Projekt 21854/01

Entwicklung piezokeramischer Schwing-Systeme zur Eliminierung von Körperschallemissionen

Projektträger

Wölfel Beratende Ingenieure GmbH + Co. KG
Max-Planck-Str. 15
97204 Höchberg
Telefon: 0931/49708-600

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Lärm gehört zu den Umweltproblemen, die sich unmittelbar auf die Gesundheit des Menschen auswirken. In der EU leiden ca. 13 % der Bevölkerung unter gesundheitlichen Problemen, weil sie einem Lärmpegel > 65 dB(A) ausgesetzt sind. Neben Schienen-, Straßen- und Luftverkehr tragen Produktionsmaschinen und Kleingeräte wesentlich zur Lärmbelastung bei. Zielsetzung des Projektes ist deshalb die Entwicklung eines aktiven Moduls zur Körperschallminderung, das nach einem individuellen Adaptionsprozess an das Schwingungsverhalten des Zielproduktes in dieses integriert werden kann. Durch das aktive Modul soll die Abstrahlung von Körperschall erheblich reduziert werden.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenNach Konzeption und Bau eines geeigneten Teststandes wurden an einer überschaubaren Struktur Vor-untersuchungen durchgeführt. Dabei standen FEM-Simulationen von Eigenfrequenzen und -formen im Vordergrund. Zusätzlich mussten Aktoren modelliert werden. Auf einem Teststand mit variabler Positioniermöglichkeit wurde eine Aluminiumplatte in einem Spannrahmen untersucht.
Nach Auswahl der unter akustischen Fragestellungen relevanten Frequenzen konnten Sensor- und Aktorpositionen bestimmt und semiaktive und aktive Konzepte zur Schwingungs- und Schallminderung evaluiert werden. Dabei waren u. a. die Kriterien Wirksamkeit, Umweltverträglichkeit, Kosten und die Übertragbarkeit des Konzeptes auf Maschinen und Geräte zu prüfen. Begleitet wurden die Simulationen von umfangreichen dynamischen Messungen. Zur Zuschärfung des Berechnungsmodells wurden Mess- und Berechnungsergebnisse ständig miteinander verglichen. Nach einer Optimierung wurde das Konzept auf eine geeignete Struktur (Produktionsmaschine, Bauteil oder Kleingerät) übertragen. An dieser Struktur sollte die Funktions- und Leistungsfähigkeit eines Moduls zur aktiven Minderung des Körperschalls nachgewiesen werden. Der dazu notwendige Adaptionsprozess ist nur möglich, wenn das modale Verhalten der aufnehmenden Struktur (Produktionsmaschine, Bauteil oder Kleingerät) durch Messungen und Simu-lation genau bekannt ist. Die Erprobung in realen Strukturen erfolgte am Beispiel der zweischaligen Gipskartonplatte als typischem Innenausbauelement und an einer Waschmaschine. Parallel zum Adaptionsprozess sollte versucht werden, Regelung und Leistungselektronik zu miniaturisieren und so weit wie möglich in die Struktur zu integrieren.


Ergebnisse und Diskussion

Im Projekt wurden aktive und semiaktive Methoden zur Reduktion von Körperschall untersucht. Besonders Kostenüberlegungen zwingen zu einer Konzentration auf die semiaktiven Konzepte. Betrachtet wurden dabei Schaltungen, die das Verhalten einer Induktivität nachbilden (Gyratoren), und eine Schaltung, die eine negative Kapazität nachbildet. Da diese Schaltungen mit Operationsverstärkern mit einer Versorgungsspannung betrieben werden müssen, spricht man von semiaktiven Ansätzen.
Die Vorversuche wurden an einem einseitig eingespannten Biegebalken aus Aluminium durchgeführt. Auf dem Balken waren zwei piezokeramische Aktoren aufgebracht, von denen einer zur Schwingungserregung verwendet wurde. Ein weiterer Aktor wurde mit den semiaktiven Schaltkreisen betrieben, um die Schwingung zu mindern. Bei diesen Versuchen konnte mit der Gyrator-Schaltung eine deutliche Schwingungsminderung erzielt werden. Bei den Versuchen mit der negativen Kapazität war ebenfalls eine Schwingungsminderung festzustellen, die bei mehreren Frequenzen (breitbandig) wirksam war. Da der schmale Balken schlecht die untersuchten Frequenzen an die Luft ankoppelt, konnte bei diesen Versu-chen keine Aussage bezüglich der Schallminderung gemacht werden.
Der Übergang auf reale Strukturen ergab bisher keine eindeutig positiven Ergebnisse: Wie die Messungen zum Schalldurchgang an einer doppelschaligen Struktur aus zwei Gipskartonplatten zeigten, verminderte sich der Schalldurchgang durch den Einsatz des Gyrators, der auf eine typische problematische Durchlassfrequenz von ca. 93 Hz abgestimmt ist, nicht. Bei Schalldurchgangsmessungen mit einem aufwändigeren, aktivem Regelsystem konnte der Schalldurchgang positiv beeinflusst werden. Eine Schalldurchgangsminderung in diskreten Neben-Peaks im Frequenzspektrum konnte erreicht werden. Als weitere reale Struktur wurde eine Waschmaschine mit besonders lauten Geräuschen beim Schleudern betrachtet, deren Drehfrequenz von ca. 23 Hz. (~ 1400 U/min) ziemlich genau mit einer Strukturresonanzfrequenz zusammenfällt. Schwingungs- und schalltechnisch stellt dieser Umstand eine äußerst ungünstige Ausgangslage dar, da die Struktur unter diesen Bedingungen mit besonders großen Schwin-gungsamplituden auf die Erregung antwortet. Es wurde ein Piezoaktor zur Schwingungs- und Schallminderung in der Mitte der Seitenwand der Waschmaschine aufgeklebt. Leider kann durch den Piezoaktor nicht genügend Schwingungsenergie eingebracht werden, um die durch das Schleudern induzierte starke Schwingung zu mindern. Auch wenn die Seitenwand der Waschmaschine mit einem Lautsprecher über Luft-Struktur-Kopplung in Schwingung versetzt wurde, konnte in dieser Anwendung mit semiaktiven Schaltungen Gyrator und NCC, die auf die Piezokapazität und die Frequenz abgestimmt waren, keine signifikante Schwingungs- und somit Schallminderung erzielt werden.
Eine direkte Umsetzung der Projektergebnisse in Produkte ist am Ende des F+E-Projektes noch nicht möglich. Allerdings wurden wertvolle Erkenntnisse im Hinblick auf die Einsatzmöglichkeiten aktiver und semiaktiver Methoden zur Schallreduzierung sowie umfangreiches Know-how bezüglich der Thematik der Struktur-/ Akustikkopplung gewonnen.
Mit dem im Projekt erarbeiteten Wissen konnten schon viele Problemstellungen bei der alltäglichen Projektarbeit angegangen werden: So ermöglichen die während des Projekts erstellten Demonstratoren die Vorstellung der Wirkungsweise von aktiven und semiaktiven Methoden bei potentiellen Anwendern der neuen Lärmminderungstechnik oder geben den Anwendern ein besseres Verständnis ihres Problems bzw. des vorgeschlagenen Lösungswegs. Es gab verschiedene Versuche, die entwickelten Lösungsansätze auszubauen und in Produkte zu integrieren. Konkret wurde schon ein größeres Projekt im Umfeld Struktur-/ Akustikkopplung im Rahmen von Dienstleistungen bearbeitet, ein zweites steht unmittelbar bevor.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Projektergebnisse wurden der Fachwelt z.B. auf dem Adaptronic-Congress, 3.-4. Mai 2006 in Göttingen vorgestellt. Mehrere Messepräsentationen erfolgten, z. B. auf der Hannovermesse 2006.


Fazit

Aus der bekannten Theorie und aus den Versuchen hat sich gezeigt, dass der Gyrator prinzipiell geeignet ist, um tonale Probleme anzugehen. Sein Aufbau ist relativ kompakt und er kann mit Teilen gebaut werden, die relativ billig sind. Er besitzt keine spill-over-Problematik, wie sie oft bei aktiven Lösungen auftritt. Der Nachteil des Gyrators ist, dass er keine elektrische Spannung stellen kann, die größer ist als die Versorgungsspannung der eingesetzten Operationsverstärker. Ferner ist er auf eine Kapazität und eine Frequenz abgestimmt. Ändert sich eine dieser Komponenten, führt dies dazu, dass sich die Abstimmung ändert und der Gyrator unter Umständen wirkungslos bezüglich Schwingungs- und Schallminderung wird. Untersuchungen hinsichtlich eines adaptiven Gyrators wären deshalb von Interesse. Die Thematik wird über das Projektende hinaus weiterverfolgt.

Übersicht

Fördersumme

194.700,00 €

Förderzeitraum

03.12.2003 - 03.12.2005

Internet

www.woefel.de

Bundesland

Bayern

Schlagwörter

Klimaschutz
Umweltforschung
Umwelttechnik