Projekt 21116/01

Umsetzung exemplarischer Maßnahmen zur Revitalisierung degradierter Uferabschnitte des Rheins im Spannungsfeld zwischen Naturschutz, Wasserstraße und Hochwasserschutz

Projektträger

NABU-Naturschutzstation Niederrhein e. V.
Im Hammereisen 27 E
47559 Kranenburg
Telefon: 02826/91876-02

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Im Widerspruch zu ihrer großen ökologischen Bedeutung sind Naturschutzbelange an den großen Flüssen stark vernachlässigt. Durch das Bundeseigentum der Flächen in Verbindung mit der Streuung der Zuständigkeiten auf Bund und Länder und damit verbundene Kostenverteilungsprobleme sind ökologisch motivierte Maßnahmen an Bundeswasserstraßen erheblich erschwert. Die Folge ist eine starke Strukturverarmung nahezu sämtlicher großer Flüsse in Deutschland mit ihren Folgen für Hochwasserschutz und Ökologie. Ziel des Projektes ist die Umsetzung beispielhafter Maßnahmen zur Revitalisierung degradierter Uferabschnitte des Rheins mit hohem Naturschutzpotenzial. Als inhaltliches Schlüsselproblem wird dabei die Initiierung dynamischer Prozesse und naturnaher Flussbett- und Uferstrukturen bei gleichzeitiger Sicherung der Funktion als Bundeswasserstraße gesehen. Die Anreicherung mit naturnahen Struktu-ren zielt auf die Reaktivierung der Habitatfunktion für defizitäre Flussbiozönosen sowie die hochwassermindernde Wirkung.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenDas Projekt stellt die Umsetzungsphase zum gleichlautenden DBU-Förderprojekt zur Initiierung exemplarischer Maßnahmen (Projektphase 1) dar. In der Umsetzungsphase wurden die in der Vorphase erarbeiteten Modellprojekte am Rhein mit den verschiedenen Projektpartnern realisiert. Für weitere Maßnahmen mit längerem Planungs- und Genehmigungsvorlauf wurden die Planungsverfahren koordiniert sowie Machbarkeitsstudien und zum Teil Entwurfspläne erstellt. Die Realisierung dieser Maßnahmen soll sich in eigenständigen Projekten anschließen.
Ein Projektbeirat aus Vertretern der relevanten Bundesministerien und zugeordneten Facheinrichtungen sowie der Länder und weiterer Experten begleitete das Projekt inhaltlich. Zu einzelnen Modellvorhaben wurden Expertengespräche organisiert und Projekt begleitende Arbeitsgruppen eingerichtet, in denen Akteure der Region, aus Behörden, Kommunen, Verbänden und ggf. Grundbesitzern zu wesentlichen Pla-nungsschritten einbezogen wurden. Bei der Realisierung der Modellprojekte kamen diverse Kooperationen zum Tragen. Als Vorhabensträger der Maßnahmen fungierten u. a. Land; Gewässerdirektion, Regie-rungspräsidium, Kommune und Wasser- und Schifffahrtsamt.

Auftakt- oder Eröffnungsveranstaltungen je Bundesland zielten darauf ab, die Maßnahmen am Rhein in einer frühen Phase neben der breiten Öffentlichkeit insbesondere auch in die Spitzen der Politik und Verwaltung der betroffenen Kommunen und des Landes zu kommunizieren. Eine Fachtagung gegen En-de des Projektes hatte zum Ziel, die Ergebnisse des Projektes am Rhein vorzustellen und im Kontext der aktuellen politischen und EU-rechtlichen Anforderungen an die Entwicklung der Flüsse und Wasserstraßen allgemein und des Rheins im besonderen zu diskutieren.


Ergebnisse und Diskussion

Realisierte Projekte - Sieben Modellmaßnahmen wurden innerhalb der Projektlaufzeit geplant und umgesetzt, vier weitere liegen als Planungen vor, konnten aber aus verschiedenen Gründen nicht realisiert werden. Bei den realisierten Projekten handelte es sich überwiegend um relativ einfach umzusetzende Vorhaben, wie dem Rückbau von Uferbefestigungen und dem ökologischen Umbau von Strombauele-menten, die ohne langwierige Planfeststellungsverfahren realisiert werden konnten. Zu diesen Maßnahmen erfolgten Erfolgskontrollen in Form der Erhebung verschiedener Parameter vor und nach der Um-setzung.
Planungsprojekte - Sechs Modellvorhaben widmeten sich weitergehenden Fragestellungen und Zielen, die nicht innerhalb von 5 Jahren zu realisieren waren, so etwa der Anlage von Nebenrinnen oder dem Umbau von Buhnenfeldern und Leitwerken. Zu diesen Vorhaben erstellte der NABU innerhalb der Projektlaufzeit Machbarkeitsstudien und z. T. Entwurfspläne. Deren Realisierung soll sich im Rahmen weiterer Projekte anschließen. Der zeitliche und finanzielle Umfang des Projektes erforderte die Beschränkung auf eine Auswahl zu bearbeitender Themen aus der Gesamtpalette struktureller Probleme des Rheinstromes. Die Modellprojekte lassen sich folgenden Themen bzw. Handlungsfeldern zuordnen:
Rückbau von Uferbefestigungen / Redynamisierung der Ufer - Steinschüttungen, Steinpackungen und Ufermauern wurden in sechs Modellprojekten in unterschiedlichen naturräumlichen und strombauli-chen Situationen rückgebaut und damit insgesamt etwa 2,6 km Rheinufer entsteint. Bei einzelnen Maßnahmen wurden zusätzlich Uferpartien abgeflacht. Die weitere Gestaltung wurde der Dynamik des Rheins überlassen. - Diskussion und Bewertung: Der Ansatz erweist sich grundsätzlich als zielführend. Rückbau nicht mehr benötigter Uferbefestigungen ist an allen betrachteten Rheinabschnitten eine wichtige Option zur Verbesserung der Situation der Ufer. Die Frage der Machbarkeit im Hinblick auf die Belan-ge der Wasserstraße hängt entscheidend an Einzelpersonen. Neben den Belangen der Wasserstraße ergeben sich Hürden auch aus Naturschutzaspekten und aus Belastungen und Altlasten. Die Maßnahmen haben alle zu wesentlich naturnäheren und ökologisch hochwertigeren Ufersituationen geführt. Bei einzelnen Projekten konnten bereits wieder entsprechende, auf naturnahe Ufersituationen spezialisierte Laufkäferarten nachgewiesen werden. Das Monitoring zur Erfolgskontrolle der Maßnahmen sollte dringend noch einige Jahre fortgeführt werden.
Ökologischer Umbau von Strombauelementen - An vielen Abschnitten des Rheins kann mit Rücksicht auf die Wasserstraße, dem Hochwasserschutz oder anliegender Bebauung auf die Strombauelemente und Befestigungen nicht verzichtet werden. Fünf Modellprojekte stellen Beispiele vor, wie durch bauliche Anpassungen auch ökologische Ziele integriert werden können, ohne die strombaulichen Funktionen zu beeinträchtigen. - Diskussion und Bewertung: Der Aufwand, insbesondere der Aufwand für Nachweise und Gutachten, erwies sich bei den entsprechenden Modellvorhaben als recht hoch. Die oft komplexen Steuerungsfunktionen vorhandener baulicher Einrichtungen erschwerten die Umgestaltung insbesondere dort, wo die gewünschte Funktion gewährleistet ist, aus wasserbaulicher Sicht also kein Handlungsbedarf gesehen wird.
Wesentlich größere Chancen, ökologisch motivierte Gestaltungselemente einbringen zu können, bestanden an Abschnitten, an denen auch die wasserbauliche Situation nicht befriedigend war. Standen auch von Seiten der Wasserstraßenverwaltung Umbauten an, ließen sich ggf. mit relativ wenig Aufwand ökologische Gestaltungselemente integrieren. Unter diesen Rahmenbedingungen wurden durchaus auch explizit Win-Win-Situationen möglich. So kann die Schaffung einer Nebenrinne durch Unterbrechung der Buhnen nahe der Buhnenwurzel ökologisch hochwertige, durchströmte Buhnenfelder schaffen und zugleich zu einer Entlastung des Hauptstroms und damit zur Minderung der Sohlenerosion beitragen.
Die Schutzwirkung von Leit- und Parallelwerken für dahinter liegende Uferbereiche dürfte erhebliche Potenziale zur Revitalisierung der entsprechenden Ufer aufweisen. Allerdings wird durch die relativ geschützte Lage zugleich auch das Potenzial zur Ausbildung hochwertiger dynamischer Uferbereiche eingeschränkt. Dennoch sind diese Abschnitte als Suchräume für die Schaffung unbefestigter Ufer zu empfehlen.
Nebenrinnen, Stromverzweigungen, Nebengewässer - Den natürlichen Rheinstrom prägte die enge Verzahnung von Strom und Aue. Inseln, Stromverzweigungen, Nebenrinnen, Flutrinnen und Altarme wa-ren Elemente einer amphibischen Stromlandschaft mit einer kleinräumigen Vielfalt an Tiefen-, Strö-mungs- und Substratverhältnissen. Der Ausbau zu einer dauerhaft befahrbaren Schifffahrtsstraße konzentrierte das Wasser immer stärker auf den Hauptstrom. Damit verschwand die natürliche Vielfalt der
Gewässerstrukturen zunehmend. Die Wiederherstellung solcher Gewässerstrukturen in direkter Verbindung zum Rhein ist Gegenstand mehrerer Planungsprojekte. - Die Ergebnisse zu den Planungsprojekten liegen in Form von Entwurfsplanungen und Machbarkeitsstudien vor. Demnach ist ihre Anlage am Niederrhein mit der Wasserstraße vereinbar. Dabei ist der Durchfluss durch die Nebenrinne vorerst auf 2% des Gesamtabflusses begrenzt. Erfahrungen liegen außerhalb des Deltarheins noch nicht vor. Die Realisierung der Maßnahmen soll im Zuge von Folgeprojekten erfolgen und dann von einem umfassenden Monitoring sowohl im Hinblick auf die Auswirkungen auf die Wasserstraße als auch im Hinblick auf die ökologischen Ziele begleitet werden
Verfahrens- und Verwaltungsaspekte - Im Zuge der Planung und Umsetzung der Modellprojekte am Rhein wurden diverse Verfahrens- und Verwaltungsfragen von grundsätzlichem Interesse für die weitere Praxis der Uferrevitalisierung an Wasserstraßen erörtert. Hier erwies sich insbesondere die Ressort übergreifende Diskussion im Beirat als wichtiges Element für den Erfolg des Projektes. Den Beiratsmitgliedern gilt unser besonderer Dank. Verschiedene Aspekte, wie Entscheidungsstrukturen, Nachweis- und Gewährleistungsauflagen, Rückbauklauseln und Unterhaltungskosten durch ökologisch motivierte Maßnahmen werden im Abschlussbericht zum Projekt ausführlich dokumentiert.
Einbindung in Projekte, Programme, Forschungsvorhaben - Um die Ergebnisse des Projektes all-gemein und der Modellprojekte im besonderen möglichst konkret für die weitere Umsetzung des Programms Rhein 2020 und der EG-Wasserrahmenrichtlinie bekannt und nutzbar zu machen, wurden gezielt Kooperationen mit einschlägigen Projekten und Programmen angestrebt. Aspekte der Modellprojekte flossen unter anderem in folgende Programme ein: Ökologische Neuorientierung der Bundeswasserstraßenbewirtschaftung (FKZ 204 21 210), Untersuchungen zu alternativen technisch-biologischen Ufersicherungen an Bundeswasserstraßen - F+E-Vorhaben der Bundesanstalt für Wasserbau und der Bundesanstalt für Gewässerkunde; Vorbereitung Maßnahmenprogramme im Rahmen der EG-Wasserrahmenrichtlinie in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen (u. a. Katalog Ziele der Gewässer-entwicklung für den rheinland-pfälzischen Rhein), Rheinprogramm 2020.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit zum Projekt kamen folgende Instrumente zum Einsatz: Website www.lebendiger-rhein.de, Faltblätter zum Gesamtprojekt und zu einzelnen Modellprojekten, ein Newsletter, eine Ausstellung und Infostände zu regionalen und überregionalen Anlässen, Informationstafeln und Baustellenschilder bei den einzelnen Modellmaßnahmen im Gelände, Vorträge und Führungen, Auftakt-veranstaltungen, Flugeinsätze eines Luftschiffs, ein eintägiges Seminar in Form einer Schiffstour auf dem Rhein, Beiträge zu zahlreichen Fachveranstaltungen und Workshops auf Länder-, Bundes- und internationaler Ebene (insbesondere Internationale Kommission zum Schutz des Rheins) sowie eine gezielte Presse- bzw. Medienarbeit.


Fazit

Mit insgesamt etwa 3 km exemplarisch umgestalteten Ufern und weiteren etwa 12 km beplanter Uferstrecke konnte das Projektziel auf der Maßnahmenebene weitgehend erreicht werden. Mit den Beispielen an den naturräumlichen Hauptabschnitten Oberrhein, Inselrhein und Niederrhein zu unterschiedlichen Themen und unter unterschiedlichen Rahmenbedingungen konnte das Projekt Impulse für die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie an Wasserstraßen und des Rheinprogramms 2020 setzen.
Neben den konkreten Maßnahmen war die Kommunikation ein zentraler Zielaspekt des Projektes. Die Vielfalt der Belange an der Wasserstraße und Siedlungsachse Rhein in Verbindung mit der Aufteilung von Zuständigkeiten und Ressorts waren als Randbedingung zu berücksichtigen. Es wurde angenom-men, dass neben den fachlichen Aspekten insbesondere auch die Verwaltungsstruktur zu Hürden, nicht nur für die Realisierung der geplanten Modellvorhaben, sondern auch für Maßnahmen zur Strukturver-besserung an Wasserstraßen allgemein führt. Deshalb wurden verschiedene Instrumente zur gezielten Förderung von Kommunikation und Austausch über Ressortgrenzen hinweg in das Projekt aufgenom-men. Ein weiterer wichtiger Aspekt war die Ausrichtung des Projektes auf laufende Programme und Richtlinien. Die Modellvorhaben sollten als Pilotprojekte Impulse für die weitere Umsetzung des Rheinprogramms 2020 und der EG Wasserrahmenrichtlinie liefern. Der Rückwirkung auf Fachpolitik und Ver-waltung waren entsprechend weiteren Instrumenten gewidmet. Sowohl innerhalb des Projektes, als auch in der Außenwirkung des Projektes kann festgestellt werden, dass das Angebot angenommen wurde, die Instrumente im Sinne der Projektziele wirksam waren und genutzt wurden.
Die große Resonanz auf die Fachtagung in Mainz im Februar 2007 mit über 180 Teilnehmern, darunter ein erheblicher Anteil aus der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes sowie der lebhafte und konstruktive Austausch unter den Teilnehmern kann als Beleg dafür gewertet werden, dass auch die be-absichtigte Kommunikation der Ansätze und Ergebnisse des Projektes und eine Rückkopplung auf Rheinschutzpolitik und Verwaltungshandeln grundsätzlich erreicht wurden.

Übersicht

Fördersumme

540.000,00 €

Förderzeitraum

02.05.2003 - 31.12.2007

Bundesland

Nordrhein-Westfalen

Schlagwörter

Landnutzung
Naturschutz
Ressourcenschonung
Umwelttechnik