Projekt 19296/01

Mikrobielle in-situ-Neutralisierung von schwefelsauren Bergbauseen

Projektträger

Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZSektion Gewässerforschung Magdeburg
Brückstr. 3 a
39114 Magdeburg
Telefon: 0391/8109-0

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

In den mittel- und ostdeutschen Braunkohlerevieren entstehen mehrere hundert Restseen, die etwa zur Hälfte der Zahl hoch mineralisiert und stark versauert sind (pH ca. 2,6, Gesamtvolumen der TBS 6,5 km3). In der Lausitz sind die schwefelsauren Bergbaurestgewässer landschaftsprägend und dominieren das gesamte regionale hydrologische System. Ein Abfluss der extrem sauren Gewässer in Vorfluter oder Grundwasser würde diese schädigen. Im Projekt soll ein Verfahren zur mikrobiellen Sulfatreduktion bis zur Stufe eines Demonstrationsvorhabens weiterentwickelt werden, das geeignet ist, durch In-situ-Techniken das schwefelsaure Wasser zu neutralisieren und den Sulfatgehalt zu vermindern.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenIn einem ca. 40 Jahre alten Tagebaurestsee (RL 111) soll im In-situ-Versuch die mikrobielle Sulfatreduktion durch kombinierte Zugabe von Substraten (Stroh, Carbokalk, Methanol, Ethanol) gefördert werden. Dies erfolgt durch den Einsatz eines passiven und eines aktiven Verfahrens. Im passiven Verfahren wird einmalig Carbokalk und Stroh auf die Sedimentoberfläche aufgebracht. Beim aktiven Verfahren er-folgt die biologische Neutralisierung durch Regelung von Wasserkreislauf und Substratzugabe (Ethanol, Eisen) im Durchflussreaktor. In den Vorlaufprojekten wurden die Grundlagen vom Labormaßstab bis zu In-situ-Versuchen in kleinen Enclosures (24 m3) entwickelt. Im Rahmen dieses Projektes werden Versuche zur Verfahrenstechnik mit Groß-Enclosures (4500 m3 = 1% des Seevolumens) durchgeführt, um im Anschluss die technischen Details zur Behandlung des ganzen Sees vorzulegen. Die Innovation des Projektes besteht darin, dass keine einfache chemische Neutralisierung im Sinne durchgeführt, sondern ein natürlicher mikrobiologischer Prozess so gefördert und gesteuert wird, dass eine wesentliche Säure- und Sulfatentlastung erreicht wird.


Ergebnisse und Diskussion

Die komplexe Aufgabenstellung erforderte eine Aufteilung in parallel zu bearbeitende Entwicklungslinien unter den beteiligten Partnern, Grundlagenuntersuchungen (UFZ, BTUC), Analytik, Mikrobiologie (UFZ), Bioverfahrenstechnik/Technikumversuche (BTUC), In-situ-Technik (GKSS, UF, Ing.-Büro Horn), um in der Projektlaufzeit eine neuartige In-situ-Verfahrenstechnik zur Neutralisation saurer Restseen zu entwi-ckeln.
Ergebnisse zum Passiven Verfahren
Durch die Substratzugabe (Carbokalk und Stroh) wird im Sediment des Enclosures eine anoxische, neutrale Schicht gebildet, in der Sulfat- und Eisenreduktion ablaufen und Eisensulfide ausgefällt werden. Durch die Substratzugabe werden Sulfat reduzierende Bakterien stark stimuliert, die gut an die vorherrschenden In-situ-Bedingungen - insbesondere Kälte und saure pH-Werte - angepasst sind und mit den im aktiven Verfahren angebotenen Substraten (Methanol, Ethanol) gut wachsen. Die Erstellung von Klonbanken zeigte, dass die (Eu)Bakterien der Sedimente sehr divers sind, jedoch typische Vertreter der methanogenen Archaebakterien fehlen. Damit besteht im See ein natürliches Reservoir an Sulfat reduzierenden Mikroorganismen, die für die Behandlung saurer, sulfatreicher Wässer geeignet sind.
Der Verlauf der Festlegung der Eisensulfide im Sediment über vier Jahre erreichte im Mittel 4,6 meq/m2*d bei abnehmenden Raten. Der Wert erreichte damit unter In-situ-Bedingungen nur ca. 10% der im Laborversuch erreichten Leistung. Nach Modellrechnungen ist eine Neutralisation des zirkulierenden See- bzw. des einströmenden Grundwassers bei der aktuellen sich verringernden Netto-Sulfatreduktionsrate im Sediment nicht wahrscheinlich. Eine Nachdosierung von Carbokalk erbrachte keine Steigerung der Netto-TRIS-Festlegung. Im Gegensatz zu den vorausgehenden Laborversuchen wird die Nettorate der TRIS-Bildung unter In-situ-Bedingungen wahrscheinlich nicht durch fehlende organische Nährstoffe begrenzt, sondern durch die - saisonal geprägte - Rückoxidation auf niedrigem Niveau gehalten.
Im Laufe des In-situ-Versuchs gewann die anoxische Oxidation von H2S durch Eisen(III) eine immer stärkere Bedeutung. Durch die permanente anoxische Schicht über dem Sediment kann Eisen(II) diffundieren und an sauerstoffhaltigen Wasserschichten wieder oxidiert werden. Durch Sedimentation wird es als Eisen(III) wieder zum Sediment transportiert und steht erneut als Elektronenakzeptor zur Verfügung. Damit fungiert Eisen als unerwünschter Elektronenshuttle zwischen aus der Atmosphäre in das Wasser nachdiffundierendem Sauerstoff und der anoxischen Sedimentschicht, in der die organischen Substrate als Elektronendonor bereitgestellt werden. Es ist zu befürchten, dass eine Sanierung aus jedem zeitlichen Entwicklungszustand heraus bei Zutritt von Atmosphärensauerstoff in den Ausgangszustand zurückversetzt werden kann, sobald die Zufuhr von Substrat eingestellt wird. Die saisonale Abfolge deutet darauf hin, dass im Tiefenwasserkörper über die Zeit der sommerlichen thermischen Schichtung höhere Netto-reduktionsraten auftreten als im Winter. Unter dem Einfluss des Sauerstoffeintrags durch die Vollzirkula-tion scheint eine erhöhte Rückoxidation aufzutreten, durch die der Nettowert der Eisen- und Schwefelreduktion (TRIS) saisonal sinkt. Es ist wahrscheinlich, dass die Rückoxidationsraten mit zunehmender Sanierungsdauer immer mehr ins Gewicht fallen. Um die Rückoxidationsprozesse deutlich zu verlangsa-men, ist eine räumliche Trennung von der Atmosphäre notwendig, die bis zur Erreichung des Sanierungszieles aufrecht erhalten werden muss. Es wird vorgeschlagen, ein Sanierungsexperiment zu wiederholen unter wirksamen Sauerstoffausschlussbedingungen mit dem Ziel, die Nettoraten der Sulfat- und Eisenreduktion den Bruttoraten zu nähern.
Mit dem passiven Verfahren wurden im Sediment des sauren Sees mit 4 bis 5 meq/m2 Tagesraten der biologischen Alkalinitätsproduktion erreicht, wie sie für natürliche neutrale Seen mit hoher Trophie typisch sind. Diese reichen jedoch allein nicht aus, um ein Gewässer mit der hohen Acidität von RS 111 (82,7eq/m2) zu neutralisieren.
Aktives Verfahren
Der In-situ-Betrieb einer schwimmenden, autonom arbeitenden Anlage zur Sulfatreduzierung ohne Zuspeisung mit Fremdenergie und mit Datenfernübertragung war technisches Neuland. Zu den prinzipiellen Problemen gehörten z.B. Korrosionseffekte an den Pumpen oder Gasbildung in schwimmenden Reakto-ren oder die Fernsteuerung inkl. Energieversorgung. Zur autonomen Energieversorgung wurde ein Kombinationssystem von Solar- und Windenergiegewinnung gebaut. Die Überwachung erfolgt durch eine Sensorenanordnung, deren Messwerte zentral gespeichert und durch Datenfernübertragung abrufbar sind. Die Einstellung der Steuerungselemente (Pumpen, Ventile) ist durch Funkfernsteuerung möglich. Die anfänglich eingesetzten Reaktoren mit Strohfüllung wurden in zwei Stufen durch technisch verbesserte Versionen (Füllkörper) ersetzt und auf die technische Funktion erprobt. Der einheitliche Reaktorraum wurde in drei Teilreaktoren aufgeteilt, die den Gesamtprozess sequentiell aufteilen in Eisenreaktor, Sulfatreaktor und Endreaktor (Eisen-Polizeireaktor). Die Trennung führte zu Durchflussstörungen durch veränderliche Schwimmlagen der Teile. Zur Lösung des Problems werden die 3 Teilreaktoren zukünftig fest verbunden. Die schwimmenden Reaktoren sind durch Schlauchüberläufe verbunden, die bei den Anfangsvarianten nur durch Taucher zugänglich waren, bei der weiter entwickelten Variante jedoch von der Wasseroberfläche aus erreichbar sind.
In Technikumsversuchen wurden die Prozesse der Reaktorbehandlung des Seewassers in Vergleichsvarianten detaillierter verfolgt, als dies im Freilandversuch möglich war. Es wurde deutlich, dass am Gesamtprozess von Entsäuerung und Verminderung der Sulfatkonzentration weitere Prozesse der Mineralbildung und -auflösung beteiligt sind, die in den üblichen Reaktionsgleichungen nicht aufscheinen. So trat während der Behandlung im Technikumsversuch der ersten 30 % des Wasservolumens keine signifikan-te Änderung der Sulfatkonzentration auf. Durch Lösungsgleichgewichte mit Festphasen (Gips, Jarosit) muss anfangs eine Nachlieferung an Sulfat erfolgt sein, zumal die sich anschließende Konzentrationsab-nahme dem theoretisch erwarteten Verlauf folgt. Plausibel erscheint die Umwandlung saurer Eisenhydroxosulfate (Jarosit) in Goethit mit der Nachlieferung von Sulfat und Protonen in der ersten Versuchsetappe. Die tatsächliche Entsäuerung des Wasserkörpers erfolgt damit in etwas geringerem Umfang als der bilanzierte Eintrag an Alkalinität erwarten lässt.
Während des gesamten - durch technische Störungen geprägten - In-situ-Versuchsbetriebes im Enclosure LE 9 mit den beiden Reaktorsystemen mit Füllkörperpackung wurden ca. 900 m³ Enclosure-Wasser durch die Anlagen geleitet. Davon erreichten ca. 375 m³ eine vollständige Behandlung, d.h. die Entsäuerungsreaktion wurde so weit geführt, dass das behandelte Wasser einen Hydrogencarbonatpuffer auswies (NP > 0 mmol/L). Die tatsächlich behandelte Wassermenge entspricht 7,5 % des Enclosure- Volu-mens. Eine signifikante Veränderung der Wasserbeschaffenheit des umgebenden Enclosures ist nur während der Versuchsabschnitte erkennbar, bei denen der Anlagendurchsatz kontinuierlich über einige Wochen mit vollständiger Wasserbehandlung erfolgte. Aus der Bilanz der Betriebsdaten der Reaktoren errechnet sich für diesen Abschnitt eine Produktion von ca. 5.000 mol Alkalinität. Bezogen auf das Enclosurevolumen von 4.500 m³ entspricht das einem Aciditätsabbau von 1,1 mol/m3 und stimmt in guter Nä-herung mit der ermittelten Beschaffenheitsänderung des Enclosure-Wassers überein.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Das laufende Sanierungsprojekt wurde im Deutschlandradio nach Interviews mit Wissenschaftlern des UFZ und der LMBV und einem Besuch am Restloch in einem Hörbeitrag dargestellt. Im Rahmen eines BMBF-Symposiums im Sept. 2003 zu den Optionen der nachhaltigen Entwicklung von Folgelandschaften des Braunkohlebergbaus wurden die im Projekt entwickelten und optimierten Verfahren zur Sanierung der schwefelsauren Bergbauseen dargestellt und die Perspektive des großtechnischen Einsatzes vor dem Hintergrund der EU-Wasserrahmenrichtlinie diskutiert. Die Verfahren, die erreichten Ergebnisse und die Anwendungsperspektiven wurden national und international auf wissenschaftlichen Tagungen und Kongressen vorgestellt. Auswahl: Euro Summer School Wageningen 2002 The sulfur cycle in environmental biotechnology; Mine-Water Pollution: European Interdisciplinary Network (M-WINE) 2002 Lausanne, 2003 Lissabon, 2004 Florenz; EGU/AGU/EUG Joint Assembly, Nice 2003; Deutsch-Amerikanische Umweltkonferenz 2002 Görlitz; SETAC 2002 Salt Lake City, SETAC 2004 Portland, Pit Lakes 2004 Reno; IMWA Newcastle 2004, Sudbury-Conference 2003; International Symposium on Microbial Ecology (ISME) Cancun 2004; 15th Annual Goldschmidt Geochemistry Conference, Moscow/Idaho 2005.; ISEB/ESEB Conference Leipzig 2006. Auf den fachlich einschlägigen nationalen Tagungen wurde der jeweils aktuelle Stand jährlich nahezu lückenlos präsentiert. Die wesentlichen Grundlagen-Ergebnisse wurden in wissenschaftlichen Zeitschriften publiziert (siehe Literaturliste).


Fazit

Ausgehend von den dargestellten Ergebnissen ist eine Kombination der Erkenntnisse aus beiden Verfahrensansätzen für eine Sanierung des gesamten Sees notwendig. Ein Einsatz des passiven Verfahrens für die gesamte Seefläche wird nicht empfohlen, da die hohe Rate der Rückoxidation die zunächst erreichbaren Ergebnisse rückgängig machen würde. Für das Volumen der Groß-Enclosures ist es jedoch möglich, den Einstrom von Luftsauerstoff durch eine Oberflächenabdeckung mit einer Plane in der Größe von 700 m2 weitgehend zu verhindern. Damit kann in einer Kombination des im DBU-Projekt entwickelten Durchflussreaktorsystems mit dem zusätzlich als Reaktorraum einsetzbaren Groß-Enclosure mit einem Volumen von 4.500 m3 eine beschleunigte Gesamtbehandlung erreicht werden.

Übersicht

Fördersumme

983.434,65 €

Förderzeitraum

01.05.2002 - 30.11.2005

Bundesland

Sachsen

Schlagwörter

Klimaschutz
Kulturgüter
Landnutzung
Naturschutz
Ressourcenschonung
Umweltforschung
Umwelttechnik