Projekt 26386/01

Das Denkmal als Lebensraum: Sanierung einer denkmalgeschützten, anthropogen umweltgeschädigten Gräfte als Ausgangspunkt für die Bewahrung der Biodiversität der Auengewässer (FFH-Gebiet)

Projektträger

Kongregation der Franziskanerinnen zu Thuine e. V.
Gut Sutthausen 1
49082 Osnabrück
Telefon: 0541/990040

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Ziel ist die Entwicklung eines modellhaften Handlungsansatzes zur nachhaltigen Sanierung historisch wertvoller wassergeprägter Baudenkmäler unter Berücksichtigung des aktuellen Standes anwendungs-orientierter ökologischer Forschung zur Sicherung und Entwicklung von floristisch / faunistisch bedeut-samen Natursteinmauern sowie wertvoller Ersatzlebensräume für auengewässertypische Organismen.
Für das Modellvorhaben wurde die Gräfte (Grabenanlage) am Gut Sutthausen bei Osnabrück gewählt, da hier die besondere Konstellation der auf relativ kleinem Raum vielfältig differenzierten Land-, Wasser- und Übergangslebensraumtypen bei der Umsetzung eines entsprechend ausgerichteten Sanierungskonzeptes erhebliche naturschutzfachliche Entwicklungspotentiale eröffnet: So bestehen im Bereich der Gräfte gute Voraussetzungen für eine nachhaltige Ansiedlung gefährdeter und vom Aussterben bedrohter Fischarten der Auengewässer. Aber auch schon heute besitzt die Gräfte einen hohen naturschutz-fachlichen Wert als Lebensraum für seltene und gefährdete Tier- und Pflanzenarten.
Dass die Gräfte teilweise umfassende Mauerwerk ist in wesentlichen Teilen sanierungsbedürftig. Infolge physikalischer und chemischer Verwitterungsprozesse haben sich an der wasserseitigen Basis der Mauern vielerorts deutlich sichtbare Schäden ergeben. Das oberhalb der Wasserlinie gelegene Mauerwerk ist durch gewässerseitig auswachsende Gehölze und landseitig eingedrungenes Wurzelwerk von Bäumen vielerorts geschädigt. Durch fortgesetzten Eintrag von Laub und infolge hoher interner Primärproduktion weist die Gräfte zudem in weiten Bereichen ihrer Sohle starke Verschlammungen auf. Seit einigen Jahren fällt sie deshalb im Sommer partiell auch trocken.
Nach erfolgreicher Ansiedlung auengewässertypischer Fischarten in der sanierten Gräfte sollen zukünftig bei hinreichender Reproduktion Teile der Fischpopulationen entnommen werden, um in der Region künstliche Gewässer, insbesondere Rückhaltebecken, bei entsprechender Eignung mit gefährdeten und vom Aussterben bedrohten auengewässertypischen Fischarten zu besiedeln.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenVor Beginn der Sanierungs- und Entwicklungsprojektes wurden Anwohnerbefragungen, Auswertungen bestehender Kataster und ergänzende Untersuchungen zu Vorkommen von seltenen, gefährdeten und besonders geschützten Arten, Pflanzengesellschaften und Lebensraumtypen durchgeführt. Auf der Basis dieser Daten wurden Bereiche abgegrenzt, die für den Naturschutz von besonderem Wert sind und deshalb nicht durch Sanierungsarbeiten beeinträchtigt werden dürfen. Durch ein Raster von Rammkernsondierungen wurde das Ausmaß der Verschlammung der Gräfte bestimmt. Das dabei gewonnene Probenmaterial wurde auf Belastungen durch Schwermetalle hin untersucht.
Aufgrund der Befunde war es erforderlich, in der Gräfte zwei leicht schwermetallbelastete Teilbereiche abzugrenzen und gesondert zu behandeln. Auf Basis dieser Daten wurde ein Maßnahmenkonzept ent-wickelt, das die Sanierungsmaßnahmen und die zeitliche Abfolge der Arbeiten festlegte.
Vor Beginn der Sanierungsarbeiten wurde aus der Gräfte der gesamte Fischbestand entnommen. Dies erfolgte bei stark abgesenktem Wasserstand mittels Elektrobefischung. Im Anschluss hieran wurden aus der vollständig abgelassenen Gräfte auch die dort vorhandenen Großmuscheln geborgen. Auengewässertypische Fische und Großmuscheln wurden zwischengehältert, um sie nach dem Abschluss der Sanierung wieder in die Gräfte zurück zu setzen. Eurytop verbreitet vorkommende autochthone Fischarten wurden in die benachbarte Düte verbracht. Nicht autochthone Fische wurden einer tierschutzgerechten Verwertung zugeführt. Aus dem ummauerten nördlichen Teil der Gräfte wurden zudem Schwimmblattpflanzen der Art Nuphar lutea entnommen und zwischengehältert, um nach Abschluss der Sanierung auch im südlichen Teil der Gräfte Bestände dieser den Wasserkörper strukturierenden Art anzusiedeln.
Die Entschlammung der Gräfte erfolgte nach einer mehrwöchigen Entwässerungsphase mit Kettenbaggern. Der leicht schwermetallbelastete Schlamm verblieb in der Gräfte. Im nördlichen Becken der Gräfte blieb die Schwimmblattpflanzendecke im Bereich des dort nicht geräumten Z1-Schlammes unangetastet erhalten. Der nicht belastete Schlamm wurde zur Düngung und Bodenverbesserung auf Ackerflächen der näheren Umgebung ausgebracht. Die Mauersanierung erfolgte in Abschnitten nach Einweisung der Maurer und unter Begleitung durch einen Landschaftsarchitekten. Soweit möglich wurden bei den Arbeiten Vorkommen von Arten schutzwürdiger Mauerritzengesellschaften sowie mögliche Brutnischen ge-wässerorientiert lebender Vögel erhalten.
Nach Abschluss der Mauersanierungsarbeiten wurde die Gräfte wieder mit Wasser befüllt. Nach einer Standzeit von vier Wochen wurden die zwischenzeitlich gehälterten auengewässertypischen Fische und Großmuscheln in die Gräfte zurück überführt. Der Hauptbesatz erfolgte im Frühjahr 2011. Im Oktober 2011 wurde ein erstes Monitoring zur Entwicklung der Fischbestände in der Gräfte durchgeführt. Zum Einsatz kamen dabei Kleinfischtrichterreusen und Flügelreusen.


Ergebnisse und Diskussion

Die Ufer der Gräfte beherbergten vor der Sanierung sowohl in den ummauerten als auch in den nicht ummauerten Teilen naturschutzfachlich wertvolle Vorkommen von Pflanzenarten, Pflanzengesellschaften und Lebensraumtypen. Der Wasserkörper des vollständig ummauerten nördlichen Teils der Gräfte war zudem weitflächig geprägt von einer wertvollen Schwimmblattpflanzendecke (Nuphar lutea). Diese Vorkommen konnten im Rahmen der Sanierung oft ohne wesentliche Beeinträchtigung gesichert werden. Die vorher nur im nördlichen Becken vorkommenden Schwimmblattpflanzen kommen nach der Sanierung auch im südlichen Becken langsam strukturbildend zur Entfaltung.
Der Fischbestand der Gräfte bestand vor der Sanierung von der Individuenzahl her zu etwa 90% und von der Biomasse her zu über 99% aus Fischen allochthoner Arten aus dem asiatischen Raum (Giebel, Graskarpfen, Silberkarpfen und Spiegelkarpfen). Großmuscheln waren vor der Sanierung in der Gräften kaum mehr vorhanden. Nach dem Neubesatz der Gräfte mit vier autochthonen auengewässertypischen Fischarten und Aufstockung der Großmuschelbestände wurde beim ersten Monitoring im Oktober 2011 bei den Arten Bitterling, Moderlieschen und Rotfeder erfolgreiche Fortpflanzung festgestellt. Bei der vierten, in die Gräfte neu eingesetzten Art Karausche konnte noch keine Reproduktion registriert werden. Aufgrund der im Frühjahr 2011 eingesetzten Altersklassen ist für diese Art mit Fortpflanzung erst ab 2012 zu rechnen. Bei dem Monitoring wurden drei weitere Fischarten nachgewiesen. Es handelte sich um die autochthonen Arten Gründling und Dreistachliger Stichling sowie um die allochthone Art Giebel. Es ist davon auszugehen, dass alle drei Arten zukünftig in der Gräfte reproduzieren werden. In Bezug auf die Arten Dreistachliger Stichling und Gründling erscheint dies nicht problematisch. Dem erneuten Auftreten des Giebels in der Gräfte ist jedoch höchste Aufmerksamkeit zu widmen, da diese invasive Art bereits zuvor in der Gräfte zur Massenentwicklung neigte und insbesondere für die neu in die Gräfte ausgebrachte Art Karausche eine problematische Konkurrenz darstellt.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Über die Ziele des Projektes sowie den Fortgang und den erfolgreichen Abschluss der Sanierungsarbeiten wurde in der Neuen Osnabrücker Zeitung und im Lokalradio berichtet. Abschließend wurden zu dem Projekt drei Informationstafeln für Besucher des Gutes entworfen und an geeigneter Stelle nahe der Gräfte aufgestellt. Über die Ergebnisse des fortlaufenden Monitorings zur Entwicklung der Fischbestände in der Gräfte sowie über Ansiedlungsversuche und Ansiedlungserfolge mit gefährdeten auengewässertypischen Fischarten in städtischen Rückhaltebecken soll zukünftig in den vierteljährlich erscheinenden NWA-Nachrichten regelmäßig berichtet werden. Über Versuche und Erfolge der Besiedlung städtischer Rückhaltebecken mit gefährdeten auengewässertypischen Fischarten soll zudem auch im Magazin hier der Stadtwerke, das an alle Osnabrücker Haushalte kostenfrei verteilt wird, und darüber hinaus auch in der Neuen Osnabrücker Zeitung berichtet werden. Auch lokale oder sogar regionale Radio- und Fernsehsender sollen im Rahmen der Fortführung des Projekts zur Berichterstattung aufgefordert werden. Nach mehrjähriger Laufzeit des Monitorings zur Entwicklung des Fischbestandes der Gräfte sollen die Ergebnisse auch zusammenfassend in der Fachpresse veröffentlicht werden. Ansiedlungsversuche und erfolgreiche Ansiedlungen von gefährdeten Fischarten in städtischen Rückhaltebecken sollen ebenfalls wissenschaftlich dokumentiert und in der Fachpresse publiziert werden.
Auf Anregung der DBU wurden die bisherigen Projektergebnisse für national zugängliche Datenbanken aufbereitet und zur Veröffentlichung bereitgestellt. Hierzu zählt das Fraunhofer-Informationszentrum Raum und Bau (IRB), Stuttgart, sowie das Hornemann Institut - Zentrum für die Erhaltung des Weltkulturerbes, Hildesheim.


Fazit

Die Entschlammung der Gräfte und die Sanierung der zugehörigen Ufermauern konnten im Einklang der Interessen von Denkmal- und Naturschutz durchgeführt werden.
Die Authentizität der Ufermauern wurde erhalten, indem bei erforderlichem Steinersatz ein bauwerkstypischer Naturstein und ein bauwerkstypischer Trass-Kalkmörtel zum Einsatz kamen.
Die für den Naturschutz bedeutsamen Vorkommen von Arten, Pflanzengesellschaften und Lebens- raumtypen konnten für den Standort nachhaltig gesichert werden. Neben allgemein oder regional seltenen Arten betrifft dies auch FFH-Arten und -Lebensraumtypen der Gewässer, der Ufer und der Auen.
Durch Entfernung der nicht autochthonen Fischarten aus der Gräfte und durch ergänzenden bzw. Neubesatz mit gefährdeten auengewässertypischen Fischarten und Großmuscheln konnte für das ökologi-sche System der Düte ein Beitrag zur Förderung der Entwicklung einer naturgemäßeren Biodiversität geleistet werden. Im Rahmen eines ersten Monitorings wurde bereits erfolgreiche Reproduktion bei den auengewässertypischen Fischarten Bitterling, Moderlieschen und Rotfeder festgestellt. Im Rahmen der zukünftigen Bewirtschaftung des Gewässers ist das unerwartete Wiederauftauchen des Giebels in der Gräfte kritisch zu beobachten.
Wann und in welchem Umfang in den nächsten Jahren Rückhaltebecken der Stadt Osnabrück mit gefährdeten auengewässertypischen Fischarten aus der Gräfte besiedelt werden können, wird sich erst in den kommenden Jahren zeigen. Neben hinreichenden Reproduktionsüberschüssen in der Gräfte wird hier die Bereitschaft der Kooperationspartner Stadtwerke Osnabrück und Niedersächsisch-Westfälischer Anglervereinigung e. V. zu langfristiger vertrauensvoller Zusammenarbeit für den Erfolg entscheidend sein. Es erscheint sinnvoll, dass die städtische Naturschutzverwaltung bei dieser Zusammenarbeit moderierend und koordinierend Verantwortung übernimmt.
Der aus der Gräfte entnommene, nicht relevant belastete Schlamm konnte zur Bodenverbesserung und Düngung im näheren Umfeld der Gräfte auf landwirtschaftlichen Flächen ausgebracht werden.

Übersicht

Fördersumme

124.926,00 €

Förderzeitraum

08.06.2009 - 31.12.2011

Bundesland

Niedersachsen

Schlagwörter

Naturschutz
Ressourcenschonung
Umwelttechnik