Projekt 19232/01

High-Tech Methoden zur Untergrundsondierung: ELNARA Elektronische Nase für Rammsonde zur Bodenerkundung

Projektträger

Forschungszentrum Karlsruhe (FZK) GmbH
76021 Karlsruhe
Telefon: 07247/82-2628

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Das Projekt ist Teil des Verbundvorhabens High-Tech Methoden zur Untergrundsondierung.
In der Bundesrepublik Deutschland werden jährlich ca. 100 ha Land für Siedlung und Verkehr verbraucht, die Hälfte dieser Fläche wird dabei versiegelt. In den letzten 50 Jahren hat sich die Siedlungs- und Verkehrsfläche in den alten Bundesländern nahezu verdoppelt. Während einerseits neue Gewerbe- und Wohngebiete auf der grünen Wiese entstehen, wächst der Anteil an Brachflächen. Ein Lösungskonzept zur Verminderung des Flächenverbrauchs ist die konsequente Umsetzung eines Flächenrecyclings, also der Wiedernutzung von industriellen, gewerblichen oder militärischen Brachflächen, vor allem im urbanen Bereich. Dies sind in aller Regel altlastverdächtige Flächen. Um eine zügige und belastbare Erkundung dieser Flächen zu gewährleisten, können Analyseverfahren, die vor Ort eingesetzt werden, wichtige Vorteile bringen. Aus diesem Grund hat die DBU das Verbundvorhaben High-Tech Methoden zur Untergrundsondierung gefördert. Ziel des Verbundes war es, konventionelle, handgehaltene bis mittelschwere Sondiersysteme mit kostengünstigen und modernen Sensoren auszurüsten. Damit sollen bereits bei den Erkundungsarbeiten analytische Signale erzeugt und ausgewertet werden können. Das Verbundvorhaben wurde in 14 eigenständige Vorhaben untergliedert, die organisatorisch klar voneinander abgegrenzt waren und eigene Vorhabensziele beinhalten: AZ 19219, 19220, 19221, 19225, 19229, 19230, 19232, 19233, 19234, 19235, 19281, 21918.
Ziel des Einzelvorhabens ELNARA Elektronische Nase für Rammsonde zur Bodenerkundung war die Entwicklung eines voll funktionsfähigen Demonstrators für eine Rammsonde mit integrierter Elektronischer Nase vom Typ der Karlsruher Mikronase (KAMINA) zur kontinuierlichen In-Situ-Bodenerkundung auf flüchtige organische Schadstoffe (z. B. BTX, KW, CKW). Damit wird die konventionelle Laboranalysetechnik von Bodenproben, um eine vorselektierende schnelle Charakterisierung von Bodenbelastungen mit lateral und tiefenaufgelöster Lokalisierung vor Ort ergänzt.
Im Detail war ein geeigneter KAMINA-Chip auszusuchen, eine anwendungsgerechte Verpackung zur kontinuierlichen Versorgung mit Bodengas zu entwickeln und eine genügend mechanisch stabile, batteriebetriebene Messelektronik zum kontinuierlichen Auslesen des KAMINA-Signalkollektivs aufzubauen. Alle Komponenten waren in einem rohrförmigen Modul mit max. Außendurchmesser von 32 mm in extrem stoßfester Aufbauweise unterzubringen, um einerseits in die vom Projekt vorgesehene Rammsonde einbaubar zu sein und andererseits die extreme mechanische Belastung beim Rammen unbeschadet überstehen zu können. Neben der Hardwareentwicklung war eine Bedien- und Auswertesoftware aufzubauen, die die Signalmuster des KAMINA-Chips online mit multivariaten Rechenverfahren auswertet, um in Echtzeit eine qualitative und quantitative Charakterisierung von Schadstoffbelastungen im Boden zu ermöglichen.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenDie Entwicklung geht von der besonders kostengünstigen und zugleich kompakten Karlsruher Mikronase KAMINA aus, die auf der Basis eines am Forschungszentrum Karlsruhe entwickelten hochintegrierten Gassensor-Gradienten-Mikroarray (GSMA) arbeitet. Das GSMA baut auf einem einzigen gasempfindlichen Metalloxidfilm auf, aus dem durch einfache Segmentierung mit parallelen Elektroden ein Array mit einer Vielzahl von Gassensoren entsteht, die grundsätzlich für alle flüchtigen organischen Schadstoffe hochempfindlich sind. Ausgenutzt wird dabei die extrem hohe Gasempfindlichkeit der elektrischen Leitfähigkeit halbleitender Metalloxide, wie SnO2 u. a., die bei Temperaturen um 300°C sensibel auf Art und Quantität nahezu aller Gasbestandteile von Luft reagieren (außer auf besonders inerte Gase wie Edelgase, Stickstoff, CO2). Die Gassensorsegmente werden in ihrem Empfindlichkeitsspektrum dadurch differenziert, dass einerseits mit den vier Heizelementen des Chips ein Temperaturunterschied von einigen 10°C über dem Mikroarray aufrecht erhalten und/oder andererseits der Metalloxidfilm mit einer nur wenige Nanometer starken gaspermeablen Membran inhomogen beschichtet wird, sodass deren Dicke über dem Mikroarray kontinuierlich variiert. Durch die Verschiedenheit der Segmente des Mikroarrays ergeben sich gascharakteristische Leitfähigkeitsmuster, die Art und Menge der Komponenten im Umgebungsgas des Mikroarrays widerspiegeln.
Zu Projektbeginn in 2002 erfolgte eine orientierende Prüfung von GSMA verschiedener Geometrie und chemischer Ausrüstung. Dazu wurden Testexpositionen der GSMA mit Oktan als Aliphatenvertreter, Benzol als Aromatenvertreter und Tetrachlormethan als Modellgas für Chlorkohlenwasserstoffe durchge-führt, bei denen im Wechsel mit feuchter Reinluft dem GSMA definiert mit den Modellgasen kontaminierte Luft zugeführt wurde. Schließlich wurden 16-segmentige Minichips (3x3,5 mm2) mit platindotiertem SnO2 mit SiO2-Membranschicht favorisiert, die für die Rammsonde wegen des geringeren Energie-verbrauchs von <1,5 W besser geeignet sind als größere Chips und zugleich exzellente Empfindlichkeit wie auch gutes Gasunterscheidungsvermögen aufwiesen. Zugleich wurde das Konzept für eine geeignete Messelektronik und ein robustes, rammfestes und in die vorgesehene Rammsonde einbaufähiges Sensormodul ausgearbeitet, das den KAMINA-Chip haltert, kontinuierlich mit Messgas umspült und die gesamte Messelektronik auf nur einer Platine enthält, die mit einem Laptop als Steuer- und Auswerterechner via serieller Schnittstelle vom RS232-Typ kommuniziert. Schließlich wurde die Erkennungsalgorithmik der Signalmusteranalyse begonnen, die methodisch auf linearer Diskriminanzanalyse aufbaut.
In 2003 wurde zunächst die Häusung der Minichips angegangen, die ohne jegliche weitere Befestigung in Aussparungen von keramischen Trägerkarten an ihren Kontaktdrähten symmetrisch aufgehängt wurden. Damit wird extreme mechanische Belastbarkeit und zugleich minimaler Energieverbrauch für die Heizung der Chips erreicht, weil der Wärmeaustausch mit der Umgebung auf ein Minimum reduziert ist. Die Trägerkarten führen einerseits die elektrischen Kontakte des GSMA zu einem Stecker, der mit der Elektronik verbindet. Andererseits halten sie den Chip zwischen zwei Edelstahlhalbzylindern, welche beide an der Stelle des Minichips eine nach außen abgedichtete Kavität haben, durch die das Messgas ein- bzw. ausströmt. In der VEGAS-Versuchshalle des Instituts für Wasserbau der Uni Stuttgart durchgeführte erste Tests des in die Rammspitze integrierten Chips und seiner fluidischen Peripherie durch sukzessive Absenkung in Rohrschächte mit Tiefenverteilungen von Benzol und Perchlorethylen zeigten die prinzipielle gasanalytische Funktionalität des Aufbaus wie auch der zugleich entwickelten Bedien- und Auswerte-software mit linearer Diskriminanzanalyse der GSMA-Signalmuster in Echtzeit. Zur weiteren Betriebsoptimierung und gasanalytischen Spezifikation des Chips in diesem Aufbau (Kopfteil des Sensormoduls) wurde ein ventilierter Beprobungskasten aus Glas eingesetzt, in dem kontrolliert Konzentrationen von Modellschadstoffen in Luft im Bereich 1 - 10.000 mg/m3 durch Verdunstung hergestellt wurden. Für eine Vielzahl potentieller Bodenschadstoffe (Benzol, Toluol, Ethylbenzol, Xylol, Dieselkraftstoff, Trichlormehan, Tetrachlormethan, Trichlorethylen, Perchlorethylen, Methyl-t-butylether) wurde die Konzentrationsabhängigkeit und die Nachweisgrenzen bei hoher bodentypischer Luftfeuchte (80% r.F.) sowie die Unterscheidungsfähigkeit mit den KAMINA-typischen Signalmustern ermittelt. Zusätzlich ist für eine Schadstoffauswahl die Querempfindlichkeit gegen Luftfeuchte geprüft worden. Parallel wurde die Ferti-gung einer rammsondengeeigneten Betriebselektronik bei der Firma Dittrich-Elektronik (Baden-Baden) in Auftrag gegeben. Die Lieferung der neuen Betriebselektronik erfolgte gegen Jahresende, worauf die Ein-bettung der Elektronik in das Sensormodul vorgenommen und drei komplette Sensormodule angefertigt wurden.
In 2004 wurde nach Anpassung der Mikroprozessor-Software der Messelektronik die volle Betriebsbereitschaft des Sensormoduls im Frühjahr erreicht. Nachfolgend fanden in der VEGAS-Versuchshalle der Uni Stuttgart erste Rammtests der kompletten Rammsonde mit eingebautem KAMINA-Sensormodul statt. Im Zuge des Tiefenvortriebs durch einen Elektrohammer mit 1400 Schlägen/min konnten simulierte Tiefenprofile von Trichlorethylen in Sandcontainern erfolgreich gemessen werden. Anschließend sind drei Feldmesskampagnen auf Arealen mit bekannter Schadstoffbelastung in Karlsruhe und Rendsburg durchgeführt worden, wo ebenfalls im Zuge sukzessiver Rammungen bei weitaus festeren Böden die Tiefenprofilierung der Schadstoffbelastung erprobt wurde. Abschließend wurde anhand experimenteller Daten zur Querempfindlichkeit gegen variierenden Methangehalt und Sauerstoffdefizite im Boden die Algo-rithmik der Signalmusteranalyse so trainiert, dass die Bodenschadstoffcharakterisierung davon nicht we-sentlich beeinträchtigt wird.


Ergebnisse und Diskussion

Grundsätzlich zeigten die Testexpositionen des 16-segmentigen KAMINA-Chips auf Basis eines platindo-tierten Zinndioxidfilms die hohe Empfindlichkeit für alle untersuchten Schadstoffklassen: aliphatische und aromatische Kohlenwasserstoffe, Kraftstoffe, Ether und chlorierte Kohlenwasserstoffe. Mit dem im Sen-sorkopf montierten 16-segmentigen KAMINA-Chip ergaben sich für eine Reihe repräsentativer Bodenschadstoffe (s.o.) in Raumluft bei 80 % rel. Feuchte Nachweisgrenzen für Kohlenwasserstoffe inklusive Kraftstoffe und Ether zwischen 0.01 und 3 mg/m3 . Während Trichlomethan mit 10 mg/m3 eine ähnliche Nachweisgrenze aufwies, sind bei den anderen 3 CKWs wegen ihrer inerten Chemie höhere Nachweisgrenzen, im Bereich um 100 mg/m3, festgestellt worden. Untersuchungen zur Querempfindlichkeit gegen Luftfeuchte zeigten für bodenlufttypische Feuchten > 70% nur einen marginalen Einfluss. Mit einer speziell für das Bodenluftscreening entwickelten sequentiellen Diskriminanzanalyse der Signalmuster konnte darüber hinaus für diese Schadstoffpalette demonstriert werden, wie eine weitgehende Unterscheidung der einzelnen Schadstoffe erreicht werden kann. Daraus ist ein Online-Screening-Verfahren auf Einkomponentenbasis (einzelner Schadstoff oder fixer Schadstoffcocktail) entwickelt worden, das nach Schadstofferkennung zur quantitativen Charakterisierung der Schadstoffsituation das kalibrierte Mediansignal der Sensorsegmente einsetzt. Als quantitativer Indikator der Gesamtkontamination neigt diese Auswertetechnik aber zur Überbewertung der festgestellten Hauptkomponente. Deshalb wurde die Signalmusteranalyse dahingehend ausgebaut, die multivariate Vielfalt der Signalmuster des Mikroarrays noch stärker zu nutzen, um Überbewertungen zu reduzieren und zugleich Störungen durch variierenden Methangehalt und Sauerstoffdefizite im Boden zu eliminieren, was mit Benzol als Modellschadstoff erfolgreich getestet werden konnte. Mehrkomponentenquantifizierung wäre zumindest für die Hauptkomponenten technisch möglich ist aber im Rahmen des Projekts aus Zeitgründen nicht weiter verfolgt worden.
Ergebnisse aus Feldversuchen: Das gesamte KAMINA-Rohrmodul, der KAMINA-Chip, seine fluidische Einbettung, die KAMINA-Betriebselektronik und die Verbindungskonstruktion überstanden schadlos alle Rammkampagnen. Defizite bei Feldeinsätzen waren vor allem auf belastungsbedingte mechanische Mängel in der Probenahme und Analytgasweiterleitung zum KAMINA-Modul zurückzuführen. Das gasanalytische Screening mit dem KAMINA-Rohrmodul ist somit geeignet durch direkte Bodenluftanalyse ohne jegliche Voranreicherung online die Schadstofflage zu charakterisieren. Die Quantifizierung des op-timierten Signalmusterauswertemodells auf Basis einer hierarchischen linearen Diskriminanzanalyse mit Annahme nur einer Schadstoffkomponente ist selbst dann als quantitativer Anzeiger der Gesamtkontamination verwendbar, wenn der Sauerstoff- und Methangehalt im Boden variiert.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Vorträge und Poster
- Field Screening with Electronic Noses for Water or Soil Pollution. J. Goschnick, I. Koronczi; Pittsburgh Conference on Analytical Chemistry and Applied Spectroscopy (PITTCON 2004), Chicago, 8.-11.03.04
- Karlsruher Mikronase KAMINA als Elektronische Nase für eine Rammsonde (ELNARA). C. Arnold, D. Häringer, I. Kiselev, J. Goschnick; Symposium Vor-Ort-Analytik: Feldmesstechnik für die Erkundung von Altstandorten, Stuttgart-Vaihingen, 30.-31.03.04
- A Percussion Probe Module Equipped with the Karlsruhe Micronose KAMINA for Depth-profiling of Soils for Volatile Pollutants. C. Arnold, J. Goschnick; 10th International Meeting on Chemical Sensors (IMCS 2004), Tsukuba, 11.-14.07.04
- Sub-soil Probe Module with the Karlsruhe Micronose KAMINA Using a Hierarchical LDA for the Recognition of Volatile Soil Pollutants. J. Goschnick, C. Arnold, D. Häringer, I. Kiselev; ISOEN 2005, Barcelona, 13.-15.04.05
Textbeiträge
- Percussion Probe Equipped with the Karlsruhe Micronose KAMINA for Rapid Online Soil Analysis of Volatile Pollutants. C. Arnold, J. Goschnick; Chemical Sensors, 20(2004) Supplement B, pp. 724-725
- Sub-soil Probe Module with the Karlsruhe Micronose KAMINA Using a Hierarchical LDA for the Recognition of Volatile Soil Pollutants. J. Goschnick, C. Arnold, D. Häringer, I. Kiselev; Proceedings of ISOEN, Barcelona, Spain, 13-15 April 2005; S. Marco, I. Montoliu [Hrsg.]; S. 300-303
- Integration der Karlsruher Mikronase KAMINA in eine Rammsonde zur direktanalytischen Bodenerkundung auf flüchtige Schadstoffe. C. Arnold, D. Häringer, I. Kiselev, J. Goschnick; Proceedings zum Symposium Vor-Ort-Analytik: Feldmesstechnik für die Erkundung von Altstandorten, Stuttgart-Vaihingen, 30.-31.03.04; Veröffentlichung in Kürze
Präsentationen
- Sensors Messe und Konferenz, Nürnberg, 13.-15.05.03
- PITTCON Messe und Konferenz, Chicago, 07.-12.03.04
- Symposium Vor-Ort-Analytik, Feldmesstechnik für die Erkundung von Altstandorten, Stuttgart 30.-31.03.04
- Umweltvorsorge, neue Regeln, Prüfwerte und Strategien im Vollzug, Osnabrück, 26./27.04.05
- Sensors Messe und Konferenz, Nürnberg, 10.-12.05.05


Fazit

Die Ausrüstung einer Rammsonde in Standarddimensionen mit dem kostengünstigen KAMINA-System hat gezeigt, dass hochempfindliche Bodengasanalytik nach Art einer Elektronischen Nase robust genug aufgebaut werden kann, um den Rammvorgang zu überstehen. Der Demonstrator bewies die Eignung für ein unkompliziertes ortsauflösendes Screening mit dem KAMINA-Rohrmodul auf flüchtige Bodenschadstoffe. Die üblicherweise hohe Luftfeuchte der Bodenluft stellt kein Problem dar. Direkte kontinuierliche Bodenluftanalyse ohne jegliche Voranreicherung ermöglicht die Schadstoffsituation in Realzeit zu charakterisieren.

Übersicht

Fördersumme

194.035,27 €

Förderzeitraum

01.01.2002 - 31.12.2004

Bundesland

Baden-Württemberg

Schlagwörter

Landnutzung
Ressourcenschonung
Umwelttechnik