Projekt 23203/01

Ökologische Optimierung der Produktion und energetischen Nutzung von Biomasse – Natur- und raumverträglicher Ausbau energetischer Biomassepfade

Projektträger

Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover Institut für Umweltplanung
Herrenhäuser Str. 2
30419 Hannover
Telefon: 0511/762-3618

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Der Ausbau energetischer Biomassepfade ist mit deutlichen Veränderungen der Landnutzungssysteme und der regionalen Biomasseströme verbunden. Bislang ist das Wissen über die räumlichen Auswirkun-gen der Produktion und energetischen Nutzung von Biomasse gering. Im Gegenzug ist aber die Abschät-zung der ökologischen und raumwirksamen Konsequenzen dieser Entwicklung sowie möglicher damit verbundener Interessenskonflikte von entscheidender Bedeutung, um energetische Biomassepfade öko-logisch verträglich auszubauen.
Zentrales Ziel des geplanten Vorhabens ist es, die im Vorläuferprojekt SUNREG I bereits erarbeiteten re-levanten Biomassepfade aus natur- und raumverträglicher Sicht zu bewerten sowie in einem verglei-chenden Ansatz Chancen und Risiken unterschiedlicher Ausbaupfade zu identifizieren. Zur Förderung ei-nes ökologisch orientierten Ausbaus der energetischen Biomassenutzung sollen Beratungstools für un-terschiedliche Akteursgruppen erarbeitet werden.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenAufbauend auf ein bereits laufendes Projekt zur ökonomischen Bewertung unterschiedlicher Biomasse-ausbaupfade (SUNREG I) gliedert sich das Teilprojekt des IUP in zwei komplementäre Arbeitsstränge: einer raumbezogenen und einer akteursbezogenen Analyse. Die Analysen werden parallel in drei ausge-wählten Modellregionen nach der Methode der ökologischen Risikoanalyse bzw. mittels Netzwerkanalyse-technik durchgeführt. Anhand der Ergebnisse werden Erfolgs- und Hemmnisfaktoren für den weiteren Ausbau der energetischen Biomassenutzung identifiziert und Qualitätskriterien sowie regionale Hand-lungsempfehlungen für einen natur- und raumverträglichen Ausbau abgeleitet.
In einem zweiten, vom ATB durchzuführenden Projektteil, werden die von den Kooperationspartnern in SUNREG I erarbeiteten Ergebnisse, Instrumente und Kennzahlen mit den Ergebnissen des vom IUP be-arbeiteten Teilprojektes Natur- und raumverträglicher Ausbau energetischer Biomassepfade mit Hilfe von mathematischen Systemmodellen zusammengeführt.
In einem letzten Arbeitschritt sollen die für die einzelnen Modellregionen erarbeiteten Kriterien, Hand-lungsempfehlungen und planerischen Gestaltungsansätze typisiert werden. Aus dieser Verallgemeine-rung werden Beratungstools abgeleitet, die den Akteursgruppen zur Verfügung gestellt werden.


Ergebnisse und Diskussion

Die größten Auswirkungen des Ausbaus der energetischen Biomassepfade auf den Naturhaushalt ent-stehen in der Prozesskettenphase der Biomasseproduktion bzw. durch den Anbau von Energiepflanzen. Derzeit werden in Niedersachsen vorrangig bekannte Ackerfrüchte wie Mais und Getreide für die Biogas-produktion verwendet, so dass sich die Wirkungen der Ackerfrüchte des Energiepflanzenanbaus nur in wenigen Faktoren von den bisherigen Anbauverfahren der Nahrungs- und Futtermittelproduktion unter-scheiden. Auf der Ebene des landwirtschaftlichen Schlages sind damit keine bedeutenden Veränderun-gen in der Wirkung der landwirtschaftlichen Produktion, positiver oder negativer Art, erkennbar.
Die Auswirkungen des Energiepflanzenanbaus zeigen sich jedoch auf der Landschaftsebene durch ver-änderte Fruchtfolgen und Flächenanteile. Beide Biomassepfade wirken ähnlich, indem es durch die Aus-richtung der landwirtschaftlichen Produktion auf das jeweils gewünschte Eingangssubstrat der jeweiligen Anlage zu einer Reduzierung der Kulturartendiversität kommen kann.
Auf der regionalen Ebene sind vor allem die Auswirkungen auf andere Raumnutzungen von Bedeutung, also die Auswirkungen der möglicherweise veränderten Funktionen des Naturhaushaltes auf weitere Nut-zungsmöglichkeiten bzw. -qualitäten. Konfliktpotenziale ergeben sich insbesondere durch Flächen- und Nutzungskonkurrenzen, z. B. über die Beeinflussung des Hochwasserabflusses, der Grundwasserqualität und -menge sowie der Beeinträchtigung der Erholungs- und der Wohnqualität.
Die Raumplanung ist im Rahmen einer nachhaltigen und raumverträglichen Energieversorgung stärker gefordert, zur Lösung und Koordinierung dieser potenziellen Zielkonflikte beizutragen. In Niedersachsen finden raumplanerische Instrumente für den Energiesektor bisher kaum Anwendung, gleiches gilt für Ab-stimmungen mit anderen Raumnutzungen. Möglichkeiten zur allgemeinverbindlichen Sicherung der Nut-zungsansprüche und Schutzinteressen gegenüber den Wirkungen der Biomasseproduktion bieten auf der Betroffenenseite lediglich die fachrechtlichen Schutzgebietskategorien, z. B. Wasserschutzgebiete.
Neben der formellen planerischen Einflussnahme sind eine informelle strategische Vorgehensweise und ein proaktiver Umgang mit Problemen und Konflikten entscheidend für einen raumverträglichen Ausbau energetischer Biomassepfade. Der wichtigste Faktor sind dabei die an dem Handlungsfeld beteiligten Akteure. Sind die Akteure, ihre Interessen sowie eventuelle Konflikte bekannt, kann dieses als eine Grund-lage für ein gemeinsames Vorgehen auf regionaler Ebene dienen. Ein solcher Prozess kann helfen, die vorhandenen energetischen Biomassepotenziale mit den regionalen Akteuren nachhaltig auszubauen und einen Beitrag zur nachhaltigen Regionalentwicklung zu leisten. In einigen niedersächsischen Landkreisen haben sich bereits erfolgreich Initiativen gegründet, um solch einen Prozess zu initiieren und die Aktivitäten zum Ausbau der energetischen Biomassenutzung zu koordinieren. Dazu braucht eine Region ein entsprechendes Leitbild, die Kooperation relevanter Akteure und eine gefestigte Organisationsstruk-tur, die finanzielle Unterstützung erhält.
Auch wenn beide Biomassepfade mit negativen Auswirkungen auf den Naturhaushalt und auf andere Raumnutzungen verbunden sein können, hat das dezentrale System der Biogaserzeugung in allen Pha-sen der Prozesskette Vorteile gegenüber der zentralisierten BtL-Produktion. Die Auswirkungen aller Pha-sen der Prozessketten, ausgehend von der Bewirtschaftung der Produktionsflächen und den Standorten der Anlagen, können flexibler auf die spezifischen Empfindlichkeiten der jeweiligen Region abgestimmt werden, um Beeinträchtigungen des Naturhaushalts zu vermeiden bzw. zu reduzieren, die regionalen Bi-omassepotenziale im Einklang mit den Belangen anderer Raumnutzungen auszubauen und darüber hin-aus zur regionalen Wertschöpfung beizutragen.
Um die vorhandenen Biomassepotenziale dauerhaft im Sinne einer nachhaltigen Energieversorgung und Regionalentwicklung zu erschließen, müssen positive und negative Wirkungen der Biomassepfade sowie potenzielle Konflikte frühzeitig erkannt und gelöst werden. Vor diesem Hintergrund sind Handlungsemp-fehlungen zur Förderung eines natur- und raumverträglichen Ausbaus der energetischen Biomassenut-zung für unterschiedliche Akteursgruppen zu folgenden wesentlichen Wirkkomplexen bzw. Problemfel-dern der Biogasproduktion und -nutzung entwickelt worden: Bodenerosion, Bodenverdichtung, Grund-wasserqualität und -menge, Arten und Biotope, Hochwasserabfluss, Erholungsqualität. Ergänzt werden sie durch drei übergreifende akteurs- und prozessbezogene Handlungsempfehlungen: Akteure des Bio-gaspfades (Akteursmodell), Kriterien zur erfolgreichen Gestaltung natur- und raumverträglicher Bio-massepfade, Konfliktmanagement im Handlungsfeld der energetischen Nutzung von Biomasse.
Steckbriefartig werden für jeden Wirkkomplex die Wirkungszusammenhänge und mögliche Konflikte zwi-schen den Akteuren dargestellt sowie Vermeidungsstrategien aufgezeigt. Da die Raumanalysen zu den Wirkkomplexen der Biomasseproduktion in wesentlichen Teilen vergleichend zur Produktion von Lebens- und Futtermitteln durchgeführt wurden, können die hierzu erarbeiteten Erfassungs- und Bewertungsme-thoden, Ergebnisse und Empfehlungen grundlegend auf diese Bereiche übertragen werden.
Für eine planerische Steuerung und Koordinierung der energetischen Nutzung von Biomasse sollten ins-besondere die Instrumente der Raumplanung, der Landschaftsplanung und anderer raumwirksamer Fachplanungen sowie informelle umweltpolitische Instrumente genutzt werden. Vor allem auf kommunaler und regionaler Ebene bedarf es einer interdisziplinären und vorausschauenden Standortplanung, die idealerweise die benötigten Produktionsflächen einschließt.

Aufbauend auf die vom Institut für Umweltplanung erarbeiteten Ergebnisse wurde vom Institut für Agrar-technik ein dv-gestütztes Bewertungsinstrument entwickelt, das zur Entwicklung eines natur- und raum-verträglichen Anbaus von Energiepflanzen relevante Entscheidungs- und Planungsgrundlagen liefert. Das Bewertungsinstrument berücksichtigt sowohl betriebswirtschaftliche und produktionstechnische Er-fordernisse als auch naturschutzfachliche Anforderungen.
Die Ergebnisse der Bewertungsanwendung zeigen, dass eine Veränderung der landwirtschaftlichen An-baustruktur, wie sie in Folge eines Ausbaus der Energiepflanzenproduktion zu erwarten wäre, deutliche Auswirkungen auf die Empfindlichkeiten der Landschaftsfunktionen sowie auf den Kumulativen Energie-aufwand, auf die Klimagasemissionen und die regionalen Gewinnbeiträge hat.
Im Hinblick auf die regionalen Gewinnbeiträge besteht in der überwiegenden Anzahl der Fälle ein Trade-off zwischen den betrachteten Anbaubeschränkungen im Sinne einer umweltverträglicheren Energie-pflanzenproduktion und den erwirtschafteten Gewinnbeiträgen. Je nach Restriktion bestehen jedoch er-hebliche Unterschiede hinsichtlich des Rückgangs der Gewinnbeiträge. So führen einige Restriktionen nur zu geringen Einbußen bei den Gewinnbeiträgen. Diese Spielräume gilt es bei der Gestaltung von Maßnahmen zum Schutz von Landschaftsfunktionen und derer Implikationen zu nutzen, wie zum Beispiel bei der Verhandlung von Ausgleichsmaßnahmen. Als erschwerend dürfte sich allerdings hierbei erwei-sen, dass die Wirkung der Restriktionen je nach Region sehr unterschiedlich sein kann. Um dieser Tat-sache gerecht zu werden, müssten die entsprechenden Restriktionen bzw. Maßnahmen in ihrer Gestal-tung regional ausdifferenziert werden.
Im Hinblick auf den Kumulativen Energieaufwand und die Klimagasemissionen, welche durch die Pflan-zenproduktion entstehen, führen sowohl eine Ausdehnung des Energiepflanzenproduktion als auch die Einführung der untersuchten Anbaubeschränkungen im Sinne eines umweltverträglicheren Ackerbaus tendenziell zu einer Verringerung des regionalen Kumulativen Energieaufwands und der Klimagasemissi-onen im Ackerbau. Dies spricht unter den getroffenen Annahmen und Fällen für einen Ausbau der Ener-giepflanzenproduktion, unter der Voraussetzung, dass die Anforderungen an einen umweltverträglichen Energiepflanzenanbau eingehalten werden.
Im Hinblick auf die Auswirkungen auf die Empfindlichkeiten der Landschaftsfunktionen fällt es anhand der vorliegenden Ergebnisse schwer, eine pauschale Antwort auf die Frage zu geben, welche der unter-schiedlichen Auswirkungen des Energiepflanzenanbaus in seiner Wirkung auf die Funktion überwiegt. Die Projektergebnisse weisen in diesem Zusammenhang auf eine Vielzahl von gleich- und entgegengesetzten Wechselwirkungen zwischen den Empfindlichkeiten hin. Daraus folgt, dass die Gestaltung von Maßnahmen im Sinne einer umweltverträglichen Energiepflanzenproduktion fallspezifisch, und idealer-weise auch regionsspezifisch, unter Abwägung aller verbundenen Implikationen erfolgen sollte, wie sie in den Handlungsempfehlungen (Steckbriefe) des Instituts für Umweltplanung beschrieben sind.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Im Verlauf des Projektes wurden drei Fachworkshops mit unterschiedlichen Akteuren durchgeführt, auf denen jeweils Teilergebnisse dargestellt wurden. In mehreren Präsentationen auf Workshops, Tagungen und Seminaren in ganz Deutschland, unter anderem auf dem Biomasse für SunFuel®-Fachsymposium am 23.04.2008 im Rahmen der Hannover Messe sowie in mehreren Publikationen wurden die Ergebnisse des Projektes in Wissenschaft und Praxis übertragen.
Der Abschlussbericht zum Teilprojekt des IUP wird in Kürze veröffentlicht: Rode, M.W., Kanning, H. 2010 (Hrsg.): Natur- und raumverträglicher Ausbau energetischer Biomassepfade. Ibidem-Verlag, Stuttgart: 296 S. Die Ergebnisse des ATB-Teilprojektes werden von der ATB in einzelnen Publikationen veröffent-licht. Über diese Veröffentlichungen hinaus sollen die im Projekt erarbeiteten, in Form von Steckbriefen für die regionalen Akteure der Bioenergieproduktion- und -nutzung zusammengefassten Handlungsemp-fehlungen über eine Broschüre des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft, Ver-braucherschutz und Landesentwicklung (NML) und auf den Internetseiten des NML öffentlich zugänglich gemacht werden.


Fazit

In einer umfassenden über dreijährigen Arbeit wurden im Projekt grundlegende Erkenntnisse und Hand-lungsempfehlungen zur natur- und raumverträglichen Ausgestaltung energetischer Biomassepfade (Bio-gas und BtL) erarbeitet. Sie richten sich an Landwirte und Anlagenbetreiber, landwirtschaftliche Bera-tungsunternehmen, Planungs- und Genehmigungsbehörden, grundsätzlich aber auch an alle Akteure, die entlang den verschiedenen Phasen der Prozesskette Biogas teilhaben. Sie leisten eine umfassende Hil-festellung zum nachhaltigen Ausbau der Bioenergie vor Ort. Für die Prozesskettenphase der Produktion können die Ergebnisse auch auf die Produktion von Lebens- und Futtermitteln übertragen werden.

Übersicht

Fördersumme

320.180,00 €

Förderzeitraum

01.04.2006 - 31.07.2009

Bundesland

Niedersachsen

Schlagwörter

Klimaschutz
Landnutzung
Naturschutz
Ressourcenschonung
Umweltforschung