Projekt 15979/01

Realisierung einer innovativen umweltfreundlichen Großdachkonstruktion am zentralen Standort Hermessee der EXPO Hannover

Projektträger

Deutsche Messe AG
Messegelände
30521 Hannover
Telefon: 0511/893-2000

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Das aus 10 baugleichen Modulen bestehende Dach bietet einen großflächigen Witterungsschutz, der für Messeveranstaltungen einerseits und für die bevorstehende Weltausstellung EXPO 2000 andererseits gewünscht wird. Unseres Wissens ist eine Überdachung in der vorgesehenen flächenmäßigen Ausdeh-nung wie auch in der Höhe als Holzkonstruktion bislang nicht realisiert worden. Mit der Holzkonstruktion selbst wird konstruktives Neuland betreten. Speziell die doppelt gekrümmten Gitterschalen (vier Schalen je Schirm) als Brettstapelkonstruktionen sind bisher nur in kleinerer Dimension an Prototypen umgesetzt worden. Die Erfassung der Kräfte, der Schnittgrößen und der Spannungs- und Verformungszustände ist extrem anspruchsvoll, weil hier auf Erfahrungen aus konventionellen Bauwerken kaum zurückgegriffen werden kann. Das EXPO-Dach, bestehend aus 10 eigenständigen, großformatigen Schirmen, soll als Erkennungszeichen für die Weltausstellung, aber auch als sichtbares Zeichen der heimischen Holzin-dustrie dienen. Es wird auch nach der Weltausstellung noch mindestens 10 Jahre Bestand haben und während zahlreicher Messeveranstaltungen ins Rampenlicht der Öffentlichkeit treten.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenNachdem die Grundkonzeption der Architekten vorlag, entstand die Formfindung des Tragwerkes als integraler Entwicklungs- und Planungsvorgang im engen Schulterschluss mit dem Tragwerksplaner, ein integrativer Prozess, bei dem Modellbau, Berechnung, Simulation und Designstudien immer wieder durchlaufen werden mussten, um schließlich ein optimiertes Ergebnis zu erhalten.
Es kamen Massivholzstämme zum Einsatz (Bockkonstruktionen), die aus den stärksten in Deutschland verfügbaren Weißtannenstämmen gefertigt wurden. Auch bei der Auswahl der Stämme wurde Neuland betreten, indem durch Ultraschallmessungen Rückschlüsse auf die tatsächlich vorhandene Festigkeit des individuellen Stammes gewonnen wurden.
Wegen der enormen Ausmaße der einzelnen Bauteile mussten Bockkonstruktionen und Gitterschalen vor Ort gefertigt werden. Als Montageplatz für die konstruktiv anspruchsvollen Gitterschalen (Problem: Konditionierung während des Verleimungsprozesses) diente eine Messehalle. Zum Abtransport der Gitterschalen musste eine Fassadenseite geöffnet werden.
Auch mit der Endmontage der einzelnen Komponenten wurde Neuland beschritten. Wesentliche Elemente wurden in einer Höhe bis zu 24 m montiert, wobei die Ausrichtung und Justierung der jeweiligen Unterkonstruktion sehr anspruchsvoll waren.


Ergebnisse und Diskussion

Die materielle Realisierung des großen, sowohl technologisch als auch konstruktiv äußerst anspruchsvollen Projektes mit Pionier-Charakter verlangte von den beteiligten Planern und Unternehmen ein Höchstmaß an Einsatz und Flexibilität, um den dem Projekt innewohnenden Unwägbarkeiten zu begegnen.
In der Planungsphase stellte sich heraus, dass die im Stadium der Vorbemessung getroffenen Annahmen und Schlussfolgerungen zum großen Teil unzutreffend waren. Die zutreffenden Randbedingungen mussten zum Teil auf iterativem Wege und damit zeitraubend gewonnen werden. So erbrachten z. B. die Windkanalversuche nicht nur größere Schnittkräfte sondern insbesondere eine Umkehr des Vorzeichens der Kräfte. Im Zuge des Durcharbeitens der Tragwerksplanung ergaben sich dann immer weitere Verstärkungen und Ertüchtigungen für die Konstruktion.
Die enormen Schwierigkeiten in der Planungsphase führten dazu, dass der Ausführungsbeginn sich immer weiter hinauszögerte. So konnte mit dem Bau der Gitterschalen, der eigentlich im Sommer 1999 vorgesehen war, erst im November begonnen werden. Um die Leimarbeiten an den Gitterschalen überhaupt erst zu ermöglichen, mussten diese Arbeiten in eine warme Messehalle verlagert werden. Um die Fertigstellung des Bauwerks bis zur Weltausstellung im Jahr 2000 realisieren zu können, war man gezwungen, den Gleichzeitigkeitsfaktor für den Bau der Komponenten enorm zu erhöhen. Für den Bau der Gitterschalen wurden statt der ursprünglich vorgesehenen 2 nun 7 Lehrgerüste gebaut. Auf diesen Lehrgerüsten waren 21 Mannschaften 7 Tage in der Woche in 3 Schichten rund um die Uhr im Einsatz. Nur so konnte das gesteckte Terminziel erreicht werden, obwohl die Arbeiten wegen der CeBit und der Industriemesse im Frühjahr 2000 für 5 Wochen vollständig eingestellt werden mussten.
Speziell für den Bau der Gitterschalen war es erforderlich, Fachkräfte aus vielen mittelständischen holzbearbeitenden Betrieben, möglichst aus der Umgebung, zusammenzuziehen und so zu steuern, dass der Bau von insgesamt 40 Gitterschalen weitgehend reibungslos ablaufen konnte. Es sei erwähnt, dass die einzelnen Arbeitsgänge beim Bau der Gitterschalen sehr arbeitsintensiv und damit zeitaufwendig waren. Es mussten bis zu 11 Lagen Brettholz übereinander kreuzweise zusammengefügt und durch Leimen und Verschrauben miteinander verbunden werden. Obwohl die Form der Gitterschalen durch die Lehren und die Randelemente vorgegeben war, erforderte es großes handwerkliches Geschick, die Brettlagen und die anderen Komponenten in die höchst komplizierten geometrischen Formen zu zwingen.
Gegen Ende der Bauzeit konnten die letzten Gitterschalen in nur 8 Tagen komplett fertiggestellt werden. Es hat sich gezeigt, dass mittelständische holzverarbeitende Familienbetriebe durchaus in der Lage sind, auch neuartige, ambitionierte und revolutionäre Großbauten gemeinsam unter Einsatz des letzten Standes der Technik zu realisieren, sofern eine sinnvolle Koordination und Arbeitsteilung vorgenommen wird.
Das EXPO-Dach hat bereits während der Weltausstellung EXPO 2000 als Symbol gedient und einen hohen Multiplikationseffekt ausgelöst. Dieser wird sich für mindestens weitere 10 Jahre während zahlreicher Messeveranstaltungen fortsetzen. Das fertige Bauwerk zeigt, dass die zunächst unterschätzten Schwierigkeiten bei der Realisierung durch erhöhte Anstrengungen und Flexibilität in der Planung, vor allem aber durch das Beschreiten neuer Wege in der handwerklichen Fertigung gemeistert werden konnten.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Das Projekt wurde in der Planungs- und Bauphase in zwei Pressekonferenzen der Öffentlichkeit vorgestellt, zunächst im Schwarzwald, bezogen auf die Unterkonstruktion, und später im Rahmen der LIGNA am 10.05.99 auf dem Gelände der Deutschen Messe AG. Kürzlich ist unter dem Titel EXPO-Dach Symbolbauwerk zur Weltausstellung Hannover 2000 eine Dokumentation erschienen. Herausgeber: Prof. Thomas Herzog, Prestel-Verlag, München.


Fazit

Zum Zeitpunkt der Entscheidung für den Bau des EXPO-Daches waren sich die Beteiligten über den wahren Schwierigkeitsgrad dieser innovativen Konstruktion nicht im Klaren. Aus heutiger Sicht hätte die Entscheidung damals durchaus negativ ausfallen können. Dennoch sind sich alle Beteiligten heute darin einig, dass das EXPO-Dach als Holzbauwerk mit Pionier-Charakter einen Symbolwert für die Leistungsfähigkeit insbesondere der deutschen Holzbau Industrie entwickeln wird.
Das EXPO-Dach besticht vordergründig durch ästhetische Aspekte. Der Wert des Bauwerks als konstruktiv bahnbrechendes und ökologisch ausgewogenes Holzbauwerk erschließt sich dem fachlich interessierten Betrachter erst beim Vergleich der Dimensionen und Proportionen mit anderen großen Holzbauwerken sowie beim Betrachten von Details. Das EXPO-Dach zeigt die Grenzen dessen an, was heute im konstruktiven Holzbau machbar ist.

Übersicht

Fördersumme

1.533.875,64 €

Förderzeitraum

26.03.1999 - 26.09.2000

Bundesland

Niedersachsen

Schlagwörter

Klimaschutz
Ressourcenschonung
Umweltforschung
Umwelttechnik