Projekt 18986/01

Integrativer Anbau von Äsungsflächen – Modell zur Erhöhung der ökologischen Bedeutung von Wildäckern und Wildwiesen durch gelenkte Förderung wildwachsender Äsungs- und Deckungspflanzen

Projektträger

Universität HannoverInstitut für Botanik
Herrenhäuser Str. 2
30419 Hannover
Telefon: 0511/762-2633

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Bei den im Rahmen jagdlicher Hege angelegten Wildäckern und Wildwiesen in Niedersachsen kommt es bei aller Vielfalt der Anbaupraxis in zahlreichen Fällen zu vermeidbarer Umweltbelastung und bedenklicher Standortwahl. Das Ziel besteht darin, auf Äsungsflächen eine artenreiche Segetalvegetati-on/Grünlandnarbe zu fördern, die eine den angebauten Pflanzen vergleichbare Funktion für die Hege übernimmt und extensive Anbauformen automatisch erfordert. Im Projekt sollen Empfehlungen zur integrativen Bewirtschaftung von Äsungsflächen erarbeitet, modellhaft getestet und landesweit verbreitet werden.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenDie fehlenden ökonomischen Zwänge auf Äsungsflächen eröffnen in besonderem Maß die Option einer dem Standortcharakter angepassten Bewirtschaftung. Postuliert wird (1), dass ein bestimmter Anteil wildwachsender Pflanzenarten neben den Kulturfrüchten eine mindestens gleichwertige Funktion und Bedeutung im Hinblick auf die Nahrungs- und Habitatbedürfnisse des Wildes besitzt sowie (2), dass sich Segetalflora und Grünlandnarbe in markanter Weise von jener der Wirtschaftsäcker und -wiesen unterscheiden (Wildacker: variable Fruchtfolgen, Misch-Einsaat. Wildwiese: ganzjährige, ungeregelte und gemischte Beweidung, Standort am/im Wald). Im Projekt sollen die Vegetation, der Verbiss durch Wild sowie der Mineralstoffgehalt von Pflanze und Boden auf Äsungsflächen dokumentiert werden, die die aktuelle Bewirtschaftungspraxis in verschiedenen Naturräumen Niedersachsens widerspiegeln. In der zweiten Projektphase werden erste Anbauempfehlungen abgeleitet und auf 30 Modellflächen getestet. Zusammen mit den empirischen Erfahrungen der Revierinhaber lässt sich dann ein konsensfähiges Konzept zur Anlage integrativ angebauter Äsungsflächen entwickeln. Dieses Konzept soll in der dritten Projektphase von den Kooperationspartnern verabschiedet und durch gemeinsame Öffentlichkeitsarbeit den Kommunen, Naturschutz- und Landwirtschaftsverbänden vorgestellt werden. Darüber hinaus wird auf die niedersach-senweit organisierte Verbandsarbeit der Jäger zurückgegriffen, damit die Anbauempfehlungen auch die einzelnen Revierinhaber und -pächter erreichen. Auf diese Weise kann das Konzept auf breiter Basis zur Umsetzung gelangen.


Ergebnisse und Diskussion

(Projektphase Wildäcker)
Um die Frage nach dem ökologischen Nutzen einjähriger Wildäcker der Feldflur zu klären, wurden im ersten Projektjahr auf 68 Standorten im Tief- und Bergland Niedersachsens während der Vegetationsperiode 2002 die Ansaaten und Pflanzenarten erfasst. Jeder Wildacker unterliegt einer individuellen Anbaupraxis; jeder zweite (darunter 26 Stillegungsflächen) besitzt eine andere Einsaat. Das Spektrum der wildwachsenden Pflanzenarten vermittelt zwischen Ackerwildkraut-Gesellschaften und Ruderalen Beifußfluren und ist durch hohe Bauwerte Mehrjähriger gekennzeichnet. Die Artenzahl variiert von 12 - 63; im Mittel rund 40, im Diepholz-Nienburger Raum 24 Arten. 40% der Wildäcker beherbergen mindestens eine von 17 Arten der Roten Liste. Dabei sind individuenreiche Populationen die Ausnahme und nur auf Standorten mit langer Ackernutzung zu finden. Die quantitative Erfassung der von Rehwild und Feldhase verbissenen Pflanzenarten (Individuenzahl) sowie die Feststellung der pflanzenartspezifischen Äsungs-präferenz (Anteil Äcker, wo Art beäst im Verhältnis zur Zahl, wo Art auftrat) ergab 23 Kultur- und 67 Wildpflanzenarten. Süßgräser, aromatische und niederliegende Pflanzenarten werden weniger angenommen; hochwüchsige, milchsaftführende und saftige bevorzugt. Die wildwachsende Flora der Wildäcker erfüllt damit eine obligate Funktion im sommerlichem Nahrungsspektrum. Durch die regelmäßige Bestellung ackerfähiger Grenzertragsstandorte mit Feldfrüchten tragen Wildäcker zum Schutz erhaltenswerter Segetalvegetation bei, deren Restitution in Fällen kleiner Populationsgrößen der beteiligten Arten dringend geboten ist. Im letzten Jahr der Projektlaufzeit wurden Wildwiesen bearbeitet. Als Referenzstandorte dienten 20 Äsungsflächen in Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Um die aktuelle Bedeutung besonders alter Flächen (> 5 Jahre) für Wildtiere und -pflanzen nachzuweisen, wurden Pflanzenarten, Bodenparameter und Beäsungsintensität erhoben. Über 80% aller untersuchten Flächen beherbergen mindestens eine gefährdete Pflanzenart. Die überdurchschnittlich hohe Artenvielfalt wurde verursacht durch ein Nebeneinander verschiedener Pflanzengesellschaften. Im Gegensatz zu Wirtschaftgrünland sind für Wildwiesen auch einjährige Ackerpflanzen typisch. Diese Arten profitieren von regelmäßiger Bodenverwundung, verursacht durch den Tritt des Wildes und vor allem das Wühlen der Wildschweine. Die Be-äsungsintensität war dort besonders hoch, wo krautige Arten dominierten und die Stickstoffversorgung des Bodens gering war.
(Projektphase Wildwiesen)
Im letzten Jahr der Projektlaufzeit wurden Wildwiesen bearbeitet. Als Referenzstandorte dienten 20 Äsungsflächen in Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Die Etablierung beliebter Futterpflanzen für das Rotwild bildet das Leitbild bei Entscheidungen über Umbruch, Zwischeneinsaat oder Düngung als Maßnahmen ordnungsgemäßen Waldbaus (§ 11/2 NWaldLG). Die Pflege der Äsungsflächen wird Lohnunternehmern (Landwirten) übertragen, die dabei ihre eigenen Maschinen einsetzen. Nicht selten ist ein hoher Aufwand nötig (z.B. aufgewühlte Stellen durch Wildschweine, abgefallene Äste etc.), so dass im Rahmen des knappen Budgets zahlreiche Flächen selten oder nur partiell bearbeitet werden. Unter diesen Bedingungen entwickelte sich über die Jahre ein weites Spektrum unterschiedlicher Ausprägungen von Äsungsflächen. Dazu zählen einjährige Ackerkulturen, mehrjährige Brachen sowie - mit Ausnahme von Nasswiesen - alle nur denkbaren Ausprägungen von Grünland (Mager- und Fettwiese, Trockenrasen). Um die aktuelle Bedeutung besonders alter Flächen (> 5 Jahre) für Wildtiere und -pflanzen nachzuweisen, wurden Pflanzenarten, Bodenparameter und Beäsungsintensität erhoben. Über 80% aller untersuch-ten Flächen beherbergen mindestens eine gefährdete Pflanzenart. Die überdurchschnittlich hohe Arten-vielfalt wurde verursacht durch ein Nebeneinander verschiedener Pflanzengesellschaften. Im Gegensatz zu Wirtschaftgrünland sind für Wildwiesen auch einjährige Ackerpflanzen typisch. Diese Arten profitieren von regelmäßiger Bodenverwundung, verursacht durch den Tritt des Wildes und vor allem das Wühlen der Wildschweine. Die Beäsungsintensität war dort besonders hoch, wo krautige Arten dominierten und die Stickstoffversorgung des Bodens gering war. Das Kernproblem bestand darin, dass die Flächen nach Maßgabe äußerer Kriterien (Betriebskosten, eiweißreiche Äsung) unterhalten werden, die mit den Stand-ortansprüchen schutzwürdiger Pflanzengesellschaften nicht notwendigerweise übereinstimmen. Zwar wurden entsprechende Empfehlungen und Akutmaßnahmen zur standortgerechten Bewirtschaftung er-arbeitet, jedoch erwies sich die Durchführung wegen der komplexen Situation im Revier als unbefriedigend, da es lediglich auf den Schutz von Einzelflächen hinauslief, ohne dass es gelang, die Funktion anderer Äsungsflächen für eine Verbesserung der Äsungsflächen generell auszunutzen.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Insgesamt wurden zum Thema Wildäcker mehr als 20 Vorträge vor Jägerschaften und Hegeringen gehalten sowie zwei Broschüren herausgegeben. Eine Fachpublikation in der Zeitschrift für Jagdwissenschaft [49 (2003), 161-190] liegt vor. Ferner erschien das Projekt im Landesjagdbericht Niedersachsen 2004.


Fazit

Die Daten zur Bedeutung von Wildäckern als Standort für Wildpflanzen und als Äsungsfläche für Haarwild liefern eine Basis, auf der Pflanzenartenschutz und Jagdliche Hege kooperieren können. Im Rahmen einer Kooperation bei der Anlage und Unterhaltung von Wildäckern ließ sich der Schaden von der Umwelt (nicht standortgemäße Bewirtschaftung) abwenden und konnten ungenutzte Chancen (Restitution von Segetalflora) realisiert werden. Das Projekt fand eine unerwartet große Unterstützung bei den Jägern und bewirkte, dass die Mehrheit Wildäcker erstmals auch als Lebensraum für Pflanzenarten wahrgenommen hat und entsprechende Leitlinien zur standortgerechten Düngung und Einsaat umsetzt. Der Teil Wildwiesen erwies sich als derart komplex, dass die Bewirtschaftungsempfehlungen nur einen kleinen Teil des Notwendigen abdecken konnten.

Übersicht

Fördersumme

101.643,00 €

Förderzeitraum

15.06.2002 - 15.06.2005

Bundesland

Niedersachsen

Schlagwörter

Landnutzung
Naturschutz