Projekt 24212/01

Entwicklung und Herstellung von halogenfreien, umweltfreundlichen, mit Wasser nicht-mischbaren ionischen Flüssigkeiten

Projektträger

Merck Solvent Innovation GmbH
Nattermannallee 1
50829 Köln
Telefon: 02 21/71 66 11-0

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Ionische Flüssigkeiten sind Salzschmelzen mit Schmelzpunkten unter 100°C, die vor allem auf Grund ihrer sehr geringen Flüchtigkeit und ihrer sehr variablen, oft ungewöhnlichen Löslichkeitseigenschaften neue Aspekte für die Entwicklung neuer Verfahren und Produkte bieten. Heute werden ionische Flüssigkeiten weltweit intensiv beforscht (alleine im Jahr 2005 wurden mehr als 2200 Publikationen und Patente veröffentlicht) und eine Reihe von technischen Anwendungsbeispielen sind mittlerweile bekannt geworden.

Ionische Flüssigkeiten, die mit Wasser eine Mischungslücke aufweisen, besitzen zahlreiche interessante Anwendungsgebiete mit z. T. erheblichem Umweltentlastungspotential. Als Beispiele für solche Anwendungen seien an dieser Stelle nur exemplarisch genannt:
(1) Die selektive Extraktion von Schwermetallionen (auch radioaktiven Metallionen) aus Wasser;
(2) die Gewinnung hochpolarer Reaktionsprodukte durch Extraktion; ein solcher
Aufarbeitungsschritt ist insbesondere im Rahmen der nachhaltigen Bioproduktion in ionischen
Flüssigkeiten von hoher Bedeutung, da hier die Isolierung der meist polaren und sehr
hochsiedenden Produkte am einfachsten durch Extraktion in Wasser gelingt.
(3) die Reinigung ionischer Flüssigkeiten von ionischen oder hochpolaren Nebenprodukten durch
Wäsche mit Wasser zur Regeneration und Reinigung der ionischen Flüssigkeit.

Leider sind die bisher bekannten und bereits vielfach eingesetzten nicht-Wasser-mischbaren (hydrophoben) ionischen Flüssigkeiten aus Umweltgesichtspunkten und praktischen Erwägungen wenig befriedigend. Es handelt sich dabei ausschließlich um Ionenkombinationen, die stark fluorhaltige Anionen tragen. Dadurch sind die Substanzen zum einen sehr teuer (auf Grund der sehr teuren Einsatzstoffe für ihre Synthese), zum anderen werden wichtige Entsorgungsoptionen (Verbrennung, Abbau in biologischen Kläranlagen) erheblich erschwert. Einige der wichtigsten Vertreter, insbesondere Salze mit den Anionen [PF6]- und [BF4]- zeigen zudem eine recht deutliche Neigung zur Zersetzung in Anwesenheit von Wasser. Bei dieser Zersetzung wird das hochtoxische und außerordentlich korrosive Gas HF freigesetzt, was eine erhebliche, zusätzliche Umweltgefährdung darstellt. Daher besteht ein dringender Bedarf an halogenfreien, hydrophoben ionischen Flüssigkeiten mit mittlerer bis niedriger Viskosität, die eine wesentlich bessere Umweltverträglichkeit zeigen, als die heutigen bekannten.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenIn diesem Projekt soll es in einer Zusammenarbeit des Lehrstuhls für Chemische Reaktionstechnik (Prof. Peter Wasserscheid) der Universität Erlangen-Nürnberg mit der Firma Solvent Innovation GmbH Köln (KMU, 12 Mitarbeiter) gelingen, halogenfreie und damit deutlich umweltfreundlichere ionische Flüssigkeiten zu entwickeln und herzustellen, die eine Mischungslücke mit Wasser aufweisen und dabei eine Viskosität bei Raumtemperatur von 1000 mPas nicht überschreiten. Im Projekt sollen innerhalb der ersten 12 Monate die synthetischen Ansätze getestet und validiert werden (Meilenstein 1). Die vielversprechenden Ansätze werden im zweiten Jahr in die halbtechnische Produktion (30 Liter-Maßstab) überführt und die entsprechende Anwendungstechnik rund um die neuen Stoffklassen intensiv entwickelt, so daß zeitnah nach Projektende dem Markt die neuen, umweltfreundlichen Alternativen zur Verfügung stehen sollten.


Ergebnisse und Diskussion

Aufbauend auf den ersten Arbeiten zur Alkylierung mit Alkylphosphaten wurde über verschiedene Zugangsrouten wurde im ersten Projektjahr eine Bibliothek von insgesamt 33 verschiedenen Phosphat-ILs synthetisiert und physikalisch-chemisch als auch nach den wichtigsten anwendungstechnischen Größen wie Langzeitstabilität und Korrosionsverhalten charakterisiert. Es zeigte sich das alle Phosphat-ILs mit Wasser mischbar sind. Mit steigender Kettenlänge nimmt zwar die Mischungslücke zu, aber im gleichen Maße auch der tensidische Charakter, so dass immer eine Mischbarkeit erhalten bleibt. Verglichen mit der kommerziell bereits im Tonnenmaßstab vertriebenen IL, EMIM EtSO4, weisen die kurzkettigen Phosphate ein verbessertes Eigenschaftsprofil wie höhere Dauertemperaturstabilität und Hydrolysestabilität sowie besseres Korrosionsverhalten auf. Das Lösungsverhalten dieser IL-Klasse für z.B. Cellulose oder Holz ist außerordentlich, so dass weitere Untersuchungen zur Verfügbarkeit von Biomasse sinnvoll sind. Das Ökotoxische Potential wurde im Unterauftrag an der FH Neubrandenburg mit den Methoden des Leuchtbakterientestes, Ames-Test mit Salmonella Zelllinien und dem roten Blutkörperchen nach Invittox Protocol No. 37 untersucht. Es zeigte sich, dass die hier synthetisierten kurzkettigen Phosphate ein besseres wie ökotoxisches Potential aufweisen als die nicht kennzeichnungspflichtig eingestufte IL EMIM EtSO4.

Basierend auf den Arbeiten von Cavell wurde das Konzept des Austausches der aciden Protonen fortgeführt und neuartige Kationenstrukturen synthetisiert deren weitere Charakterisierung zeigte, dass es sich um eine hochtemperaturstabile Modifikation handelt.
Es gelang eine Bibliothek von 35 Substanzen zu synthetisieren. Durch geschickte Symmetrieerniedrigung konnten auch niedrig schmelzende Verbindungen, beispielhaft von -34°C bzw. -42°C bei gleichzeitig hoher thermischer Stabilität von bis zu 436°C erhalten werden. Leider wiesen alle nicht Fluor enthaltenden Verbindungen nur sehr geringe Hydrophobizität auf, so dass sie alle mit Wasser mischbar sind. Somit sind auch keine Extraktionen aus wässrigen Medien mit diesen möglich. Erstmals bittet sich mit dieser neuen Kationenklasse ein Zugang zu sehr temperaturstabilen ILs für Anwendungstemperaturen bis zu 300°C wie sie die nicht-chemische Industrie (Maschinenbau, Automobil, etc.) fordert.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

E. Kuhlmann, S. Himmler, H. Giebelhaus, P. Wasserscheid Green Chem. 2007, 9, 233.
E. Kuhlmann, Dissertation 2008, Universität Erlangen
M. Uerdingen, Presentation, DBU-Veranstaltung Osnabrücker Gespräche zu ionischen Flüssigkeiten 2008


Fazit

Die enge Kooperation im Projekt zwischen den langjährigen Partnern hat zu einer raschen Analyse der drei Synthesestrategien beigetragen und zu einem effizienten Aufbau der Phosphat-IL Substanzbibliothek. Die ökotoxikologische Analyse als auch die Untersuchung der Anwendungsparameter zeigte, dass es sich um eine wirtschaftlich sehr interessante Substanzklasse handelt, deren Eigenschaftsprofil wie höhere Dauertemperaturstabilität, Hydrolysestabilität und besseres Korrosionsverhalten sowie ökotoxikologisches Potential, verglichen mit der als nicht kennzeichungspflichtig eingestuften Substanz EMIMEtSO4 verbessert ist. Leider konnten mit dieser nicht alle Kriterien des ersten Meilensteins erfüllt werden, da diese Phosphat-ILs alle wasserlöslich sind. Alle anderen Kriterien des ersten Meilensteins wurden erfüllt.
Basierend auf vorhergehenden Arbeiten von Cavell wurde eine neuartige Kationenstruktur synthetisiert und charakterisiert. Es zeigte sich, dass diese gegenüber den bekannten Sytemen zu stabilisierten Kationen führt, so dass hochtemperatur stabile Systeme erhalten werden. Es gelang eine Bibliothek von 35 Substanzen zu synthetisieren und durch Strukturmodifikation die Symmetrie so zu beinflussen, dass niedrig schmelzende von bis zu -42°C als auch hoch Temperatur stabile von bis 436°C zu erhalten. Somit steht eine neue Kationenklasse für hochtemperatur Anwendungen oberhalb von 300°C, wie sie beispielsweise die nicht-chemische Industrie (Maschinenbau, Automobil, etc.) fordert, zur Verfügung.

Übersicht

Fördersumme

183.764,00 €

Förderzeitraum

01.01.2007 - 31.12.2008

Bundesland

Nordrhein-Westfalen

Schlagwörter

Klimaschutz
Umweltforschung
Umwelttechnik