Projekt 19814/01

Modellvorhaben: Erarbeitung eines Leitfadens zu Schadstoffbelastungen in Museen einschließlich systematischer Analysen an national wertvollen Beständen des Landesmuseums Hannover (Niedersachsen)

Projektträger

Fraunhofer-Institut für HolzforschungWilhelm-Klauditz-Institut (WKI)
Bienroder Weg 54 E
38108 Braunschweig
Telefon: 0531/2155-214

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Bezüglich der bekannten Innenraumproblematik haben kulturelle Einrichtungen eine Sonderstellung. Einerseits gilt es, für Mitarbeiter und Besucher ein gesundes Raumklima zu schaffen, andererseits müssen Exponate ggf. chemisch vor Beschädigungen geschützt werden. Eine andere Frage gilt der möglichen Langzeitgefährdung von Exponaten durch Emissionen organischer Verbindungen aus Baustoffen. Weitere Probleme kann der Einbau von Klimaanlagen verursachen. Restauratoren müssen in der Regel mit Chemikalien hantieren, sind sich aber des Gefährdungspotentials während der Behandlung von Expona-ten und der nachträglichen Abgabe dieser Stoffe an die Umgebung oft wenig bewusst. Es wurde daher die Notwendigkeit erkannt, im Rahmen eines Forschungsvorhabens und in enger Zusammenarbeit mit Museen systematische Untersuchungen durchzuführen. Weiterhin besteht Bedarf, mit den Ergebnissen des Vorhabens einen Leitfaden zu Schadstoffbelastungen in Museen zu erarbeiten.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenIm Vorhaben werden die Konzentrationen von flüchtigen und semiflüchtigen organischen Verbindungen (VOC/SVOC) in der Luft von Ausstellungsräumen und -vitrinen mittels aktiver und passiver Probenahme untersucht. Für die Charakterisierung des Konzentrations-Zeit-Verhaltens von VOCs sind kontinuierliche Messungen des Gesamtgehaltes (TVOC) mittels eines Photoakustikdetektors über mehrere Tage vorgesehen. Besondere Emissionsquellen werden durch Messungen mit einer Emissionszelle vor Ort identifiziert und ihr Einfluss auf die Innenluftqualität charakterisiert. Ergänzend werden die klimatischen Parame-ter (Temperatur, Feuchte, Luftwechsel, Luftgeschwindigkeit) erfasst. Darüber hinaus werden selektive Materialuntersuchungen an Exponaten im Labor und an Staubproben vorgenommen. Bei dieser Auswahl sind nicht nur emissionsreiche Quellen von Bedeutung. Im Hinblick auf eine schädigende Langzeitwir-kung sind auch Quellen zu betrachten, die eine scheinbar niedrige Freisetzungsrate aufweisen. Die Pla-nung der Messungen und Auswahl der Messobjekte erfolgt in Absprache mit Vertretern des Niedersäch-sischen Landesmuseums Hannover, wobei auch auf die Ergebnisse von ersten Begehungen zurückge-griffen wird. Mit Hilfe der erhobenen Daten und unter Berücksichtigung von Ergebnissen früherer nationa-ler und internationaler Forschungsvorhaben wird ein Leitfaden erarbeitet. Dieser soll Museen, Bibliotheken und Archive in die Lage versetzen, Mitarbeiter, Besucher und Exponate effektiv zu schützen und gleichzeitig durch sinnvolle Auswahl von Materialien und entsprechende Vorgaben die Freisetzung geruch-relevanter und/oder toxischer organischer Verbindungen zu minimieren. Auch die Hersteller von Museumseinrichtungen können sich an diesem Leitfaden bezüglich ihrer Produkte orientieren.


Ergebnisse und Diskussion

Anhand der in der Innenraumluft und im Hausstaub nachgewiesenen organischen und anorganischen Verbindungen lässt sich ein Zusammenhang zu dem jeweiligen Sammlungsgebiet und den hier eingesetzten Konservierungs- und Restaurierungsmaterialien sowie zu den umgebenden Bauprodukten ableiten. Damit sind Rückschlüsse auf Verpackungs- bzw. Baumaterialien von Depoträumen und Aufbewahrungsvorrichtungen sowie auf früher eingesetzte Produkte zur Prävention bzw. Konservierung der Expo-nate möglich.
Die detektierten Raumluftkonzentrationen stehen allgemein in Abhängigkeit vom jeweiligen Raumvolumen, den zur Verfügung stehenden Lüftungsmöglichkeiten, dem Beladungsverhältnis sowie den aufbewahrten Objektgattungen und den verwendeten Reinigungsprodukten. Es kommt daher insbesondere in Vitrinen und Dioramen sowie in Depoträumen zum Aufkonzentrieren von Schadstoffen. Eine Ausnahme in den Untersuchungen bildeten organische Säuren, die aufgrund der unterschiedlichen Ausstattung in den Ausstellungsräumen in höheren Konzentrationen als in den Magazinen nachgewiesen wurden.
Als primäre Emissionsquellen von Formaldehyd, organischen Säuren und bicyclischen Terpenen erwiesen sich neben Hölzern und Holzwerkstoffen auch Präparate zoologischer Sammlungen durch den Einsatz von Formaldehyd und Ameisensäure als Konservierungs- bzw. Präparationsmittel. In Prüfkammeruntersuchungen von ausgewählten Exponaten lag Essigsäure als Hauptkomponente vor. Biozide konnten insbesondere in den natur- und völkerkundlichen Sammlungen detektiert werden. In der Raumluft einiger Depoträume wurden Lindan, Naphthalin, 1,4-Dichlorbenzol, Kampfer, Camphen und Benzaldehyd nachgewiesen. In Staubproben wurden Halb- und Schwermetalle, wie Blei, Chrom, Kupfer und Zink, detektiert. Die Werte der Altstaubproben waren allgemein höher als die der Frischstaubproben. Der Nach-weis von Chlorid und Arsen im Altstaub einiger Magazine weist auf die frühere Verwendung von chlorid-haltigen Produkten und Arsenverbindungen hin. Materialproben aus Dioramen und von Tierpräparaten zeigten signifikante Konzentrationen von Arsen, PCP, DDT, chlorierten Naphthalinen, Methoxychlor und Lindan. Diese Chemikalien wurden in der Vergangenheit im Rahmen präventiver Konservierungsmaßnahmen kontinuierlich über Jahrzehnte hinweg eingesetzt und kommen, in den meisten Fällen aufgrund ihrer Toxizität, heute größtenteils nicht mehr zur Anwendung. Die Lokaldosisleistungen als radioaktiv geltender Mineralien wurden bestimmt und Empfehlungen zum Umgang mit dem Sammlungsgut erarbeitet. Eine erhöhte Strahlenexposition ist unter Einhaltung geeigneter Schutzmaßnahmen nicht gegeben. Bau-produkte und Ausstattungsmaterialien zeigen oft kurz nach ihrem Einbringen in Innenräume erhöhte E-missionsraten, die sich unter wohnhygienischen Bedingungen mit der Zeit verringern. Lüftungsmaßnahmen sind in musealen Innenräumen aufgrund der hohen Anforderungen an ein konstantes Raumklima allerdings kaum möglich, so dass eine hohe Luftbelastung zwangsläufig über einen weitaus längeren Zeitraum anhalten wird, wie sich in Museumsdepots nach einer grundlegenden Renovierung zeigte. Be-schläge auf den Innenseiten von Gemäldeverglasungen konnten im Wesentlichen auf langkettige Fettsäuren zurückgeführt werden (sog. Fogging-Effekt).
Die gemessenen Konzentrationen geben allgemein keinen Hinweis auf eine erhöhte Gefährdung der menschlichen Gesundheit. Eine Ausnahme bildet ein Depotraum, der mit lackierten Holzeinbauten aus-gestattet ist und selten belüftet wird. Durch Überschreiten der Richtwerte von Formaldehyd und bicyclischen Terpenen in der Raumluft, sollte sich das Museumspersonal nicht für längere Zeit in dem Raum aufhalten. Aufgrund der bekannten Auswirkungen von organischen Säuren auf Exponate sind angesichts der ebenfalls erhöhten Säurewerte Sanierungsmaßnahmen anzuraten. Gleiches gilt für eine mit Holzwerkstoffen ausgestattete Vitrine.
Die Bewertung der detektierten Verbindungen in Hinblick auf ihr Schädigungspotential auf Sammlungsgut erfolgte durch Vergleich mit internationalen Studien. Derzeit postulierte Richtwertforderungen und -konzepte, wie die NOAEL-/LOAED-Werte des Canadian Conservation Institute (CCI), Canada, wurden diskutiert. Schädigende Auswirkungen auf Sammlungsgut können nach dem bisherigen Stand der For-schung nicht ausgeschlossen werden. Insbesondere bei ungehindertem Kontakt zwischen Objektoberflä-che und Raumluft bzw. Staubablagerungen sind Wechselwirkungen denkbar.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Teilergebnisse wurden auf Tagungen präsentiert und in (inter-) nationalen Fachzeitschriften publiziert (siehe gesonderte Anlage). Als Projektergebnis wurde ein Leitfaden erstellt (Schadstoffe in Museen - Raumluft, Baustoffe, Exponate), der über das Fraunhofer Wilhelm-Klauditz-Institut (WKI) erhältlich ist.


Fazit

Die umfassenden Raumluft- und Hausstaubanalysen in Ausstellungs- und Depoträumen sowie in Vitrinen und Dioramen lieferten wichtige Erkenntnisse über Belastungen mit Bioziden und über die Emissionsquellen verschiedenster chemischer Verbindungen in museal genutzten Innenräumen. Aussagen über Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit konnten getroffen werden. Für die Einschätzung eines möglichen Schädigungspotentials auf Sammlungsgut sind weiterführende Untersuchungen notwendig.

Übersicht

Fördersumme

98.825,00 €

Förderzeitraum

26.11.2003 - 30.04.2006

Bundesland

Niedersachsen

Schlagwörter

Klimaschutz
Kulturgüter
Umweltforschung
Umweltkommunikation
Umwelttechnik