Projekt 18153/01

Thermokatalytische Niedertemperaturkonvertierung (NTK) von tierischer und mikrobieller Biomasse unter Gewinnung von Wertstoffen und Energieträgern im Pilotmaßstab

Projektträger

Fachhochschule Gießen-FriedbergLabor für Entsorgungstechnik
Wiesenstr. 14
35390 Gießen
Telefon: 0641/309-0

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Grobziel des Projektes ist es, modellhaft im Labor- und Pilotmaßstab den Beitrag der Niedertemperaturkonvertierung (NTK) zur nachhaltigen Entsorgung mikrobieller und tierischer Biomassen unter Gewin-nung von Wertstoffen und Energie aufzuzeigen.
Feinziele sind: Ermittlung von Prozessparametern im Labor zur Auslegung einer NTK-Pilotanlage; analytische Charakterisierung von Substraten und NTK-Produkten unter Berücksichtigung von Vermarktungsaspekten; Konzeption, Bau inkl. Mess- und Regeltechnik einer NTK-Pilotanlage mit interner Rückvermischung; kontinuierlicher Betrieb im Verbund mit einer Kläranlage; Anpassung der Verfahrenstechnik bei auftretenden Betriebsproblemen und bei spezifischen Substraten; Untersuchung des Stofftransfers von Schwermetallen und persistenten organischen Stoffen wie z.B. Polychlordibenzodioxine und -furane, Arznei- und Desinfektionsmittel, Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe, Polychlorierte Biphenyle zur Prozesssicherheit und Qualitätssicherung von NTK-Produkten im Rahmen der Vermarktung; Rückbelastung und Emissionen der Kläranlage durch den Betrieb der NTK. Ökologische und wirtschaftliche Bewertung der NTK mittels Ökoeffizienzanalyse im Vergleich zur Klärschlamm-Mitverbrennung im Steinkohleheizkraftwerk.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten Methodena) Umsetzung verschiedener organischer Reststoffe im Labormaßstab
b) Besichtigung alternativer, thermischer Reststoffverwertung mit fachlichem Austausch
c) Auslegung, Bau und Betrieb des Pilotreaktors auf der Basis von Laborergebnissen
d) Integration moderner Mess-, Regel- und Steuertechnik in das Reaktorkonzept
e) Analytische Begleitung der Laborsysteme und des Betriebs der Pilotanlage
f) Modifikation der Anlagentechnik im Lichte der Betriebserfahrung und den spezifischen Anforderun-gen der Klärschlammentsorgung und Tierkörperbeseitigung
g) Aufzeigen von Verwertungsmöglichkeiten für die entstehenden Produkte
h) Heterogen katalytische Umsetzung von Tierfett in flüssige Kohlenwasserstoffe bei 400-550°C
i) Projektkommunikation mit Medien, Fachverbänden und auf Seminaren, Ausstellungen, vor Ort sowie in wissenschaftlich-fachtechnischen Publikationen
j) Labortechnische Bearbeitung von Proben potentieller Kunden und Beratung
k) Durchführung einer Ökoeffizienzanalyse


Ergebnisse und Diskussion

Während des Projektverlaufs (1. März 2003 - 31. Oktober 2004) wurden anaerobe und aerobe Klärschlämme als mikrobielle Biomassen sowie Tiermehl, Fleischknochenmehl und Tierfett als tierische Biomassen der Tierkörperbeseitigung der NTK im Labor- und Pilotmaßstab unterzogen. Die Ausbeute an Öl ist bei anaerob stabilisierten Klärschlämmen mit 6-8% geringer als bei aeroben, unstabilisierten Klärschlämmen (15 - 30%). Für die Ölausbeute sind Gehalte an Fetten und Proteinen in den umzusetzenden Biomassen prägend. Magnetresonanzspektroskopie (NMR) und Infrarotspektroskopie charakterisieren die bei 400°C unter Sauerstoffausschluss gewonnenen NTK-Rohöle als aliphatische Kohlenwasserstoffe mit einem Aromatenanteil von maximal 5%. Unumgesetzte Fettsäuren liegen substratabhängig im Bereich von 2-5%. Hingegen ergeben kohlenhydratreiche Substrate, z.B. mikrobiell-kontaminierter Ökoweizen im Wesentlichen Reaktionswasser und Kohlenstoff. 13C-Festkörper-NMR weist den Kohlenstoff zu ca. 80% als Graphit (sp2-Hybridisierung) aus. Zur reaktorinternen Rückführung der in den festen, kohle-haltigen Rückständen der NTK enthaltenen anorganischen Katalysatoren (in-situ Katalyse) wurde auf der Basis von Laborumsetzungen ein thermokatalytischer Schlaufenreaktor entwickelt, zum Patent angemeldet und im Verbund mit der Kläranlage in Füssen mit Klärschlamm, Tiermehl und Fleischknochenmehl betrieben. Bei kontinuierlichem Betrieb des rückvermischenden Systems kommt es zu einem partiellen Austrag von Feinstaub über den entweichenden Gasstrom im Bereich von 1-2%. Dieser schlägt sich als Feststoff-Öl-Wassersystem in allen kühleren Bereichen (<320°C) nieder. Zur Problembehebung wurde der gasseitige Reaktorauslass möglichst ecken- und kantenfrei ausgeführt und die ursprüngliche Flächenkondensation durch Sprühkondensation ersetzt. Die Stofftrennung erfolgte in einer Drei-Phasen-Zentrifuge. Datenaufzeichnungen der Ablaufwert ließen keine signifikante Rückbelastung der Kläranlage erkennen. Bei Klärschlamm reichern sich Schwermetalle in Abhängigkeit von ihrer Flüchtigkeit bei 400°C überwiegend im festen, kohlehaltigen Rückstand an. Bei Fleischknochenmehl stellt dieser mit ca. 27% Phosphat (P2O5)eine Quelle für biogene Düngemittel dar. Die NTK führt zu einer Dehalogenierung der im Substrat vorhandenen Polychlordibenzodioxine und -furane. Die Abbaugrade liegen über 70%; jedoch können entstehende niederchlorierte Kongenere zu einer Erhöhung der Toxizitätsäquivalente führen. Die Ökoeffizienzanalyse erbrachte folgendes Ergebnis: Klärschlamm-Mitverbrennung > NTK-Anlage mit Abgasheizung > NTK-Anlage mit elektrischen Heizwendeln.
Die Umwandlung von Tierfett in aliphatische Kohlenwasserstoffe (Heizwert > 40 MJ/kg) kann bei 400°C durch dealuminierte Zeolithe katalysiert werden, während bei 550°C überwiegend Alkylaromaten entstehen. Diesbezüglich wurde ein Patentantrag zur Gewinnung flüssiger Treibstoffe aus Tierfett gestellt.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Auf mehreren lokalen Messen und auf der ACHEMA im Mai 2003 wurde das Projekt vorgestellt und diskutiert. Weitere Vorträge: VDI-Wissensforum Klärschlamm, Tiermehl, Gülle, Biogene Abfälle in Dortmund, 10/03, Deutsch-Brasilianisches Umweltforum an der Universität Tübingen im Juli 2004, Anaerobic Digestion, Montreal, 1.9.2004, Deutsch-Brasilianisches Fachgespräch Biodiesel am 1.12.2004 bei der FAL in Braunschweig, Internationaler Kongress Environmental Science and Technology, New Orleans, 24.1.2005, IFAT 2005, München und Klärschlamm 2005 Quo vadis, Frankfurt, 22.06.05. Print-Publikationen erschienen in Korrespondenz Abwasser, WLB, GIT Entsorgungsmanagement und Symposiumsbänden internationaler Kongressbeiträge. Mit mehr als vierzig Zeitungsberichten, zehn Radio- und Fernsehbeiträgen präsentierte sich das Projekt in den öffentlichen Medien. Zugang zu Projektinformationen gibt es auch unter verschiedenen Internetadressen. Mitte Juni 2004 fand zudem eine öffentliche Informationsveranstaltung zur NTK in Füssen statt, gefolgt von zwei Scoping-Terminen mit Fachbehörden im Juli 2004 und Juni 2005. Beim VW-Förderpreis wurde der 4. Platz (aus 150) erzielt.


Fazit

Klärschlamm, Tiermehl und Tierfette sind geeignete NTK-Substrate. Besonders vorteilhaft ist die Integration der NTK beim Fehlen eines Faulturms zur dezentralen Entsorgung von aerobem Klärschlamm sowie für Tier- und Fleischknochenmehl unter Energiegewinnung. Grund: Höhere Ölausbeute (15-30%) durch die Gehalte an Fetten und Proteinen. Der feste Rückstand bei der NTK von Fleischknochenmehl ist eine bedeutsame biogene Phosphor-Ressource. Bei der Umwandlung von Tierfett in biogene Treibstoffe ist der Einsatz externer Katalysatoren (dealuminierte Zeolithe) erforderlich, da zelluläre in-situ Katalysatoren fehlen. Die Ökoeffizienzanalyse ergibt, dass die NTK konkurrenzfähig zur Klärschlamm-Mitverbrennung ist. Eine NTK-Anlagenvariante mit einer Abgasheizung bei Verwertung bzw. kostenloser Entsorgung des festen kohlenstoffhaltigen Rückstands ist kostengünstiger als die Klärschlamm-Mitverbrennung in einem Steinkohleheizkraftwerk. Die NTK erscheint energetisch günstiger als die Klärschlamm-Monoverbrennung. Forschungs- und Entwicklungbedarf besteht in der Aufbereitung von Rohöl zu Dieselqualität und der Optimierung der Feinstaubabscheidung mit nachgeschalteter Kondensation.

Übersicht

Fördersumme

259.979,00 €

Förderzeitraum

01.03.2003 - 31.10.2004

Bundesland

Hessen

Schlagwörter

Klimaschutz
Ressourcenschonung
Umweltforschung
Umwelttechnik