Projekt 18383/02

Kooperative Ansätze des Naturschutzes in FFH- und Vogelschutzgebieten (Hauptphase)

Projektträger

Deutscher Verband für Landschaftspflege (DVL) e. V.
Promenade 9
91522 Ansbach
Telefon: 0171 5836 921

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Die Meldungen der nach europäischem Naturschutzrecht erforderlichen FFH- und Vogelschutzgebiete durch die deutschen Bundesländer haben zu gravierenden Konflikten zwischen Landnutzern und Kommunen sowie den zuständigen Naturschutzbehörden geführt. Ursache ist die erhebliche Flächenrelevanz der EU-Schutzgebiete, die auch in der so genannten Normal-Landschaft etabliert werden, sowie ein sehr stark über EU-Vorgaben geprägtes Verfahren, das regionalen Akteuren wenig Verhandlungs- und Gestaltungsspielraum lässt. Um nun nach erfolgter Gebietsmeldung die anspruchsvollen Ziele der FFH- und Vogelschutzrichtlinie vor Ort umzusetzen, sind dringend Strategien zu entwickeln. Im Projekt wird geprüft, wie die EU-Vorgaben bezüglich einer naturschutzorientierten Entwicklung dieser Gebiete in Kooperation mit den Betroffenen vor Ort umgesetzt werden können. Schließlich scheint ein rein top-down orientierter Naturschutzansatz, der in den einzelnn Regionen weder auf Verständnis noch auf Zustimmung und aktive Unterstützung stößt, auch zum erreichen von naturschutzfachlichen Zielen völlig ungeeignet. Dabei geht das Projekt davon aus, dass einer qualifizierten Kommunikation in den FFH- und Vogelschutzgebieten eine Schlüsselfunktion zukommt.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenIn zwei sehr unterschiedlich strukturierten FFH- und Vogelschutzgebieten der Mittleren Oder in Ostbrandenburg und der Region Bellheimer Wald mit Queichtal in Rheinland-Pfalz wird exemplarisch eine kooperative Umsetzung der Ziele und Maßnahmen in den FFH- und Vogelschutzgebieten geprüft. Dabei übernehmen vor Ort etablierte Landschaftspflegeverbände in Abstimmung mit den für Natura 2000 zuständigen Naturschutzbehörden eine begleitende Moderation des Natura 2000-Prozesses sowie eine kooperative Umsetzung von erforderlichen Maßnahmen. Weitere acht bis zehn größere Naturschutzprojekte, die ihren Schwerpunkt im Bereich der kooperativen Umsetzung von Natura 2000 haben, werden in das Gesamtvorhaben als Partner integriert. Dabei sollen, basierend auf sehr unterschiedlichen Ausgangslagen in den Regionen bundesweit übertragbare Lösungsansätze erarbeitet werden, wie Strategien für eine akzeptanzorientierte Umsetzung aussehen können. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, wie der Prozess der Schutzgebietsentwicklung in Zusammenarbeit mit den regionalen Akteuren umgesetzt werden kann. Über den DVL findet sowohl eine Qualifizierung und Vernetzung der wichtigsten Personen in den Projekten sowie eine begleitende überregionale Öffentlichkeits- und Informationsarbeit statt.


Ergebnisse und Diskussion

Die Untersuchung der akzeptanzsteigernden Maßnahmen ergab - auch in Anbetracht der ganz unterschiedlichen Ausgangssituationen und Konfliktlagen bei den Projektpartnern und den assoziierten Partnern - sieben Erfolgsfaktoren für eine nachhaltige Umsetzung von Natura 2000. Diese Erfolgsfaktoren sind:

Erfolgsfaktor 1: Rahmenbedingungen für Natura 2000 gestalten
Natura 2000-Gebiete machen 14% der Landesfläche in Deutschland aus. Eine Umsetzung der erforderlichen Maßnahmen in Kooperation mit Land- und Forstwirtschaft kann auf dieser Fläche nur gelingen, wenn qualifizierte Förderprogramme und eine entsprechende Mittelausstattung - wie im Health Check der EU-Agrarpolitik gefordert - vorliegen. Auch andere Rahmenbedingungen müssen umgestaltet werden. Dies gilt aktuell z. B. für das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), das zu massiven Konflikten zwischen Natura 2000 und dem Anbau von Mais führt.

Hoheitlich oder freiwillig - der Mix machts
Ein hoheitlicher Rahmen ist sinnvoll und notwendig. So ist das Brutgebiet einer Vogelart in einer stark frequentierten Region nur wirksam zu schützen, wenn Besucher über Ge- und Verbote gelenkt werden.
Andererseits kann speziell in der Land- und Forstwirtschaft über Kooperation oft mehr erreicht werden. Eine aktive Bewirtschaftung von Flächen etwa kann im deutschen Rechtssystem über Gebote nicht auferlegt werden. Im Regelfall sollten Land- und Forstwirte über attraktiven Vertragsnaturschutz für Natura 2000 motiviert werden.

Erfolgsfaktor 2: Die Regionen aktiv beteiligen
Die Betroffenen nehmen Natura 2000 bisher häufig als ein System wahr, das ihnen übergestülpt wurde. Dies wirkt in die Umsetzung hinein und erfordert besondere Anstrengungen, um regionale Akteure ins Boot zu holen und Natura 2000 auch zu ihrem Thema zu machen. Beteiligung ist dabei kein Selbstzweck. Der europäische Ansatz von Natura 2000 braucht eine starke regionale Verankerung. Nur wenn Bürgermeister, Landwirte und Touristiker hinter Natura 2000 stehen, ist ein langfristiger Erfolg möglich. In Schleswig-Holstein setzt der DVL diese Erkenntnis um und gründet gezielt in Natura 2000-Brennpunkten Lokale Aktionen aus Naturschützern, Landwirten, Kommunen und Touristikern.

Erfolgsfaktor 3: Gebietsbetreuer - Natura 2000 ein Gesicht geben
Mit Natura 2000 ist der Naturschutz in der Normal-Landschaft angelangt. Die Komplexität der Aufgaben erfordert aus Sicht des DVL, vor allem bei größeren Natura 2000-Gebieten, Gebietsbetreuer, die möglichst in regionale Strukturen eingebettet sein sollten. Sie können die Verwaltungen entlasten, damit Zeit für die hoheitlichen Kernaufgaben bleibt. Sie vermitteln zwischen europäischen Richtlinien und regionalen Interessen und können zum Motor für Natura 2000 werden.

Erfolgsfaktor 4: Managementpläne - klare Ziele für Natura 2000
Wo erforderlich, sollten Managementpläne in enger Kooperation mit allen Betroffenen erarbeitet werden. Der Umfang der erforderlichen Erfassungen sollte auf wesentliche Parameter beschränkt werden. Erforderliche Maßnahmen, deren Finanzierung und die wesentlichen Akteure für die Umsetzung sind bereits im Planungsprozess festzulegen. Auch wenn die EU-Richtlinien die Ziele von Natura 2000 festlegen, sollten die Spielräume für erforderliche Maßnahmen intensiv genutzt werden.

Erfolgsfaktor 5: Qualifizierte Beratung für den Gesamtbetrieb
Natura 2000 - was heißt das für meinen Betrieb? fragen sich verunsicherte Landwirte und Waldbesitzer. Hier entschärft eine betriebsbezogene Naturschutzberatung die Situation. In Sachsen erprobte der DVL 2006/07 die Einzelflächenberatung in Natura 2000-Gebieten. Wesentliche Erkenntnisse:
Die Landwirte reagierten überwiegend positiv auf das Beratungsangebot und konnten gezielt zu Vertragsnaturschutzmaßnahmen beraten werden.
Die derzeit angebotenen Agrarumweltmaßnahmen reichen teilweise noch nicht aus, um Managementpläne auf freiwilliger Basis umzusetzen.

Erfolgsfaktor 6: In der Öffentlichkeit für Natura 2000 begeistern
Öffentlichkeitsarbeit für den Naturschutz muss für alle Aktiven unter dem Motto Tue Gutes und rede darüber stehen. Der Erhalt der Artenvielfalt in Europa ist ein zentrales Ziel der EU, das sich alle Mitglieds-staaten nur dann mit Leben füllen können, wenn sich Bürger dafür persönlich engagieren. Doch Engagement braucht Information! Für eine breite Öffentlichkeitsarbeit lässt sich die europäische Dimension von Natura 2000 bestens nutzen.

Erfolgsfaktor 7: Natura 2000 zum Job-Motor machen
Natura 2000 kann Arbeitsplätze in ländlichen Regionen sichern und neue schaffen. Agrarumweltprogramme etwa helfen Landwirten auf Grenzertragsstandorten. Urlauber wollen attraktive Landschaften als Reiseziel, deren Erhalt ist die Basis für den Tourismus. Wird Natura 2000 mit wirtschaftlichen Möglichkei-ten und nicht primär mit Restriktionen verbunden, kann die Akzeptanz wesentlich verbessert werden.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Die Ergebnisse des Projekts wurden praxisorientiert aufbereitet und in einem Leitfaden Natura 2000 - Lebensraum für Mensch und Natur: Leitfaden zur Umsetzung veröffentlicht. Der Leitfaden ist beim DVL für eine Schutzgebühr von 5,00 € erhältlich.

Die Beiträge zu den im Rahmen des Projekts veranstalteten Tagungen können von der DVL-Homepage heruntergeladen werden. Dies sind:
1. Managementplanung für Natura 2000 in Bonn
2. Workshop Akzeptanzstrategien und Mediation im Naturschutz in Leipzig
3. LIFE+ -Tagung in Bonn
4. Abschlusstagung Natura 2000 - in Europa eingebunden, vor Ort aktiv im Rahmen des Deutschen Landschaftspflegetages 2007 in Landau/Pfalz
5. Natura 2000 - Chance für den ländlichen Raum im Rahmen des Zukunftsforums Ländliche Entwicklung des BMELV auf der Internationalen Grünen Woche 2008 in Berlin

Auf der DVL-Homepage ist eine Projektseite verlinkt unter dem Stichwort Natura 2000.


Fazit

Natura 2000 ist ein Meilenstein auf dem europäischen Weg in eine tragfähige Zukunft. Es ist das wichtigste Instrument, um die natürliche Vielfalt zu erhalten. Wir hoffen, deutlich gemacht zu haben, dass hierzu die bisherigen Strategien des Naturschutzes um wichtige neue Inhalte und Aspekte ergänzt wer-den müssen. Partnerschaften zwischen Akteuren auf regionaler Ebene müssen gelebt und nicht nur verkündet werden. Natura 2000 gilt es bei Finanzverhandlungen und in den Medien sowie im Bildungswesen breit zu verankern.

Die Bedeutung von Natura 2000 wird auch wegen des Klimawandels zunehmen, der die Blütezeiten von Pflanzen, das Zugverhalten der Vögel und ganz allgemein die Lebensmöglichkeiten von Arten verändert. Der Klimawandel ist ein wesentlicher, zusätzlicher Stressfaktor für die Biodiversität in Europa. Natura 2000 vernetzt Lebensräume europaweit. Damit wird der Biotopverbund zwischen den Natura 2000-Gebieten in Zukunft an Bedeutung deutlich gewinnen. Und selbstverständlich gilt: Wirksamer Klimaschutz ist wichtig für den Naturschutz. Je mehr wir die Klimaveränderung begrenzen können, desto besser sind die Chancen, die Artenvielfalt Europas mit Hilfe von Natura 2000 zu sichern.

Übersicht

Fördersumme

600.314,00 €

Förderzeitraum

01.07.2004 - 18.11.2008

Bundesland

Bayern

Schlagwörter

Landnutzung
Naturschutz
Umweltkommunikation