Projekt 14178/07

Verbund Bewachsene Bodenfilter: Mikrobiologische Untersuchungen zur seuchenhygienischen Bewertung naturnaher Abwasserbehandlungsanlagen

Projektträger

UmweltbundesamtFachbereich I 1.3
06813 Dessau
Telefon: 030/8903-2369

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Bewachsene Bodenfilter, auch als Pflanzenkläranlagen bezeichnet, sind mit Helophyten besetzte Feuchtgebiete, denen Abwasser intermittierend ober- oder unterirdisch zugeführt wird. Die Abwasserreinigung basiert auf einem Zusammenwirken von Pflanze, Boden und Abwasser und ist durch ein komple-xes System physikalischer, chemischer und biologischer Vorgänge gekennzeichnet. Die Pflanzen sind nicht Träger des Reinigungsprozesses, sie fördern milieuabhängige Vorgänge, die für die Abwasserreinigung in der Pflanzenkläranlage äußerst wichtig sind. Bewachsene Bodenfilter sind aufgrund langjähriger Untersuchungen zur Verminderung chemischer Abwasserinhaltsstoffe geeignet. Für die Beurteilung des seuchenhygienischen Risikos fehlen demgegenüber Untersuchungen zur Elimination von im Abwasser auftretenden Krankheitserregern (fakultativ pathogene Bakterien, Viren, Parasiten).


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenIm Verbundprojekt Bewachsene Bodenfilter als Verfahren der Biotechnologie wurden im Zeitraum von 1999 bis 2002 unter Praxisbedingungen mikrobiologische Untersuchungen im Zu- und Ablauf Bewachsener Bodenfilter in den Anlagen Wiedersberg, Ettenbüttel und See, die überwiegend mit häuslichem Abwasser beschickt werden, durchgeführt. Die Anlagen unterscheiden sich hinsichtlich des Anlagenbetriebs (Standort, Vor- und Nachklärung, Bauform, Betriebsweise, hydraulische Verhältnisse und Belastung) und variabler Einflüsse (Konzentration der Zulaufwerte, Niederschlagsverhältnisse, Abwassertemperatur).
· Anlage Wiedersberg: Mehrkammergrube à Vertikal- und Horizontalfilter (Hauptreinigung) à Vorfluter
· Anlage Ettenbüttel: 2 hintereinander geschaltete Abwasserteiche à Vertikalfilter (Nachreinigung) à Vorfluter
· Anlage See: Mehrkammergrube à 2 hintereinander geschaltete Horizontalfilter (Hauptreinigung) à Versickerung
Zur Untersuchung wurden die in der Trinkwasserhygiene bewährten Indikatoren Koloniezahl, E. coli, coliforme Bakterien, Enterokokken und Coliphagen und als potenziell pathogene Mikroorganismen bzw. Krankheitserreger Campylobacter/Arcobacter, Clostridium perfringens, Salmonellen, Yersinien, enteropathogene E. coli (E. coli O 157), Cryptosporidien-Oozysten und Giardien-Zysten genutzt.


Ergebnisse und Diskussion

Mikrobiologische Befunde
· Große Schwankungsbreite
Die Konzentrationen der Indikatororganismen und Krankheitserreger streuten an den einzelnen Probe-nahmestellen der Anlagen um 2 bis 3 Zehnerpotenzen um die Mittelwerte. Die Schwankungen im Tagesgang betrugen dagegen 1 bis 2 Zehnerpotenzen.
· Zuläufe
In den Zuläufen der untersuchten Bodenfilter lagen die Konzentrationen im Mittel für E. coli/coliforme Bakterien zwischen 106/100 ml und 107/100 ml und für Enterokokken sowie Coliphagen zwischen 105/100 ml und 106/100 ml. Die Mittelwerte für Campylobacter/Arcobacter entsprachen denen für Enterokokken, für Clostridium perfringens betrugen sie 103/100 ml bis 104/100 ml. Parasitendauerformen ka-men in geringeren Konzentrationen vor. Sporadisch traten Salmonellen und pathogene Biovare von Yer-sinia enterocolitica auf, pathogene E. coli ( E. coli O157) wurden dagegen nicht nachgewiesen.
· Eliminationsleistung
Bei hohen Konzentrationen im Zulauf (105/100 ml bis 106/100 ml) wurden nach der Passage im ersten Bodenfilter bei gleichmäßigen Betriebsverhältnissen hohe Eliminationsraten für E. coli, coliforme Bakte-rien, Enterokokken und Campylobacter/Arcobacter beobachtet. Lagen die Konzentrationen unter 103/100 ml, wurden demgegenüber keine Eliminationen festgestellt. Die Elimination für E. coli, coliforme Bakterien, Enterokokken und Campylobacter/Arcobacter betrug im Mittel 1,5 bis 2,5 Zehnerpotenzen pro Bodenfilter, sie erreichte im Einzelfall auch bis zu 5 Zehnerpotenzen. Für Giardien-Zysten, Cryptosporidien-Oozysten und Clostridium perfringens ergaben sich bezüglich der Elimination gleiche Tendenzen. Coliphagen und Parasitendauerformen wurden in den Abläufen der Anlagen nur in geringen Konzentrationen, Salmonellen und pathogene Yersinien wurden demgegenüber nicht nachgewiesen. Faktoren, die die Elimination beeinflussen
· Meteorologische Faktoren
Bei starken Niederschlagsereignissen bzw. Fremdwasserzuflüssen wurde die Konzentration der Mikroorganismen stark verdünnt. Dies führte zu geringeren Eliminationswerten und damit Leistungseinbußen bei Bewachsenen Bodenfiltern. Höhere Abwassertemperaturen begünstigen im Vergleich Sommer- versus Winter-Betrieb die Eliminationsleistung um ca. eine Zehnerpotenz, sofern nicht andere Bedingungen (z. B. Mikroorganismenkonzentrationen, hydraulische Be(Über)lastung) den Jahresgang überprägen.
· Anlagenbedingte/technische Faktoren
Die hydraulische Belastung beeinflusste die Elimination der Mikroorganismen nachweislich. Bei mittleren Konzentrationen im Zulauf (105/100 ml - 106/100 ml) nahmen die Eliminationswerte deutlich ab, wenn die durchschnittlichen Beschickungshöhen von 80 mm/d (Hauptreinigung in Wiedersberg) und 120 mm/d (Nachreinigung in Ettenbüttel) mehrtägig deutlich überschritten wurden. Ein kurztägiger Intervallbetrieb mit hydraulischen Spitzen bis zu 250 mm/d hatte dagegen keinen Einfluss auf das mikrobiologische Leistungsbild. Bei sehr hohen Zulaufkonzentrationen (> 107/100 ml) wurden trotz hoher Beschickungsmengen (290 mm/d) auch hohe Eliminationswerte erreicht (104/100 ml). Ein Einfluss der Rückführung von im Vertikalfilter behandeltem Abwasser in die Vorklärung (Verbesserung der Denitrifikation) auf die mikrobiologische Eliminationsleistung konnte nicht belegt werden. Mehrstufige Bodenfilter führten insgesamt zu hohen Eliminationen (3 bis 5 Zehnerpotenzen). Im Vergleich dazu erreichten einstufige Bodenfilter mit 1,5 bis 2,5 Zehnerpotenzen geringere Eliminationsraten. Die mittleren Eliminationsleistungen für Vertikal- und Horizontalfilter lagen überwiegend bei 1,5 bis 2 Zehnerpotenzen und entsprachen den Ergebnissen bisheriger Untersuchungen. Geringere Elimination (0,5 bis 1 Zehnerpotenzen) und höhere Elimination (2,5 Zehnerpotenzen) sind abhängig von der Höhe der mikrobiellen Belastung im Zulauf. Unterschiede zur Eliminationsleistung zwischen Vertikal- und Horizontalfilter wurden nicht festgestellt. Stö-rungen in der Betriebsführung (Verstopfung, Einfrieren von Zulaufeinrichtungen) führten durch hydraulische Kurzschlüsse unter Umgehung der Bodenfiltration bis zum Zusammenbruch der Eliminationsleistung. Im Regelbetrieb wurden bei mehrstufigen Anlagen die Anforderungen der Bewässerungswasser-, Beregnungswasser- und EU-Badegewässerrichtlinie eingehalten, bei einstufigen Anlagen gelingt dies nur teilweise.
Anforderungen an die mikrobiologische Überwachung
· Im Regelbetrieb empfiehlt sich zur Feststellung der mikrobiologischen Belastung eine Mehrfachbeprobung an 1 bis 2 Tagen, die für ausgewählte Sommer- und Wintertage repräsentativ sind. Dabei sind im Wesentlichen die Zu- und Abläufe der einzelnen Bodenfilter zu untersuchen, um die Gesamtanlage in Hinblick auf das mikrobiologische Eliminationspotenzial beurteilen zu können.
· Differenzierte Betriebsverhältnisse (u. a. Forschungsanlagen, modellhafte Untersuchungen) erfordern einen wesentlich höheren, auf Messkampagnen ausgerichteten Probenahmerhythmus.
· Auf Grund des ähnlichen Verhaltens der untersuchten Spezies im Hinblick auf die Eliminationen können weitere mikrobiologische Untersuchungen auf wenige Parameter (Indikatoren) ausgerichtet werden. Zur Leistungsbeurteilung verschiedener Anlagenstufen kann ein Einzelparameter herangezogen werden. Der Anlagenablauf ist mit den Parametern zu untersuchen, die für eine nutzungsorientierte hygienische Einstufung erforderlich sind. Zum seuchenhygienischen Unbedenklichkeitsnachweis besonders in Badegewässern oder Trinkwassereinzugsgebieten sollten zusätzlich die Anlagenabläufe auch auf Krankheitserreger untersucht werden.
· Als Überwachungsparameter zur Beurteilung der mikrobiologischen Elimination der einzelnen Anlagenbauteile wird der Parameter E. coli vorgeschlagen. Dies ist aus arbeitstechnischen und finanziellen Erwägungen sinnvoll.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

· Teilnahme am Pressegespräch zur Vorstellung des Verbundprojekts Bewachsene Bodenfilter und Erarbeitung einer Presseinformation Bisherige Erfahrungen mit Bewachsenen Bodenfiltern, Hannover, März 1999.
· Bearbeitung des Abschnitts Hygiene und mikrobiologische Untersuchungen für die Homepage Bewachsene Bodenfilter, Mai 2000.
· Diehl, K., Hagendorf, U.: Mikrobiologische Anforderungen zur seuchenhygienischen Bewertung bei der Abwasserbehandlung durch Bewachsene Bodenfilter. Vortrag und Veröffentlichung bei Tagung Stand der Technik und Innovationen für die Praxis bei Bewachsenen Bodenfiltern, Celle, September 2000.
· Hagendorf, U., Diehl, K., Feuerpfeil, I., Hummel, A., Szewzyk, R.: Retention of microbiological Organisms in Constructed Wetlands. 7th International Conference on Wetland Systems for Water Polution Control, Vol II, 391 - 398, University of Florida, Lake Buena Vista, Florida.
· Hagendorf, U., Diehl, K. (2001): Keimelimination in Bewachsenen Bodenfiltern. Wasser & Boden, 53 (3): 16?18.
· Diehl, K., Hagendorf, U., Feuerpfeil, I., Hummel, A., Szewzyk, R.: Mikrobiologische Untersuchungen zur seuchenhygienischen Bewertung naturnaher Abwasserbehandlungsanlagen. Posterausstellung TerraTec Leipzig, März 2001.
· Hagendorf, U.: Mikrobiologische Untersuchungen im Abwasser von Pflanzenkläranlagen, Erfahrungsaustausch Pflanzenkläranlagen der ATV. Mai 2001.
· Diehl, K., Hagendorf, U.: Naturnahe Abwasserbehandlungsanlagen - Mikrobiologische Untersuchungen im Abwasser von Bewachsenen Bodenfiltern. Internationales Seminar St. Marienthal, Juni 2001.
· Hagendorf, U., Bartocha, W., Diehl, K., Feuerpfeil, I., Hummel, A., Lopez-Pila, J., Szewzyk, R.: Mikrobiologische Untersuchungen zu seuchenhygienischen Bewertung naturnaher Abwasserbehandlungsanlagen. WaBoLu-Hefte 3/02, Umweltbundesamt.
· Hagendorf, U., Diehl, K., Feuerpfeil, I., Hummel, A., Lopez-Pila, J., Szewzyk, R. (2002): Bewachsene Bodenfilter und ihre seuchenhygienische Bewertung. UMID 4/2002.
· Hagendorf, U. (2003): Naturnahe Abwasserbehandlungsanlagen (Bewachsene Bodenfilter). Umwelt 1/2003, 54-55.
· Fehr, G., Geller, G., Goetz, D., Hagendorf, U., Kunst, S., Rustige, H., Welker, B.: Bewachsene Bodenfilter als Verfahren der Biotechnologie. UBA-Texte 05/2003, Umweltbundesamt.


Fazit

Bewachsene Bodenfilter bieten bei sachgerechter Dimensionierung und ausgewogener Betriebsführung einschließlich planmäßiger Pflege- und Wartungsarbeiten hohe Eliminationsleistungen für Mikroorganismen. Insgesamt ist festzustellen, dass die mikrobiologischen Eliminationsleistungen Bewachsener Bodenfilter die klassischer Belebungsanlagen deutlich übertreffen. Aus gesundheitlichen Vorsorgegründen ist die mikrobiologische Überwachung im Ablauf Bewachsener Bodenfiltern geboten, da die Einlei-tung der Abläufe Bewachsener Bodenfiltern häufig in hydraulisch leistungsschwache und ökologisch oder umwelthygienisch belastungsempfindliche Vorfluter (Bachoberläufe), in stehende Gewässer einschließlich Trinkwassertalsperren und Badegewässer oder die Versickerung in Boden und Grundwasser erfolgt.

Übersicht

Fördersumme

349.376,48 €

Förderzeitraum

21.09.1998 - 31.03.2002

Bundesland

Bundesrepublik Deutschland

Schlagwörter

Bundesrepublik Deutschland
Klimaschutz
Ressourcenschonung
Umweltforschung
Umwelttechnik