Projekt 21082/01

Entwicklung und modellhafte Anwendung eines digitalen Dokumentationssystems zur Erfassung von Umweltschäden als Teil eines umfassenden Pflege- und Vorsorgesystems an der Passauer Domkirche (Bayern)

Projektträger

Kompetenzzentrum für Denkmalwissenschaften und Denkmaltechnologien (KDWT) Universität Bamberg
Am Zwinger 6
96047 Bamberg
Telefon: 0951-863-2370

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Im Laufe der Geschichte hat sich für historische Baudenkmale eine Vielzahl von Dokumenten angesammelt. Die Archivierung der schriftlichen, fotografischen oder digitalen Quellen wird aufgrund der Informationsfülle und der Verschiedenartigkeit der Datenträger zunehmend schwieriger. Auch sind Informationen zum Fortschreiten umweltbedingter Schäden häufig nicht mit den davon betroffenen Bauteilen zu korrelieren. Das zu entwickelnde digitale Gebäudearchiv (DGA) soll als multifunktionales Informationssystem die Dokumentation, Archivierung und Verwaltung gebäuderelevanter Daten strukturieren und künftige Projektierungen unterstützen. Das DGA soll ein wichtiger Baustein eines präventiven Pflege- und Vorsorgekonzeptes sein, das umweltrelevante Gebäudeschäden frühzeitig erkennen lässt und ein gezieltes Eingreifen ermöglichen soll. Die Einzelkomponenten des Systems sind eine zentrale Archivierungssoft-ware mit einem am Bauwerk orientierten Inventarisationssystems sowie ein
Kartierungs-Tool auf der Basis mobiler Endgeräte.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenDie Erstellung der kombinierten Dokumentations- und Archivierungslösung erfolgte durch parallele Entwicklung digitalen Archivierungssystems und des Kartierungstools. Beide Einheiten wurden einem kontinuierlichen Praxistest unterzogen und fortwährend den Bedürfnissen der Anwender angepasst. Schwerpunkte der Entwicklung waren die Optimierung der Archivfunktion mit Einrichtung einer semantischen Informationssuche und der Gewährleistung der Datensicherheit sowie die Erstellung einer Software zur fortschreibbaren kartographischen Dokumentation am Objekt. Die Arbeitsschritte gliederten sich in mehrere Stufen. Nach der Festlegung von Muster- und Testflächen für die Datenermittlung des Schadensverlaufes wurde die Kartierungsstruktur am Objekt aufgestellt. Zur Aufbereitung und Auswertung bereits vorhandener Daten wurden in dem Informationssystem sämtliche Datensätze auf einer gemeinsamen Plattform eingelesen und bearbeitet. Die Strukturierung der Daten erfolgte durch ein hierarchisches Anlagen-kennzeichnungssystem, das auf Planunterlagen des Gebäudes basiert.


Ergebnisse und Diskussion

Auf der Grundlage des von Hüttenmeister Michael Hauck und Prof. Drewello erstellten Gesamtkonzepts entwickelten zwei Arbeitsgruppen an den Universitäten Passau und Bamberg eine neuartige Software für die Dokumentation und Archivierung von Baudenkmalen. Durch gekoppelte Programme eines Archivierungssystems und einer Kartierungssoftware können nun sämtliche Daten, die bei der Untersuchung von Bauwerken entstehen, systematisch aufgenommen, verwaltet und anwenderfreundlich genutzt werden.
Im Passauer Team des Instituts für Informationssysteme und Softwaretechnik (IFIS) wurde unter Leitung von Professor Freitag das Digitale Archivsystem erstellt. Dieses ermöglicht die systematische Verwaltung sämtlicher Informationen und Dokumenten zu Bauwerken, die von Bauhütten, Staatsbauverwaltungen und vergleichbaren Institutionen gepflegt werden. Der Leitgedanke der Entwicklung war, eine ansprechende und für den Anwender intuitiv zu bedienende Oberfläche bereitzustellen, die einen unkomplizierten Zugang erlaubt und gleichzeitig alle Arbeitsabläufe optimal unterstützt. Ein zentrales Element des Archivsystems ist die frei definierbare hierarchische Ordnungsstruktur des zu verwaltenden Gebäudes. Die Navigation im Archiv erfolgt entweder über die herkömmliche Baumstruktur oder Gebäudepläne, am besten Grund- und Aufrisse. Zu archivierende Dokumente können einzelnen Gebäudeteilen gezielt zugeordnet und mit Metadaten versehen werden. Zusätzlich verfügt das Archiv über eine semantische, das heißt inhaltsbasierte Suchfunktion. Für den Neuaufbau oder die Übernahme von Daten aus bestehenden Systemen besitzt die Software zudem Unterstützungsfunktionen. So können Dokumente per Maus mit Drag & Drop- Funktionen eingefügt werden - die zugehörigen Metadaten werden dabei automatisch erfasst.
Professor Schlieder vom Bamberger Lehrstuhl für Angewandte Informatik in den Kultur-, Geschichts- und Geowissenschaften war für die Entwicklung des Kartierungstools verantwortlich (Mobile Mapping System, MMS). Das MMS ist eine Software zur mobilen Kartierung am Objekt, mit der Bestands-, Schadens- und Maßnahmenkartierungen durchgeführt werden können. Die wichtigste Anforderung an das Kartierungssystem war, neben dem mobilen Arbeiten, die Flexibilität, die hier gleichzusetzen ist mit der Anpassung an die Gewohnheiten des Nutzers, was eine einfache Bedienbarkeit der Software implizierte.
Die Flexibilisierung wurde auf dreifache Weise erreicht: a) Durch die Anreicherung der Kartierung mit den für den Nutzer relevanten Sachdaten (semantische Kartierung), b) die Modellierung der Terminologien und Kennzeichnungssysteme (Glossare, räumliche Bezugssysteme), c) die vom Nutzer gesteuerte Selbstbeschreibung der digitalen Karten (Metadatenerzeugung). Mit dem MMS steht für eine Kartierungslösung zur Verfügung, deren Funktionsumfang - Kartierung von Geometrie- und Sachdaten, Modellierung von Terminologien und Glossaren, automatische Generierung von Metadaten - bislang unerreicht war.
Eine besondere Eigenschaft der kombinierten Dokumentations- und Archivierungslösung, des von uns so genannten Digitalen Gebäudearchivs (DGA), ist die Überwindung der Beschränkung von CAD-Systemen, die auf die Erstellung von Plänen jeglicher Art spezialisiert sind und denen bei der Vorauswahl bewusst der Vorzug vor GIS-gestützten Systemen gegeben wurde. CAD-Systeme ermöglichen jedoch keine semantischen Auszeichnungen und keine kartenübergreifenden Suchanfragen. Erst die Kombinati-on der Passauer Archivierungslösung mit dem Bamberger Mobile Mapping System bietet diese Möglichkeiten.
Zwei Anwendergruppen, die Dombauhütte Passau und das Bamberger IABD evaluierten das Programm während der Entwicklung am Beispiel des Passauer Doms, des Südquerhauses des Bamberger Doms und des Rathaus von Neuburg an der Donau. Die zur Projektlaufzeit aktuelle Beta-Version wurde zusätzlich von anderen Anwendern getestet (Nürnberg, Salzburg, Wien), wobei die Anregungen der Nutzer kontinuierlich in die Entwicklung einflossen.
Zusammenfassend ist zu sagen, dass das DGA eine Software für Baudenkmale darstellt, die in ihrer Art bisher einmalig ist. Durch die gezielte Zuordnung von Dokumenten zu Gebäudebereichen und die Möglichkeit der thematischen Suchanfrage öffnen sich gänzlich neue Wege der Recherche, die den Nutzwert von Archivdaten enorm vergrößert. Die positive Resonanz des Fachpublikums und der erfolgreiche Ein-satz an den Objekten unterstreichen das Potenzial der entwickelten Lösung.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Das Projekt wurde dem Fachpublikum auf zwei Workshops präsentiert und in der Fachpresse publiziert (siehe Abschlussbericht). Die Nachfrage war ausgesprochen groß, ebenso das Medieninteresse.


Fazit

Die Resonanz auf das DGA übertraf alle Erwartungen, was den Bedarf an einer digitalen Software für Monumentalbauten unterstreicht. Das DGA wurde den Mitgliedern der Vereinigung der Dombaumeister von der Vorstandschaft im Jahr 2005 empfohlen. An einem Testlauf haben alle großen zentraleuropäischen Bauhütten ihr Interesse bekundet. Von den Experten wurde darüber hinaus der Wunsch geäußert, die bislang nicht zugänglichen Archive generell zu erschließen und für überregionale Anfragen zu öffnen. Nach unserem Dafürhalten ist das Projekt ausgezeichnet verlaufen. Es ist ein für die Sicherung von Kunst- und Kulturgut und die Praxis der Baudenkmalpflege exquisites Produkt entstanden, das Maßstäbe setzt.

Übersicht

Fördersumme

119.562,00 €

Förderzeitraum

19.03.2003 - 15.11.2005

Internet

www.uni-bamberg.de/ggeo/iabd

Bundesland

Bayern

Schlagwörter

Umweltkommunikation