Projekt 19371/01

ewahrung und Wiederherstellung der biologischen Vielfalt im europäischen Vogelschutzgebiet Hakel unter besonderer Berücksichtigung des Greifvogelbestandes und der landwirtschaftlichen Bewirtschaftung mit ihrer agrarwirtschaftlichen Neuorientierung -[…]

Projektträger

Landschaftspflegeverband "Grüne Umwelt" e. V.
Am Anger 4 a
39171 Schwaneberg
Telefon: 039205/23770

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

In der Magdeburger Börde und dem angrenzenden Harzvorland hat es in den letzten Jahrzehnten vielfältige Veränderungen in der Bewirtschaftung und Nutzung der Landschaft gegeben. In Folge der Entwicklung zu großen zusammenhängenden Ackerflächen war ein Rückgang des bis dahin ausgeprägten Wegenetzes mit seinen typischen und für die heimische Tier- und Pflanzenwelt wertvollen Ackerrandstrukturen zu verzeichnen. Dies benachteiligte zwangsläufig viele charakteristische Arten des Agrarraumes, u. a. Feldhase, Rebhuhn und Feldhamster, und führte qualitativ und quantitativ zu einer relativen Verarmung des agrarisch genutzten Lebensraums. Während die landwirtschaftlichen Flächen bis Ende der 80er Jahre auf Grund der praktizierten Bewirtschaftung (charakterisiert durch eine Vielfalt an Bewirtschaftungsformen, Feldkulturen mit entsprechenden Fruchtfolgen und einem großen Tierbestand) in Verbindung mit den noch vorhandenen Landschaftsstrukturen für die Greifvögel optimale Nahrungsflächen und für viele andere geschützte Tierarten wie Feldhamster, Rebhuhn und Feldhase noch relativ günstigen Lebensraum darstellten, änderten sich die Verhältnisse insbesondere in Folge der politischen Wende 1990 wesentlich (Verringerung der Anzahl an Feldkulturen, Einengung der Fruchtfolge, Rückgang des Tierbestands u. a.). Innerhalb dieser Gesamtsituation nimmt das Europäische Vogelschutzgebiet Hakel (EU SPA Hakel, 6.441 ha) hinsichtlich des vorhandenen Greifvogelbestandes (größte Greifvogeldichte in Deutschland) inmitten der sehr fruchtbaren und intensiv genutzten Ackerbauregion Magdeburger Börde ein für Mitteleuropa einmaligen Stellenwert ein, den es zu erhalten gilt. Zur Bewahrung der biologischen Vielfalt im EU SPA Hakel und zur Verbesserung der Habitatqualität ausgewählter Charakterarten der offenen Ackerlandschaft wurde das Hakelprojekt initiiert (kofinanziert vom Land Sachsen-Anhalt, der EU, Lotto Toto S-A und Landesjagdverband S-A). Das Ziel des Projekts besteht in der Entwicklung und Um-setzung eines praktischen Konzeptes zur Bewahrung und Wiederherstellung der biologischen Vielfalt im Europäischen Vogelschutzgebiet Hakel unter besonderer Berücksichtigung des Greifvogelbestandes, des Niederwildes und des Feldhamsters (Zielstellung, 200 ha Projektfläche und 17 km Neuanlage von dreireihigen Feldhecken).


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenZur Erhöhung der Strukturvielfalt, zur Verbesserung des Nahrungsangebots und der Nahrungsverfügbarkeit sowie zur Schaffung von Deckung und Reproduktionsräumen wurden folgende Maßnahmen im Projektgebiet durchgeführt:
· Pflanzung von Feldgehölzen und Feldhecken sowie Erweiterung und Neuanlage von Streuobstwiesen,
· Wiedereinführung des Feldfutteranbaus, hauptsächlich Luzerne
· Anlage von Dauer- und Winterstoppelbrachen
· Extensive Pflege von Stilllegungsflächen (Ackergras) und Dauergrünland
Die Maßnahmen zur Neuanlage von Feldgehölzen und Feldhecken dienen in erster Linie zur Verbesserung der Strukturierung und der ökologischen Aufwertung der großflächigen Landschaft im Projektgebiet. Dabei war es mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden, die für die Bepflanzung benötigten Flächen aus landwirtschaftlichem Privatbesitz zu aquirieren. Zudem sind die Bewirtschafter der Ackerflächen (potenzielle Projektpartner) in der Regel nur Pächter der Flächen. Um die notwendigen Flächen für die Anpflanzung zu bekommen, musste auf Flächen im öffentlichen Eigentum zurückgegriffen werden (Kommunen).
Beim Luzerneanbau als Nahrungshabitatfläche für die verschiedenen Greifvogelarten wurde im Rahmen der Leistungsverträge mit den Landwirten vereinbart, dass auf allen Flächen entsprechend den naturschutzfachlichen Erfordernissen (Nahrungsverfügbarkeit während der Jungenaufzucht der verschiedenen Greifvogelarten) jeweils mindestens zwei Schnitte bzw. Nutzungen p. a. durchzuführen sind. Dabei wurden die Schnittzeitpunkte fixiert, wobei der erste Schnitt in der zweiten Maihälfte und der zweite Schnitt in der ersten Julihälfte erfolgen sollen. Weitere Schnitte blieben den landwirtschaftlichen Betrieben ohne jegliche Einschränkung freigestellt. Mit diesem System wurde eine räumlich und zeitlich gestaffelte Nutzung der Luzerne erreicht und damit die Nahrungsverfügbarkeit über den gesamten Zeitraum der Reproduktionsperiode gewährleistet.
Die Dauerbrachen wurden im Rahmen der Selbstbegrünung angelegt, um die Entwicklung der aufkommenden heimischen Ackerwildflora zu fördern und um Lebensraum zu schaffen, der ganzjährig von jegli-chen Bewirtschaftungsmaßnahmen ausgenommen ist und damit Rückzugsraum für die Tierwelt darstellt, insbesondere zur Reproduktion und als Deckung im Winterhalbjahr.
Winterbrachen wurden grundsätzlich nach einer Getreideernte eingerichtet, unbearbeitet über Winter stehen gelassen und erst im Frühjahr flächenmäßig bearbeitet.
Im Projektgebiet wurden auf Stilllegungsflächen, auf denen Ackergras oder Acker-Kleegrasgemische eingesät waren, zweimal innerhalb der Vegetationsperiode gemulcht. Das Mulchen erfolgte analog zu den Zeitpunkten wie der 1. und 2. Schnitt bei der Luzerne, um auch hier den Greifvögeln zusätzliche Nahrungshabitate anzubieten. Die Bewirtschaftung bzw. Pflege von Dauergrünland richtete sich nach den flächenkonkreten Zielen (Verbesserung der Biodiversität) und wurde mit entsprechender Flächenbindung vereinbart. Der Einsatz von Pflanzenschutzmittel und Dünger war nicht gestattet. Auf Grund des sehr geringen Dauergrünlandanteils spielte diese Maßnahme in der Praxis bzw. im Projekt eine untergeordnete Rolle.
Im Projekt wurden die einzelbetrieblichen Auswirkungen der vorgesehenen Maßnahmen auf die Wirt-schaftlichkeit der landwirtschaftlichen Unternehmen untersucht, so dass im Rahmen der Erarbeitung praktikabler Fördermechanismen erforderliche Ausgleichszahlungen Berücksichtigung finden konnten.
Gleichzeitig wurden die Auswirkungen dieser Maßnahmen auf den Bestand und die Habitatnutzung ausgewählter Vogel- und Säugetierarten untersucht. Der Fokus der Untersuchungen lag auf den im Offenland jagenden Greifvogelarten (Schwarzmilan, Rotmilan, Schreiadler und Mäusebussard) sowie auf Feldhamster, Feldhase, Rebhuhn und verschiedene Singvogelarten (besonders Grauammer).
Die naturwissenschaftlichen Begleituntersuchungen wurden durch das Institut für Biologie (Zoologie) der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg durchgeführt. Diese Untersuchungen waren als Effizienzkontrolle für die praktischen Maßnahmen angelegt und konzentrierten sich auf zwei Schwerpunkte:
· Greifvogelarten im EU SPA Hakel: Für alle in der Waldinsel Hakel (1.315 ha) brütenden Greifvogelarten wurden jährliche Bestands- und Reproduktionskontrollen durchgeführt. Diese Daten werden mit den entsprechenden Angaben von vier Referenzgebieten im Nordharzvorland verglichen. Außerdem wurde das Nahrungsangebot (Kleinsäuger) und die Nahrungsnutzung während der Nestlingszeit untersucht. Die Nutzung der umgestalteten Flächen durch Greifvögel zum Nahrungserwerb wurde zu weiterhin konventionell bewirtschafteten Bereichen bzw. Flächen verglichen.
· Leitarten der offenen Landschaft: Für Feldhamster, Feldhase, Rebhuhn und Grauammer wurden die Abundanzen im EU SPA bzw. auf Teilflächen davon ermittelt. Auch die Habitatnutzung dieser Arten in Bezug auf die durchgeführten Managementmaßnahmen stand im Mittelpunkt dieser Analyse.


Ergebnisse und Diskussion

Im Projektzeitraum konnten 36.500 Meter ein- bis sechsreihige Feldhecken und Feldgehölze auf verschiedenen Standorten im Projektgebiet gepflanzt werden. Umgerechnet auf drei Reihen ergibt sich eine Länge von 22.400 Meter und umgerechnet auf eine Reihe wurden 67.205 Meter Feldhecken gepflanzt.
Zusätzlich und in Abstimmung mit der Oberen Naturschutzbehörde Sachsen-Anhalt wurden auf 15.110 m² Streuobstfläche neu angelegt und vorhandene Streuobstwiesen um 1.250 m² erweitert. Als Pflanzmaterial wurden insgesamt eingesetzt 46.949 Stück Sträucher und 3.209 Stück Bäume.
Die zur Verfügung stehende Pflanzbreite schwankte zwischen 2 und 16 Meter und war abhängig von der noch zur Verfügung stehenden Wegbreite. Zwei Unlandflächen (Feldinseln) wurden durch die Bepflanzung mit Feldgehölzen ökologisch aufgewertet.
Entsprechend Flurkataster haben die Hauptwege in der Feldflur eine Wegbreite von 11,30 Meter bzw. 9,53 Meter. Diese Wegbreiten haben sich im Verlauf der letzten Jahrzehnte immer weiter verringert, so sind viele Wege nur noch 4 Meter bis 6 Meter breit.
Die Projektzielstellung, Anlage von 17 Kilometer Feldhecken dreireihig, wurde erfüllt bzw. bei Einhaltung der geplanten Mittel deutlich überschritten.
Im Projektzeitraum wurden 214 ha Luzerne als Nahrungshabitatflächen für Greifvögel von landwirtschaftlichen Betrieben angelegt, was 4,2 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche im EU SPA Hakel entspricht.
Hinsichtlich des Schutzes und Entwicklung des Feldhamster und des Feldhasen kommt offensichtlich dem Anbau von Luzerne ebenfalls eine besondere Bedeutung zu.
Von den beteiligten landwirtschaftlichen Betrieben wurden im Projekt 36,56 ha Dauerbrachen (0,7 % der LN im EU SPA Hakel) angelegt bzw. für die Selbstbegrünung zur Verfügung gestellt. Insbesondere unter dem Aspekt der Verbesserung der Biodiversität (Insekten) und der Verbesserung der Lebensräume für die Leitarten Feldhase und Rebhuhn (Reproduktion, Nahrungsraum, Migrationsweg) kommen den Dauerbrachen in den intensiv genutzten hochproduktiven Ackerbaugebieten, die sich im wesentlichen durch Strukturarmut und sehr große Schlaggrößen (durchschnittlich 80 bis 100 ha) auszeichnen, grundsätzlich große Bedeutung zu. Dazu sind die Dauerbrachen jedoch zu qualifizieren (Einsaat von standortgerechten Mischungen aus mehrjährigen Kulturen und Ackerkräuter mit hohen Wildartenanteil).
Winterbrachen wurden nach der Getreideernte eingerichtet und die Fläche erst im Frühjahr wieder be-stellt.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Alle am Hakelprojekt beteiligten Behörden und landwirtschaftliche Unternehmen wurden am 10.03.2006 zu einer Hakelkonferenz eingeladen. Im Rahmen dieser Konferenz wurden die Ergebnisse präsentiert und ein Vorschlag (an das Land Sachsen-Anhalt) zur langfristigen Etablierung der praktischen Maßnahmen in der Hakelregion unterbreitet um die mit dem Hakelprojekt begonnene positive Entwicklung der Biodiversität im EU SPA Hakel langfristig fortzuführen. Im Untersuchungsgebiet wurden am Projektende fünf Aufsteller mit jeweils zwei Lehrtafeln zur Information und Präsentation des Projekts aufgestellt.


Fazit

Die im Projekt durchgeführten Flächenmanagementmaßnahmen und die Pflanzung von Feldgehölzen und Feldhecken haben in unterschiedlichem Maße zum Schutz der Greifvögel und der weiteren Charakterarten der Agrarlandschaft im nordöstlichen Harzvorland beigetragen.
Für die Greifvogelarten des EU SPA Hakel sind die durchgeführten Feldheckenanpflanzungen sowohl indirekt als auch direkt positiv zu bewerten. Durch die Schaffung neuer Rückzugsmöglichkeiten für Kleinsäuger (Echte Mäuse/Wühlmäuse) können nach der Ernte und Neubestellung die angrenzenden Felder schneller und in höheren Dichten besiedelt werden. Perspektivisch wachsen mit den gepflanzten Baumreihen neue Horstträger heran, da die derzeit in der offenen Landschaft hauptsächlich genutzten Pappelwindschutzstreifen überaltern und z. T. schon zusammenbrechen.
Als wesentliche Maßnahme zum Schutz und Entwicklung des Greifvogelbestandes hat sich der Anbau von Luzerne (214 ha) herausgestellt. Die Luzerneschläge wurden von allen hauptsächlich Kleinsäuger ja-genden Greifvogelarten bevorzugt zur Nahrungssuche genutzt. Selbstbegrünte Dauerbrachen und gemähte Stilllegungsflächen mit Ackergrasansaat verbessern die Nahrungsverfügbarkeit für den Mäusebussard und z. T. für den Rotmilan. Pflege und Offenhaltung von Dauergrünland ist besonders als Nahrungshabitat für den Mäusebussard als positiv zu bewerten, auch nutzen Schreiadler solche Flächen.
Zur weiteren Gestaltung der offenen Agrarlandschaft sollten die Pflege und Erweiterung der Anpflanzungen, ein vergrößertes Flächenmanagement (insbesondere Erhöhung des Luzerneanbaus und der Dauerbrachenflächen) und die Fortsetzung der wissenschaftlichen Begleitung zählen.

Übersicht

Fördersumme

747.704,00 €

Förderzeitraum

14.05.2002 - 31.01.2007

Bundesland

Sachsen-Anhalt

Schlagwörter

Landnutzung
Naturschutz