Projekt 25424/02

Entwicklung von kosteneffizienten Strategien zum Erhalt und zur Entwicklung von FFH-Offenlandlebensräumen auf großen Flächen

Projektträger

Hochschule Anhalt (FH) Fachbereich, Landwirtschaft, Ökotrophologie, Landschaftsentwicklung
Strenzfelder Allee 28
06406 Bernburg
Telefon: 03471-355-1131

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Mit Einstellung der vorherigen militärischen Nutzung stellt sich häufig die Frage, wie für Lebensräume der (Halb)Offenlandschaften langfristig ein günstiger Erhaltungszustandes durch eine naturschutzkonforme und zugleich kosteneffiziente Pflege oder sogar wirtschaftlich tragfähige Nutzung gewährleistet werden kann. Auch die bis 1992 als Truppenübungsplatz genutzte Oranienbaumer Heide weist im zentralen, ca. 1.200 ha großen Bereich ein Mosaik aus den FFH-Offenlandlebensraumtypen Trockene europäische Heiden, Basenreiche Sandrasen, Silbergras-Pionierfluren bzw. Heiden auf Binnendünen auf. 15 Jahre nach Beendigung des militärischen Übungsbetriebes waren jedoch u. a. eine rasch voranschreitende Gehölzsukzession, eine Überalterung der Besenheide-Bestände sowie starke Vergrasungs- und Verbrachungstendenzen zu erkennen. Mit dem Förderprojekt waren deshalb die folgenden Zielstellungen verbunden:
Entwicklung und Umsetzung eines nachhaltigen und ökonomisch tragfähigen Managementkonzeptes für sandgeprägte Offenlandlebensraumtypen unter Berücksichtigung von Munitionsbelastung, Natur-schutz-, Forst- und Veterinärrecht sowie Agrarförderbestimmungen und Tiergesundheit
Konzeption maßnahmebegleitender naturschutzfachlicher Erfolgskontrollen für große Projektgebiete und deren Erprobung und Umsetzung im Modellgebiet Oranienbaumer Heide
Betriebswirtschaftliche Evaluation der extensiven Beweidung
Vorausschauende und kontinuierliche Öffentlichkeitsarbeit zur Förderung der Akzeptanz


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenIdentifizierung und Einbeziehung aller relevanten Akteure
Recherche von naturräumlichen Grundlagen, einschließlich Munitionsbelastung und weiteren Altlasten sowie Durchführung ergänzender Kartierungen und Untersuchungen
Charakterisierung relevanter ökologischer Prozesse, Formulierung eines abgestimmten Leitbildes sowie Ermittlung und Konkretisierung von bestehenden Defiziten
Ableitung von eindeutigen und quantifizierbaren Zielen für ein großflächiges Offenlandmanagement in sandgeprägten Natura 2000-Gebieten im subkontinentalen Raum
Abschätzung der Erfolgsaussichten einer extensiven Ganzjahresstandweide mit Robustrindern und -pferden als Basismanagement und anschließende Einrichtung und Etablierung der Weide
Durchführung von weiteren ersteinrichtenden bzw. ergänzenden Maßnahmen
Konzeption, Umsetzung und Optimierung einer naturschutzfachlichen Erfolgskontrolle mittels Vorher/Nachher-Analyse, Soll/Ist- und Mit-/Ohne-Vergleichen auf verschiedenen räumlichen Ebenen.
Information und Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger der angrenzenden Kommunen sowie weiterer regionaler Akteure durch kontinuierliche Öffentlichkeitsarbeit


Ergebnisse und Diskussion

Im Projektverlauf wurde sukzessive eine 770 ha große Weidefläche eingerichtet und mit Heckrindern und Konikpferden besetzt. Infolge der Einstufung als Munitionsverdachtsfläche mussten im Vorfeld die Standorte für Zaunpfähle, Tränken und Fangstand sondiert und beräumt werden. In Abstimmung mit dem Veterinäramt und dem betreuenden Tierarzt wurde der ortsfeste Fangstand in massiver Holzbauweise errichtet, um die für Rinder verpflichtenden jährlichen Blutkontrollen durchzuführen. Für das Schlachten der Tiere ist der Kugelschuss auf der Weide möglich, der Transport zum Schlachthof erfolgt mit einer Ent-blutebox. Um die kritische Winterzeit bei den Mutterkühen zu umgehen, werden, zumindest in der Anfangsphase Bullen nur von Juli bis September zugesetzt. Das Verhältnis von Rindern zu Pferden liegt bei ca. 1:1, die Besatzstärke bei ca. 0,15 GVE/ha.
Um eine möglichst kompakte und große Weidefläche zu realisieren, konnten auf Vor-Ort-Terminen unter Beteiligung der Forst- und Naturschutzbehörden für das Modellgebiet einvernehmliche Regelungen zur Einbeziehung von Pionierwäldern gefunden werden. Infolge des langjährigen Pflegedefizits wurden au-ßerdem auf Teilflächen Entbuschungen sowie eine Mahd der überalterten Besenheide durchgeführt.
Eine finanzielle Absicherung des Projektes konnte mittelfristig über die Inanspruchnahme von Agrarumweltmaßnahmen (Freiwillige Naturschutzleistungen) erreicht werden. Die betriebswirtschaftliche Eva-luation zeigt, dass mit der extensiven Standweide zum Erreichen der naturschutzfachlichen Ziele ein kostengünstiges Verfahren entwickelt wurde, wobei insbesondere die Flächengröße zu Kostendegressionseffekten führt. Allerdings sind auch zukünftig Förderprämien aus Agrarumweltmaßnahmen zwin-gend erforderlich, um das Verfahren verlustfrei durchführen zu können.
Im Ergebnis der umfassenden naturschutzfachlichen Erfolgskontrolle zeigt sich, dass mithilfe von Luftbildern v. a. Gehölze, Heidebestände und offene Bodenstellen sicher klassifiziert werden können. Eine gute Geländekontrolle, eindeutige Testflächen und eine durchgängig gleiche Qualität der Luftbilder sind jedoch eine notwendige Voraussetzung für eine belastbare Veränderungsanalyse.
Bereits nach zwei Jahren extensiver Beweidung zeigen Vorher/Nachher- sowie Mit-/Ohne-Vergleiche, dass das gewählte Management grundsätzlich geeignet ist, lebensraumtypische Habitatstrukturen in den stark degradierten sandgeprägten FFH-Lebensräumen wiederherzustellen und den Grad der Beeinträchtigungen deutlich zu reduzieren. Durch den Tritt der Weidetiere konnte der Anteil offener Bodenstellen deutlich erhöht werden. Die charakteristisch lückigen Strukturen der Silbergrasfluren auf den Dünen-standorten konnten durch das Wälzen der Pferde, aber auch durch den Tritt beider Weidetierarten wie-derhergestellt werden. Ebenso wurde die durch Land-Reitgras verursachte massive Vergrasung sowie die damit einhergehenden mächtigen Streuauflagen der sonst typischerweise eher lückigen Offenlandlebensräume deutlich reduziert. Eine Reduzierung der Ruderalzeiger war insbesondere für die Landreitgrasfluren, die Sandrasen der Zustandsstufe B sowie für die Sandrasen-Heide-Mosaike festzustellen. Ein Erhalt der Silbergraspionierfluren über extensive Beweidung ohne ergänzende Maßnahmen erscheint bereits jetzt langfristig realistisch.
In den stark überalterten Heiden vollziehen sich die Veränderungen der Habitatstrukturen langsamer. Es konnte jedoch durch Erhöhung der offenen Bodenstellen eine Verjüngung des Heidekrauts initiiert werden. Auf den Mahdflächen ist eine nachhaltige vegetative Verjüngung zu verzeichnen. Infolge der Wiederherstellung lückiger Vegetationsstrukturen ist zudem eine starke Ausbreitung lichtbedürftiger, konkurrenzschwacher und zugleich naturschutzfachlich wertgebender Arten zu beobachten. Da die Heckrinder die Stockausschläge der entkusselten Spätblühenden Traubenkirsche effektiv verbeißen, kann eine weitere Ausbreitung dieser Art in den FFH-Offenland-Lebensraumtypen erfolgreich verhindert werden. Die Interpretation der durch die Weidetiere ausgelösten Prozesse wird durch die Analyse der Raumnutzung und Habitatwahl der Weidetiere auf Grundlage von GPS-Halsbanddaten, direkten Tierbeobachtungen und Futterwertanalysen unterstützt.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Eine positive Verankerung des Projektes in der Region wurde durch eine frühzeitige Information der Bürgerinnen und Bürger und kontinuierliche Öffentlichkeitsarbeit, u. a. über Vorträge in Ortsversammlungen, geführten Exkursionen, regelmäßigen Pressemitteilungen und einer Internetseite erreicht. Zudem konnten nach Munitionsberäumung zwischen allen Akteuren abgestimmte Wegeverbindungen als Wanderwege freigegeben werden. Durch die Projektmitarbeiterinnen und -mitarbeiter wurden die Ergebnisse auf verschiedenen Tagungen und Workshops vorgestellt. Wesentliche Projektergebnisse sind in wissenschaftlichen Zeitschriften (Naturschutz und Landschaftsplanung, Jahrbuch NLP Unteres Odertal, Mittei-lungen zur floristischen Kartierung Sachsen-Anhalt) veröffentlicht.


Fazit

Im Modellgebiet der Oranienbaumer Heide konnte mittels einer extensiven Ganzjahresstandweide mit Robustrindern und -pferden in Kombination mit gezielten ersteinrichtenden Maßnahmen ein effektives und kosteneffizientes Verfahren zum Erreichen der naturschutzfachlichen Ziele in sandgeprägten FFH-Offenlandlebensraumtypen initiiert werden. Eine Übertragbarkeit auf vergleichbare Standorte im subkon-tinentalen Raum ist grundsätzlich gegeben. Zur Absicherung der Ergebnisse ist jedoch eine langfristige naturschutzfachliche Erfolgskontrolle erforderlich.

Übersicht

Fördersumme

533.894,00 €

Förderzeitraum

01.05.2008 - 31.03.2012

Bundesland

Sachsen-Anhalt

Schlagwörter

Klimaschutz
Landnutzung
Naturschutz
Umweltforschung
Umwelttechnik