Projekt 26179/01

Erprobung und Entwicklung eines praxistauglichen Verfahrens zum Monitoring von Großsäugern in Waldgebieten mittels innovativer simultaner, luftgestützter Infrarot- und Echtbild-Aufnahmen

Projektträger

Ingenieurbüro aerosense
Auf dem Gries 1
67280 Eberbach
Telefon: 06359 / 2098541

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Bestandszahlen und die Kenntnis über die räumliche und zeitliche Verteilung von Wildtieren sind bei der Integration von Naturschutzzielen in Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Jagd, im Straßenneubau und der Siedlungsentwicklung, sowie beim Schutzgebietsmanagement unabdingbar. Aber auch direkte ökonomische Gesichtspunkte wie die Verbiss- und Schälproblematik in der Forstwirtschaft, die Schäden in der Landwirtschaft durch Wildschweine, sowie die Seuchenbekämpfung (Schweinepest) erfordern dringend verlässliche Bestandszahlen. Ziel ist die Entwicklung und Einführung eines praxistauglichen, luftgestützten Monitoringsystems für Wildtiere, v. a. Huftiere, in Waldgebieten mittels innovativer Kopplung von simultanen Infrarotaufnahmen (IR) und visuellen Aufnahmen (VIS). Sie soll zuverlässig, bearbeiterunabhängig, nachvollziehbar, reproduzierbar, praktikabel, kostengünstig und flexibel einsetzbar sein.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenDie Befliegungen sollen mit einem kostengünstigen, störungsarmen Leichtflugzeug durchgeführt werden. Das Flugzeug ist mit GPS Navigation ausgerüstet, was das genaue Abfliegen von vorher geplanten Transekten (Flugrouten) ermöglicht. Weiterhin werden die Kameras über ein onboard Computersystem so angesteuert, dass bei der Messung einer einstellbaren Schwellenwerttemperatur (Tierdetektion) durch die IR Kamera, ein hochaufgelöstes visuelles Bild ausgelöst wird. Mit diesem soll eine artspezifische An-sprache des Tieres ermöglicht werden. Wichtige Parameter wie Befliegungszeitraum, Flughöhe/Bildfeldbreite, Schwellenwerttemperatur und Beleuchtung sollen in Testflügen erprobt werden. Weiterhin wird in einem Experiment die Entdeckungswahrscheinlichkeit in Abhängigkeit des Abdeckungsgrades ermittelt. In den Nationalparken Bayerischer Wald, Hainich, Kellerwald-Edersee sowie dem Naturpark Pfälzer Wald sollen Bestandszahlen von Huftieren mittels Transektbefliegungen ermittelt werden. Mit Hilfe der Transektlängen und der Bildfeldbreiten können die bei einer Befliegung detektierten Tiere auf eine Fläche bezogen werden. Mit der Entdeckungswahrscheinlichkeit soll dann der tatsächliche Be-stand bestimmt werden. Die erfassten Daten für die einzelnen Schutzgebiete sollen abschließend mit anderen vorhandenen Monitoringdaten (Scheinwerfertaxation, Streckenrückrechnung) verglichen werden.


Ergebnisse und Diskussion

Die ursprünglich geplante Anzahl von insgesamt 36 Flügen entlang von Transekten wurde mit 46 Flügen deutlich erhöht. Je nach Dauer des Fluges, Windverhältnissen und der von der Flughöhe über Grund abhängigen Bildfeldbreite wurden Flächen zwischen 825 ha und 2.460 ha nach Huftieren abgesucht. Je nach Untersuchungsgebiet und Befliegungsbedingungen wurden zwischen 6 und 232 Huftiere pro Flug gezählt. Die daraus ermittelten minimalen Schalenwilddichten liegen zwischen 0,3 und 19,7 Tiere/100ha. Es wurden vor allem Rothirsche, Damhirsche, Wildschweine und Rehe erfasst. Die Monitoringmethode funktioniert für viele Habitate besonders gut für Rothirsch und Damhirsch. Dagegen sind Rehe auf Grund Ihrer kleineren Körpergröße, aber wohl vor allem wegen ihrer solitären und versteckten Lebensweise schwer zu zählen. Zumindest in Waldgebieten können wir diese Methode momentan noch nicht für das Monitoring von Rehen empfehlen. Für die Zählung von Wildschweinen spielt die Art des Habitats eine besondere Rolle. In Landschaften mit viel Deckung (dichter Nadelwald/Buschwerk) und großer Störung ist die Erfassungsrate gering, wohingegen Wildschweine in ungestörten offenen/halboffenen Landschaften gut zu detektieren sind. Bei Wildschweinen, die in Kesseln zusammen liegen ist einen Bestimmung der genauen Anzahl der Individuen oft schwierig.
Für die artspezifische Ansprache wurden die neben dem Wärmebildfilm parallel aufgenommenen visuellen Bilder verwendet. Durch technische Weiterentwicklungen gelang es innerhalb der Projektlaufzeit die Anteile an VIS-Bildern auf durchschnittlich 93% zu steigern und eine Arterkennungsrate von durchschnittlich 57% aller Tiere zu erzielen. Betrachtet man nur die artspezifische Ansprache von Rothirsch und Damhirsch, so beträgt die Arterkennungsrate über 90%.
Die Erfassungswahrscheinlichkeit wird vor allem durch folgende Faktoren beeinflusst: Abdeckung durch Vegetation, direkte Sonneneinstrahlung, Jahreszeit sowie die Verteilung der Tiere. Da die langwellige Wärmestrahlung nicht durch dichtes Blattwerk durchdringen kann, ist der Abdeckungsgrad der größte beeinflussende Faktor. Tests haben ergeben, dass zum Beispiel in einem Buchenaltbestand mit einem mittleren Abdeckungsgrad von 63% eine mittlere Entdeckungswahrscheinlichkeit von 88% vorliegt. Bei einem Fichtenaltbestand mit im Mittel 84% Abdeckung beträgt die mittlere Entdeckungswahrscheinlichkeit noch 50%. In einer jungen Fichtendickung mit 90% Abdeckungsgrad konnten keine Tiere mehr gezählt werden. Weiterhin erschwert direkte Sonneneinstrahlung die Auswertung, da Baumkronen, Totholz, Felsen und andere Gegenstände erwärmt werden oder die Strahlung reflektieren können. So kann beispielsweise der Temperaturunterschied zwischen Tier und Umgebung nicht mehr vorhanden sein, wenn es unter einem von der Sonne angestrahltem Baum steht. Gegenüber den Vermutungen ist der Winter mit tiefen Umgebungstemperaturen nicht notwendigerweise der beste Untersuchungszeitraum. Bezüglich der Temperaturabstrahlung konnten sehr gute Ergebnisse auch im Sommer erzielt werden. In Offenlandschaften oder bei Vorhandensein immergrüner Nadelwälder, sind Befliegungen zum Wildtiermonitoring ganzjährig durchführbar. Die Verteilung der Tiere spielt auch eine wesentliche Rolle. So halten sich zum Beispiel in störungsreichen Gebieten eine erhöhte Anzahl der Tiere in deckungsreichen Bereichen auf, wodurch die Entdeckungswahrscheinlichkeit erniedrigt ist. Liegt kaum Störung vor, so werden auch die offeneren Flächen genutzt.
Ein direkter Vergleich mit anderen Monitoringmethoden war in diesem Projekt nur bedingt möglich, da nicht mehrere Methoden im gleichen zeitlichen und räumlichen Rahmen und aufeinander abgestimmt durchgeführt wurden. Erste Hinweise liefern Vergleiche der Daten von Scheinwerfertaxation, Fang-Markierung-Wiederfang Verfahren mittels Frischkotgenotypisierung und IR-VIS Befliegung aus dem Pfälzer Wald. Im Vergleich zur Frischkotgenotypisierung (1,8 Rothirsche/100ha) und Scheinwerfertaxation (1,5 Rothirsche/100ha) konnten mit den Befliegungen in allen drei Projektjahren mit 0,5-0,8 Rothirsche/100ha deutlich weniger gezählt werden. Dies könnte an dem hohen Nadelwaldanteil, dem Relief und der großen Störung liegen. Ein direkter Vergleich ist auch auf Grund leicht unterschiedlicher Untersuchungsgebiete schwierig. Für den Nationalpark Kellerwald-Edersee konnten zeitlich eng beieinander liegende Daten von Scheinwerfertaxationen und Befliegungen verglichen werden. Die Damhirschdichte kann aufgrund der Erfassungsflüge mit mindestens 2-3 Tiere/100 ha angegeben werden. Bei der Scheinwerferzählung wurde mit 2,3 Tiere/100 ha eine vergleichbare Anzahl an Damhirschen erfasst. Beim Rothirsch liegt der mit Hilfe der Befliegung gezählte Mindestbestand mit 3,0-4,0 Tieren/100 ha deutlich über dem durch die Scheinwerferzählung ermittelten Bestand von 1,3 Tiere/100 ha. Es ist zu beachten, dass diese Zahlen Minimalwerte ohne jegliche Einbeziehung von Korrekturfaktoren (Entdeckungswahrscheinlichkeit, etc.) darstellen. In dem genauen Vergleich mehrerer Monitoringmethoden liegt weiterer Forschungsbedarf. Ziel ist es in Zukunft Empfehlungen geben zu können, welche Methode für welche Tierart in den verschiedenen Habitaten am besten geeignet ist.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Neben dem intensiven direkten Austausch mit Wissenschaftlern aus verschiedenen Institutionen, wie dem ITAW, ehemals IWFo Hannover, der LMU München, der Uni Trier und der Uni Wien, wurde das Projekt auch auf Informationsveranstaltungen, Tagungen und Workshops dem Fachpublikum vorgestellt und sofern vorhanden in den jeweiligen Tagungsunterlagen veröffentlicht:
04.08.2009: Experten-Workshop zum Projekt in Bad Wildungen
13. - 17.09.2009: 83. Tagung der Deutschen Gesellschaft für Säugetierkunde (DGS) in Dresden
02.09.2010: Tagung der Gesellschaft für Ökologie (GfÖ) in Giessen
05.03.2011: Tagung der Gesellschaft für Naturschutz und Ornithologie Rheinland-Pfalz (GNOR) in Hanhofen
19. und 20.05.2011: Workshop Schalenwildmonitoring in Hannover
05. - 09.09.2011: 30. IUGB Kongress in Barcelona
14.09.2011: 34. Bonner Jägertag in Bonn
03. und 04.11.2011: Abschlussveranstaltung in Quirnheim/Pfalz

Wissenschaftliche Veröffentlichung:
FRANKE, U., GOLL, B., HOHMANN, U. und HEURICH, M. (2012): Aerial ungulate surveys with a com-bination of infrared and high-resolution natural colour images. Animal Biodiversity and Conservation Vol. 35.2 (in Druck).

Presseartikel:
Während des Aufenthaltes in den Projektgebieten wurde mehrfach über das Projekt in der Tagespresse berichtet.

Fernsehbeiträge:
Einer breiteren Öffentlichkeit konnte das Projekt und die Methode zur Wildtiererfassung in verschiedenen Fernsehbeiträgen näher gebracht werden:
2009: Mittel Deutscher Rundfunk (MDR) über die Befliegungen des Nationalparks Hainich
2009: Bayerischer Rundfunk über die Befliegungen des Nationalparks Bayerischer Wald
2010: ZDF: Deutschland von oben im Rahmen der Reihe Terra X


Fazit

Das Ziel dieses Projektes, nämlich die Weiterentwicklung und vor allem die Etablierung dieser innovativen Monitoringmethode, wurde erreicht. So wurden mittlerweile diverse Befliegungsprojekte außerhalb des Projektes durchgeführt und weitere stehen aktuell in der Vorbereitung.
Allerdings zeigte sich innerhalb der letzten 3 Jahre auch die Komplexität der Thematik.
So ist zum Beispiel die Wärmeabstrahlung der Tiere nicht immer so, wie das ursprünglich vermutet wurde. Anscheinend können sich die Tiere sehr gut an die Lebensbedingungen anpassen und das Auffinden mittels Wärmebildtechnik mit dieser natürlichen Energiesparmaßnahme erschweren. Auch deswegen ist eine automatisierte Auswertung zurzeit noch nicht möglich, wodurch noch viel Arbeitszeit in die manuelle Datendurchsicht fließt. Auch wenn die Vegetationsabdeckung einen großen Einfluss auf die Detektionswahrscheinlichkeit ausübt, so kann diese Methode trotzdem für viele Waldhabitate genutzt werden. Fallen dichte Nadelwälder mit dem Vorkommen anderer negativer Einflussfaktoren wie großes Relief oder starke Störung zusammen, so scheint diese Methode momentan an Ihre Grenzen zu stoßen.
Allerdings stehen für die Zukunft, nicht nur auf Grund der schnellen technischen Weiterentwicklung, einige potentielle Methodenverbesserungen zur Verfügung. Diese sind unter anderem:

Höhere geometrische Auflösung des IR Films (Kameratechnik/Befliegungsparameter)
Bessere Echtfarbenaufnahmen (Kameratechnik/Halterung)
Teilautomatisierte - automatisierte Auswertung
Exakte, automatisierte Überlagerung der IR und VIS Daten
Verschneidung der Ergebnisse mit der Bodenvegetation und Einbeziehung der Entdeckungsraten
Verfeinerte Nutzung statistischer Auswertungen und Modellierungen

Alle genannten Punkte ermöglichen diese Monitoringmethode in Zukunft noch zu verbessern und deren Anwendung weiter zu verbreiten.

Übersicht

Fördersumme

123.350,00 €

Förderzeitraum

01.10.2008 - 31.03.2012

Bundesland

Baden-Württemberg

Schlagwörter

Klimaschutz
Landnutzung
Naturschutz
Umweltforschung
Umwelttechnik