Projekt 25682/01

Entwicklung einer verbesserten Methode zur Behandlung anthropogen umweltgeschädigter Bodenfunde aus Metall (Rettung vor dem Rost)

Projektträger

Lehrstuhl Objektrestaurierung Staatliche Akademie der Bildenden Künste
Am Weißenhof 1
70191 Stuttgart
Telefon: 0711/28440-217

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Beschädigung oder sogar totaler Verlust von archäologischen Bodenfunden aus Eisen durch Korrosion tritt nach deren Bergung zwangsläufig ein, wenn sie nicht entsalzt werden. Die bisher eingesetzte Alkali-Sulfit-Methode nach North/Pearson (1975) muss jedoch speziell für die Konservierung von Fundmassen optimiert werden, um tatsächlich flächendeckend praktikabel zu werden. Insbesondere die Verringerung oder der Verzicht auf das Sulfit werden deshalb im Mittelpunkt des Projekts stehen, wodurch die Methode umweltverträglicher, kostengünstiger und einfacher bezüglich ihrer Anwendung gestaltet werden kann.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenDie Effizienz der Entsalzung von Eisenfunden wird modellhaft an synthetischen Korrosionsprodukten so-wie an archäologischem Probenmaterial (ca. 300 römische Eisennägel des 2./3. Jhd. aus Köngen vom Landesamt für Denkmalpflege Baden-Württemberg) gemessen. Originalmaterial ist unverzichtbar, da standardisierte Probekörper, die das über Jahrtausende gewachsene Korrosionsprodukt-Schichtensystem eines Bodenfundes simulieren könnten, nicht herstellbar sind. Die Entsalzungseffizienz wird über die Menge des herausgelösten und des im Objekt verbliebenen Chlorids beurteilt. Dazu werden photo- und potentiometrische Verfahren auf ihre Grenzen und Möglichkeiten überprüft. In vergleichenden Experimenten wird die Möglichkeit des Sulfitersatzes durch Entlüftung mit Stickstoff oder im Vakuum systematisch getestet. Neben dem vollständigen Verzicht auf Natriumsulfit wird alternativ dessen Verringerung untersucht, genauso wie die Verringerung des Natriumhydroxidanteils und der Verzicht auf Erwärmung. Gleichzeitig wird durch Phasenanalyse synthetischer Proben mittels Röntgenbeugung bzw. Ramanspektroskopie das Verhalten des korrosiven, Chloridhaltigen Akaganéitrostes unter diesen Bedingungen überprüft.
Das innovative Potential des Projekts liegt in der systematischen Weiterentwicklung der Methode hin zu einer ökologisch und ökonomisch optimierten Version bezüglich Energie-, Mengen-, Zeit- und Kostenfaktoren. Vereinfachungen in der restauratorischen Anwendung sollen die Methode tauglich für den Masseneinsatz machen, um letztlich mehr Kulturgut als bisher vor dem Zerfall retten zu können.


Ergebnisse und Diskussion

Die in der Literatur verwendeten Analysemethoden für Restchlorid in Eisen erwiesen sich teilweise als unzuverlässig. Bei publizierten Literaturdaten ohne analytische Validierung kann es während der Analysenprozedur zu Chloridverlust und damit zu einer Überschätzung des Auswaschungserfolges gekommen sein. Zur Beschleunigung der Auflösung des Eisens in Mineralsäuren muss nämlich Wärme eingesetzt werden. In offenen Gefäßen entweichen dabei Chlorverbindungen (z. B. HCl) in die Atmosphäre. Daher wurde zunächst von uns ein Analyseprotokoll in geschlossenem System entwickelt und validiert. So können erstmals eine Reihe verschiedener Entsalzungslösungen mit standardisiertem Experimentaldesign und einer validierten Analysemethode mit tolerierbarem Fehler verglichen werden.
16 verschiedene Kombinationen der Testparameter Laugenkonzentration 0,1 bzw. 0,5 mol/l), Entlüftung (Vakuum, Stickstoff, Sulfit bzw. ohne) und Temperatur (20 bzw. 55 ºC) wurden getestet. Die Erwärmung auf 55 ºC, die die Diffusion beschleunigt, hat sich überraschenderweise als kontraproduktiv erwiesen. Auf aufwändige Badheizungen und Edelstahlbehälter kann daher verzichtet werden. 0,1 mol/l Natronlauge wäscht weniger Chlorid aus als halbmolare (0,5 mol/l), die die niedrigsten Restchloridgehaltwerte erzielt. Insbesondere die Kombination von halbmolarer Natronlauge mit physikalischer Entlüftung (Vakuum bzw. Stickstoff) zeigt die größte Wirksamkeit bzgl. Restchlorids. Kalte, in keiner Weise entlüftete halbmolare Natronlauge ist aber noch effizienter als entlüftete (Sulfit, Vakuum oder Stickstoff). Nur Alkali-Sulfit mit Vakuum kombiniert zeigt eine geringfügig höhere Entsalzungseffizienz. Von al Zahrani berichtete Werte von bis zu 99,5%igem Auswaschungserfolg konnten von uns mit validierter Methodik nicht reproduziert werden.
Bei kalten Entsalzungen ist eine Baddauer von 1 Monat am effizientesten. Durch einen häufigeren Badwechsel, beispielsweise 1mal wöchentlich, kann die Dauer noch herabgesetzt werden, gleichzeitig steigen aber die Arbeitskosten. Eine längere Baddauer ist ebenfalls vertretbar.
Verglichen mit der verständlichen großen Streuung an heterogenen Originalproben (mit z. B. einzelnen eingekapselten, schlecht auswaschbaren Chloridnestern) sind die Unterschiede zwischen den Restchloridgehaltwerten zwar gering, aber tendenziell lässt sich die bessere Wirkung physikalischer satt chemischer Entlüftung bestätigen. Sulfit ist also nicht essentiell. Zumindest was den Fundort Köngen angeht, könnte sogar ganz auf eine Entlüftung verzichtet werden. Es reicht einfaches Einlegen in Natronlauge in Plastikbehältern mit wenigen Badwechseln, was wegen des geringen finanziellen und zeitlichen Aufwands auch für große Fundmassen realisierbar ist und gleichzeitig die Umweltauswirkungen der Alkali-Sulfit-Methode deutlich minimiert.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Präsentation und Publikation des Vorhabens auf der Tagung ‚Standards in der Restaurierungswis-senschaft und Denkmalpflege, Museumsinsel Berlin, 23.-25.4.2009.
Organisation der Internationalen Fachkonferenz ‚Archaeological Iron Conservation Colloquium, Staatl. Akademie der Bild. Künste Stuttgart, 24.-26.6.2010, Ext. Abstracts als Broschüre und online.
Präsentation und Publikation erster Ergebnisse (insbes, Chloridanalytik) auf der ICOM-CC Metals WG Tagung in Charleston (SC), 11.-15.10.2010. Weitere Publikation ist in Vorbereitung.
Entwicklung und Test eines Aus- bzw. Fortbildungsmoduls zur Massenentsalzung von Eisenfunden.


Fazit

Für den beprobten Fundort ließ sich tatsächlich modellhaft ein einfaches Massenkonservierungsverfahren zur Rettung vor dem Rost erfolgreich aufzeigen. Damit wird die denkmalpflegerische Erhaltung des Gesamtkorpus der Eisenfunde ökonomisch und ökologisch machbar.
Um Einflüsse etwa des Bodenchemismus auszuschließen, sollten in einem nächsten Schritt weitere Fundorte ähnlich systematisch untersucht werden (Ist noch höhere Entsalzungseffizienz möglich?). Ein Survey entsalzter Funde im Magazin nach standardisierter Methodik kann dann auch Auskunft über die tatsächlich erreichte praktische Korrosionsstabilisierung geben, die mit dem Restchloridgehalt korrelieren sollte. Weitere zu testende Ansätze zur Verbesserung wäre eine noch höhere Laugenkonzentration (>0,5 mol/l), evtl. geringere Badvolumina zur weiteren Chemikalienreduktion und die Erprobung heißer (> 70 ºC) statt warmer Natronlauge (evtl. auch in niedrigerer Konzentration), da diese praktisch keinen Sauerstoff mehr gelöst enthalten.

Übersicht

Fördersumme

99.000,00 €

Förderzeitraum

25.01.2008 - 31.10.2010

Internet

www.abk-stuttgart.de

Bundesland

Baden-Württemberg

Schlagwörter

Landnutzung
Ressourcenschonung
Umwelttechnik