Projekt 18189/01

Modellhafte Beseitigung von Umweltschäden an der spätmittelalterlichen Kalvarienberg-Gruppe St. Georg aus Bronze und Eisen

Projektträger

Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Georg
St. Georgs Kirchhof 19
20099 Hamburg
Telefon: 040/243284

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Die rund 500 Jahre ununterbrochene freiräumliche Aufstellung der spätmittelalterlichen Kalvarienberg-Gruppe aus dem Hamburger Stadtteil St. Georg ist von herausragender Bedeutung. Ein freistehendes Skulpturen-Kunstwerk aus Bronze, Eisen und Naturstein, das ins 15.Jahrhundert gestellt wird, soll erhalten und der Öffentlichkeit in seinem Gesamtzusammenhang präsentiert werden. Das vorgeschlagene Restaurierungskonzept wurde durch grundlegenden naturwissenschaftlichen und gusstechnischen Un-tersuchungen der Originalmaterialien überprüft. Die Untersuchungsergebnisse stellten die Basis für ein geändertes Konservierungskonzept dar, das in eine ganzheitliche Restaurierung modellhaften Charakters umgesetzt wurde.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenDie gängigen Untersuchungsmethoden von historisch wertvollen Bronze-Skulpturen beziehen die Analyse des Originalmaterials, der Krusten und der Patina ein (Mach, 1999 und Riederer, 1993). Die naturwissenschaftlichen Analysen der Originalmaterialien konnten in Kooperation mit den Partnern aus dem Umfeld des ZMK erfolgen: Die Röntgenaufnahmen aller Figuren und die CT-Aufnahme des Christus-Corpus wurde von der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) Berlin durchgeführt. Das Doerner-Institut, München, analysierte die Überzüge. Die Analysen der Originalbronzen erfolgte durch das Rathgen-Forschungslabor, Berlin, mit dem AAS und mittels Röntgendiffraktometrie durch die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, Hannover, die die Bestimmung der Spurenelemente im Originalmaterial mit ICP analysierte. Der Analyse eines Gußkerns sowie der Krusten und Patina und die Klärung der Frage, ob einige oder alle Skulpturen einfach oder mehrfach gefasst waren, wurde durch das Institut für Bauphysik und Bauchemie (IBB), Hamburg, mit dem Einsatz von EDX und REM nachgegangen. Für die Durchführung der Reinigung wurden von der freien Restauratorin Frau Fendel, Gehrden bei Hannover,Testflächen am Original und auf Probematerialien angelegt. Verschiedene Reinigungsmethoden kamen zum Einsatz. Bewertungsgrundlagen waren die Putzeigenschaften, der pH-Wert und oberflächliche Fettablagerungen. Nach Inaugenscheinnahme legten Beirat und die Mitglieder der Projektgruppe das Reinigungsverfahren fest.


Ergebnisse und Diskussion

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass zur Herstellung der Skulpturen eine Legierung verwendet wurde, die im Mittelalter in Deutschland zum Guss von Skulpturen und Geräten nicht üblich war, da es sich um eine reine, zinkfreie Zinn - Bleibronze handelt, während im Mittelalter Messinge wesentlich häufiger Verwendung fanden. Die zum Guss der Kalvarienberg-Figuren verwendete Legierung ist sehr homogen, mit Ausnahme der Probe vom rechten Arm der Marien-Figur, die besonders zinn- und bleireich ist. Deutlich lässt sich erkennen, dass zum Guss der einzelnen Teile getrennt erschmolzene Bronzen verwendet wurden.
Die Konzentration der Spurenelemente zeichnet einen sehr einheitlichen Materialtyp aus, der durch besonders hohe Gehalte an Nickel, Silber, Antimon und Arsen charakterisiert ist. Kupferlegierungen mit ähnlich hohen Spurenelemetkonzentrationen waren im Mittelalter weit verbreitet. Es handelt sich nach RIEDERER, 1999 um ein Material der relativ objektreichen Gruppe IV F. In dieser Gruppe finden sich zahlreiche Messinggeräte, die bisher in relativ großer Anzahl untersucht wurden (RIEDERER, 2000 und WERNER, 1977), aber nur wenig Bronzen, etwa Grapen und Mörser, bei denen dieser Metalltyp weit verbreitet ist (RIEDERER, 1988 und 1993), der sich aber ebenfalls bei Taufbecken, Glocken und Bronzeepithaphien findet.
Alle Patina-Typen passen zu den vorliegenden Legierungen. Es gibt keine abnormen oder auffälligen Besonderheiten.Eine Bleiweißpigmentierung, die als ehemalige Farbfassung diskutiert wurde, wurde nicht nachgewiesen.Testreinigung: Die Reinigungsversuche mit dem dampfregulierten Mikrostrahlverfahren wurden als unbefriedigend bewertet.
Abfolge der angewandten Reinigungsmethoden und Reparaturen bei den Bronzen:
- Reinigung mit Druckluft; Behandlung mit S + S Neutralseife (8%-ige Konzentration mit aqua dest.) unter Einsatz weicher Bürsten und Zusatz von organischen Komplexbildnern (1% Zitratzusatz) bei einem kontrollierten pH-Wert von 6 und 15 Minuten Einwirkzeit;
- Abnahme der gelösten Verschmutzungen mit Hilfe eine Baumwolltuches; je nach Verschmutzungsgrad wurde dieser Vorgang mehrfach wiederholt; mechanische Entfernung von Ruß- und Sinterkrusten mit Elfenbeinstäbchen, Stachelschweinborsten und Retouchierbürsten; teilweise wurden Korrosionsprodukte mit Dreikantschabern und Zirkularbürsten ausgedünnt;
- Salzentfernung mit aqua dest.;
- Niederlegung der Reparaturbleche im Bereich des Schlüsselbeines des Guten Schächers mit Flach- und Kettenzangen. Die Zangenbacken wurden hierzu mit Lederstreifen belegt;
Abfolge der angewandten Methoden bei den Eisenoberflächen:
Eine gesonderte Reinigung erforderten die grün gefassten schmiedeeisernen Aufständerungen, die als Kreuzstamm bei beiden Figuren, der des Guten und der des Bösen Schächers, dienen sowie die beiden geschmiedeten Verlaschungen an der Vorder- und Rückseite des Christus-Kreuzes:
- Teilweise Entfernung der gleichmäßigen Eisenoxidauflagerungen mittels rotierender Zirkularbürsten;
- ungleichmäßige Flächekorrosion wurde mit Diamant- und korundgebundenen Schleifkörpern behandelt;
- Reinigung mit Druckluft; Entfettung mit Aceton; Ausgleich der optischen Unterschiede auf Grund korrodierter Eisenoberflächen mit Tannin;
Die Konservierung der Kalvarienberg-Figuren erfolgte mit mikrokristallinem Wachs (Cosmoloid H 80). Das Produkt stammt aus der dem technischen Korrosionsschutz. In hochreiner Form erfüllt es die Ansprüche zur Konservierung der Bronzeoberflächen. Es ist ein farbloses, säurefreies Wachs, das nicht mit Kupfer reagiert und reversibel ist. Es wurde auf die angewärmten Bronzeflächen aufgetragen und mit Hilfe eines Heißluftföns bei Temperaturen zwischen 70 bis 90 º C eingeschmolzen.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Eine Ausstellung, die den kunsthistorischen Kontext, die Ergebnisse des DBU-Förderprojektes und die Vorbereitung sowie die Durchführung des Nachgusses für eine breites Publikum verständlich aufbereitet, ist vom 09.04.2004 bis Juni 2004 in der Dreieinigkeitskirche im Stadtteil St. Georg in Hamburg für alle Interessierten zu sehen.
An der FH-Potsdam, Studiengang Restaurierung wird durch das ZMK im Rahmen einer Vortragsreihe am 11.05.2004, Beginn 18.00 h das Projekt den Studierenden und den Lehrenden vorgestellt.


Fazit

Dem vor der Antragstellung erdachten Restaurierungs- und Konservierungskonzept wurde durch die Ergebnisse der naturwissenschaftlichen Untersuchungen zur Materialkunde widersprochen.
Zur Ausführung kam die mit dem Projektbeirat und der Projektgruppe entwickelte Restaurierungs- und Konservierungsmaßnahme, die eine schonende, weniger modellhaft als gebräuchliche Restaurierungsmethodik darstellt. Die Entscheidung für diese Art der Vorgehensweise liegt in den Untersuchungsergebnissen begründet und in der Achtung vor dem Objekt, dessen 500 Jahre alten originalen Oberflächen so erhalten werden konnten.

Übersicht

Fördersumme

71.222,96 €

Förderzeitraum

22.02.2001 - 31.05.2004

Bundesland

Hamburg

Schlagwörter

Kulturgüter
Umwelttechnik