektives Fressen freigestellt, während Rinder ein wesentlich geringeres Selektionsvermögen aufwiesen und die besonders stark betroffenen Bereiche stärker gemieden wurden. Eindeutig undifferenziert nahmen Pferde den Duwock im Grünland auf und frassen eine mit 10-15 % Duwock besetzte Grünlandfläche scharf ab. Das Weideverhalten der Tiere spiegelt im Vergleich mit den im Projekt durchgeführten Untersuchungen der Tierärztlichen Hochschule Hannover die Anfälligkeit für eine mögliche, direkt durch den Sumpfschachtelhalm hervorgerufene Gesundheitsschädigung. Danach sind Pferde die idealen Weidetiere und möglicherweise auch geeignet kontaminiertes Grundfutter zu verwerten. Um das nicht gänzlich auszuschließende Risiko von langfristigen Grundfuttergaben mit Duwockanteilen an Pferde nochmals zu verringern, ist nach unseren Untersuchungen die Heubergung das Konservierungsverfahren, welches im Gegensatz zur Grassilage aufgrund von Bröckelverlusten deutlich geringere Alkaloidgehalte aufweist.
Die Wirkung flächenhafter oberirdischer Spritzungen, wie sie heute mit zugelassenen Herbiziden im Grünland möglich sind, war in unseren Untersuchungen mit 80 % zunächst gut. Die Wirkung war aber nicht nachhaltig. Von den untersuchten Verfahren zur Bekämpfung des Sumpfschachtelhalms hat sich das Unterschneidungsverfahren als effektiver und nachhaltiger herausgestellt, allerdings verbunden mit hohem Aufwand und vergleichsweise hohen Kosten von 120,- bis 200,- € je Hektar . Ein mehr oder weniger starker Ertragsrückgang infolge der Unterschneidung im Folgeaufwuchs (10-30 %), durch Wasserdefizite bedingt, ist ebenfalls möglich. Entscheidend für den nachhaltigen Erfolg der Maßnahme war die anschließende `scharfe Beweidung´ durch Wiederkäuer; hierdurch wurde ein wesentlicher Wiederaustrieb während der gesamten Nutzungsdauer vermieden und der pflegende Einfluss der Intensivbeweidung wirkte sich zusätzlich positiv auf die Grasnarbenbildung aus. Profilgrabungen und Rhizombeobachtungen ergaben jedoch, dass 3 Monate nach einmaliger Unterschneidung (2010) keine Erschöpfung des SSH zu erwarten ist. Oberirdisch und oberhalb des Schnitthorizontes stellte sich eine Art Wachstumsstillstand ein. Ein Absterben der Rhizome konnte nach drei Monaten aber nicht beobachtet werden. Der Nachwuchs erfolgte dagegen aus den Nodien der Vertikalrhizome direkt unterhalb der Schnittlinie. Vor diesem Hintergrund ist es ratsam Nutzungsstrategien zu finden, die mit dem SSH-Auftreten dauerhaft vereinbar sind. Eine nachhaltige Bekämpfung im Sinne des Naturschutzes scheint dagegen aussichtslos.

Sollten die klassischen Verwertungspfade für Dauergrünland in der Fütterung auf Grund von hohen Sumpfschachtelhalmvorkommen nicht in Frage kommen, ist die Vergärung der Aufwüchse zur Methan-gewinnung ein geeignetes Verwertungsszenario. Dem Nachteil relativ hoher Siliziumgehalte der Schachtelhalmarten steht der Vorteil vergleichsweise geringer Rohfasergehalte und damit hoher Methanausbeu-ten der organischen TM gegenüber. Da die Gattung Equisetaceae ihre Standfestigkeit physiologisch stärker als Gramineen über Zellwandverkieselung als über Lignifizierung realisiert, erscheint der Einsatz stark Duwock-haltiger Aufwüchse in den klassischen Nassvergärungsanlagen als sinnvollste Option. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die entsprechenden Anlagen für den Halmguteinsatz optimiert sind. Bei hohen Anteilen von Gramineen in der Begleitvegetation und naturschutzfachlich notwendigen späten Pflegeschnitten ist hingegen dem Verfahren der Feststofffermentation der Vorzug zu geben, wobei auf eine Substrat-angepasste Perkolationsführung besonderer Wert zu legen ist.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

HÜNSCHE, K., WOLF, P., BAUMGÄRTNER, W., LANGE, G., KAMPHUES, J. (2009)
Experimental studies on the toxicity of dried marsh horsetail (Equisetum palustre) in sheep and horses
Proc. 13th Congress of the ESVCN, 15.-17. Ocotober 2009, Oristano, Sardinia (Italy)

HÜNSCHE, K., WOLF, P., LANGE, G., KAMPHUES, J. (2010)
Experimentelle Studien über Auswirkungen von getrocknetem Sumpfschachtelhalm (Equisetum palustre) im Futter von Pferden
21. Tagung der DVG, Fachgruppe Pferdekrankheiten, 12.-13. März 2010

HÜNSCHE, K., WOLF, P., LANGE, G., KAMPHUES, J. (2010)
Investigations on adverse effects of feeding dried marsh horsetail (Equisetum palustre) an Wiederkäuer und Pferde
Proc. Soc. Nutr. Physiol. 19, 150

HÜNSCHE, K. (2010)
Untersuchungen zu möglichen Schadwirkungen einer Kontamination von Grundfutter mit getrocknetem Sumpfschachtelhalm (Equisetum palustre) bei Wiederkäuern und Ponys
Diss. med. vet., Hannover

JANTZEN, CHRISTIAN (2010)
Zur Eignung von Grünlandaufwüchsen mit dem Bestandesbildner Equisetum palustre für Verfahren der Biomethanisierung. Masterarbeit im Studiengang Agrarökologie, Universität Rostock, 2010

LANGE, GERD (2011)
Einfluss des Konservierungsverfahrens auf den Palustringehalt im Grundfutter von Grünland mit hohem Anteil Sumpfschachtelham (Equisetum palustre) - Posterbeitrag, 29.-31. August 2011, Arbeitsgemein-schaft Grünland und Futterbau (AGGF) in Oldenburg.
LANGE, GERD (2011)
Maßnahmen zur Eindämmung der Sporenpflanze Sumpfschachtelhalm (Equisetum palustre) auf wech-selfeuchtem Wirtschaftsgrünland - Posterbeitrag, 29.-31. August 2011, Arbeitsgemeinschaft Grünland und Futterbau (AGGF) in Oldenburg.
LANGE, GERD (2012)
Superunkraut Sumpfschachtelhalm, Fachartikel in top agrar 5/2012, S. 84-89.
MÜLLER, JÜRGEN (2009)
Analyse von Umweltauswirkungen des Anbaus von Bioenergiepflanzen - Untersuchungen zur Substrateignung von Grünlandaufwüchsen. Posterbeitrag, 04.02.2009, Güstrow (Organisation: Umweltbildungszentrum)

MÜLLER, JÜRGEN; WIEDOW, DENNY; JANTZEN, CHRISTIAN; DITTMANN, LISA (2012)
Eignung von Grünlandaufwüchsen mit dem Bestandesbildner Equisetum palustre L. für Verfahren der Biomethanisierung. In: Mitteilungen der Arbeitsgemeinschaft Grünland und Futterbau (13), S. 129-133

Regelmäßige Vortragstätigkeiten ermöglichen die Verbreitung der Erkenntnisse in der Landwirtschaft (LWK), bei Tierärzten (Tierärztliche Hochschule) und in sonstigen Wissenschaften (Uni Rostock).


Fazit

Feuchtgrünland wird, ausgenommen Hochmoorstandorte, auch weiterhin vom Sumpfschachtelhalm besiedelt werden, zumal bei extensiver Nutzung. Die Möglichkeit, Sumpfschachtelhalm gezielt durch Verfütterung an Pferde zu nutzen, ist nach den Ergebnissen der Projektstudie realistisch. Aufgrund der relativ kurzen Fütterungszeiträume in den Untersuchungen kann eine langfristig nachteilige Wirkung, etwa durch den Einfluss des enthaltenen Thiaminase-Enzyms, aber nicht ausgeschlossen werden. Zur Abklärung dieses Sachverhaltes werden detaillierte Langzeitstudien empfohlen, die auch die Möglichkeiten einer Langzeitschädigung durch Verfütterung des Sumpfschachtelhalms untersuchen.

In den Untersuchungen der Landwirtschaftskammer Niedersachsen wurde die traditionelle Heuwerbung als geeignete Methode herausgestellt, den Duwockanteil und damit den Alkaloidgehalt stark belasteter Grünlandaufwüchse durch Bröckelverluste auf ein geringes und möglicherweise erträgliches Maß zu reduzieren.

Für die Weidenutzung kann der Einsatz von Unterschneidegeräten im zeitigen Frühjahr empfohlen werden, um den Duwock in der aktuellen Vegetationsperiode effektiv zurückzudrängen. In Verbindung mit intensiver Besatzdichte und bei ausreichender Düngung ist ein guter Bekämpfungserfolg gegeben.
Ob der relativ aufwändige Einsatz der Geräte wirtschaftlich lohnend ist, hängt von den speziellen Einsatzbedingungen ab. Die Grenzen des Einsatzes sind einerseits wirtschaftlich begründet, andererseits sind bestimmte standörtliche Gegebenheiten auszuschließen. Ebene Flächen ohne störende Fremdkörper (Obstbaum o. a. Wurzelstubben, Leitungstrassen, Findlinge u. ä.) sind am besten geeignet Der Einsatz wird sich daher in der Regel auf Flächen der öffentlichen Hand beschränken.

Direkte und nachhaltige Folgen der Bewirtschaftungsmaßnahme Unterschneidung auf die Begleitvegetation wurden nach 2 Einsatzjahren und dreimaliger Beobachtung von Dauerquadraten nicht festgestellt. Wesentliche Verschiebungen der Artenzusammensetzung fanden nicht statt, allerdings wurden auch keine besonders schützenswerten Pflanzengesellschaften untersucht.

In Feuchtgrünland steht evtl. der Wiesenvogelschutz dem optimierten Einsatz der Maßnahmen Unterschneidung und Intensivbeweidung im Frühjahr entgegen. Es ist daher im Einzelfall zu entscheiden und bei Bedarf zu kontrollieren, ob die betreffenden Flächen durch Limikolen frequentiert werden.

Die grundsätzliche Eignung der Sumpfschachtelhalmaufwüchse für die energetische Nutzung wurde hinreichend durch die Universität Rostock geprüft und dokumentiert. Die Untersuchung zeigt, dass bei der Verwendung von stark mit Duwock besetzten Feuchtgrünland-Aufwüchsen für die Biogaserzeugung keine negativen Effekte auf das Prozessgeschehen durch den sekundären Inhaltsstoff ‚Palustrin zu befürchten sind. Das Palustrin wird im Zuge der Methanogenese weitgehend abgebaut.

Das Projekt zeigt die Möglichkeiten und Grenzen der Verwendung und Bewirtschaftung von Feuchtgrünlandflächen mit hohen Bestandsanteilen Sumpfschachtelhalm (Equisetum palustre) in der Vegetation auf. Die angewandten Methoden der Verdrängung müssten durch eine allgemeine Intensivierung der Bewirtschaftung unterstützt werden, um langfristig mit Wiederkäuern verwertet werden zu können. Eine wirtschaftliche Nutzung ist unter den Vorgaben einer naturschutzverträglichen Bewirtschaftung auch nach unseren Projektstudien nur eingeschränkt möglich. Wasseranstau und vernachlässigte Vorflut stehen in Verbindung mit eingeschränkter Düngung, später Mahd und/oder extensiver Weidehaltung dem Interesse einer nachhaltigen Verdrängung des Sumpfschachtelhalms grundsätzlich entgegen und sollten in den betreffenden Gebieten entsprechend flexibel gehandhabt werden, um im Einzelfall Verbesserungen durch die aufgezeigten Methoden zu ermöglichen.
Die alternative Nutzung der Aufwüchse durch Vergärung in Biogasanlagen kann zukünftig auf stark betroffenen Flächen wirtschaftlich interessanter sein als eine Nutzung für Grundfutter.

Übersicht

Fördersumme

124.943,00 €

Förderzeitraum

01.12.2008 - 31.08.2011

Bundesland

Niedersachsen

Schlagwörter

Landnutzung
Naturschutz