Projekt 13040/05

Förderschwerpunkt Biotechnologie: Verbund Industrielle Nutzung von Biokatalysatoren: Entwicklung eines modellhaften biotechnologischen Verfahrens zur umweltverträglichen fermentativen Produktion von Brenztraubensäure

Projektträger

Forschungszentrum Jülich GmbH Institut für Biotechnologie I Gebäude 15.4
Wilhelm-Johnen-Str.
52428 Jülich
Telefon: 02461/61-5169

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Der steigende Bedarf an Brenztraubensäure (Pyruvat) im pharmazeutisch-medizinischen Bereich sowie als Nahrungsergänzungsmittel erfordert die Etablierung einer Alternative zur energieaufwändigen klassischen Herstellung durch Pyrolyse von Weinsäure. Ziel des Forschungsprojekts war daher die Entwicklung eines hocheffizienten biotechnologischen Verfahrens zur Herstellung von Pyruvat aus Glucose mittels rekombinanter Escherichia coli-Stämme. Die dabei eingesetzte Strategie, Zellwachstum und Produktbildung durch die Verfügbarkeit eines essenziellen Cosubstrats (Acetat) zu regulieren, besitzt Mo-dellcharakter für viele Fermentationsprozesse.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenDie Stammentwicklung am Institut für Biotechnologie 1 (IBT1) hatte als primäres Ziel die Charakterisierung des E. coli-Ausgangsstamms für die Pyruvat-Produktion. Dazu wurden Glucose-Verbrauch und Pyruvat-Bildung von wachsenden und ruhenden Zellen bei unterschiedlichen Glucose- und Acetat-Konzentrationen gemessen, um Bedingungen für eine optimale Pyruvat-Bildung zu finden. Die Ergebnisse deuteten auf Bildung das Nebenprodukts Lactat hin, die durch Deletion des ldhA-Gens eliminiert werden konnte. Der resultierende Produktionsstamm wurde durch Transkriptom-Analysen mit DNA-Microarrays (in Kooperation mit Dr. Volker Wendisch, IBT1) sowie durch Proteom-Analysen mittels 2D-Gelelektrophorese und Identifizierung von relevanten Proteinspots mittels MALDI-TOF-Massen-spektrometrie charakterisiert. Parallel zur Stammentwicklung wurde am Institut für Biotechnologie 2 (IBT2) die Fermentationsentwicklung im Laborreaktor-Maßstab (10 l) durchgeführt. Dabei wurde einerseits versucht, durch Biomasse-Rückhaltung mittels Mikro- oder Ultrafiltration hohe Zelldichten und damit hohe Glucose-Umsatz-Raten zu erzielen. Andererseits wurde die Prozessführungsvariante be-stimmt, bei der über den gesamten Verlauf von Wachstums- und Produktionsphase die höchste Glucose-Pyruvat-Selektivität erreicht wurde. Weiterhin erfolgte eine Optimierung der Prozessregelung, wobei als Parameter die Glucose-Konzentration, die CO2-Bildung, der pH-Wert und die Zelldichte online ver-folgt und ggf. geregelt wurden. Bei der halbtechnischen Realisierung durch die Amino GmbH stand zunächst eine Marktrecherche im Vordergrund, gefolgt von der Etablierung einer Aufarbeitungsmethode für Brenztraubensäure bzw. Na- und Ca-Pyruvat. Die bei der Fermentationsentwicklung und der halbtechnischen Realisierung erhaltenen Daten wurden dazu verwendet, um Wirtschaftlichkeit, Umweltverträglich-keit und Nachhaltigkeit des Gesamtprozesses zu evaluieren, und zwar im Rahmen des Projekts AZ 13040/02.


Ergebnisse und Diskussion

Teilprojekt Stammentwicklung (Prof. Bott): Der E. coli-Stamm YYC202, der aufgrund mehrerer Mutationen Pyruvat nicht mehr zu Acetyl-CoA, Acetat bzw. PEP umsetzen kann, wurde als hervorragender Pyruvat-Produzent charakterisiert, der unter geeigneten Bedingungen Glucose vollständig in Pyruvat umsetzen kann (>1,9 mol/mol). Bei höheren Glucose-Konzentrationen, insbesondere bei fed-batch-Fermentationen, wurden jedoch erhebliche Mengen (>300 mM) Lactat gebildet. Durch Inaktivierung des ldhA-Gens für die NAD+-abhängige Lactat-Dehydrogenase konnte die Lactat-Bildung vollständig eliminiert und dadurch deutlich höhere Pyruvat-Titer, molare Ausbeuten und Raum-Zeit-Ausbeuten erreicht werden. Die Identifizierung des Gens für den Pyruvat-Importer mittels Transposon-Mutagenese und Selektion auf Fluorpyruvat-resistente Klone gelang nicht. Das Multidrug-Efflux-System AcrAB konnte als Pyruvat-Exporter ausgeschlossen werden. Proteomanalysen mittels 2D-Gelelektrophorese und MALDI-TOF-Massenspektrometrie sowie Transkriptom-Analysen mit DNA-Chips zeigten, dass der Glyoxylat-Zyklus in YYC202 vermutlich fehlt und die Pyruvat-Produktion zur Induktion von Säurestress-Genen führt. Weiterhin zeigte ein Gen für einen bisher nicht charakterisierten sekundären Transporter eine stark erhöhte Expression, der möglicherweise am Pyruvat-Export beteiligt ist.
Teilprojekt Fermentationsentwicklung (Dr. Takors): Mit E. coli YYC202ldhA konnte die Laktat-freie Pyruvat-Produktion im Labormaßstab in einem Glucose- und Acetat-geregelten fed-batch-Ansatz bis zu einem Titer von 700 mM (62 g/L) mit einer integralen Produkt/Substrat-Ausbeute von 1,1 mol/mol erzielt werden. Durch repetitive fed-batch-Prozessführung konnten sogar integrale Ausbeuten von 1,7 mol/mol und eine Raum-Zeit-Ausbeute von 145 g/(L*d) erreicht werden. Bei vergleichbarem Produkttiter liegen diese Werte um 10 % bzw. 500 % höher als beim Konkurrenz-Verfahren mit Torulopsis glabrata. Während eine kontinuierliche Prozessführung mit Zellrückhaltung keine Verbesserungen ergab, gelang durch einen in-situ product recovery (ISPR)-Ansatz mittels vollständig integrierter Elektrodialyse die online Abtrennung von Pyruvat aus dem laufenden Prozess bis zu einer Aufkonzentrierung von 550 mM mit einer Raum-Zeit-Ausbeute von 68 g/(L*d) und einer molaren Ausbeute von 1,19 mol/mol. Daraus ergibt sich, dass durch Kombination von repetitiver fed-batch-Kultivierung mit integrierter Produktabtrennung durch Elektrodialyse ein sehr effizientes Verfahren zur mikrobiellen Pyruvat-Produktion mit dem E. coli-Stamm YYC202 ldhA zur Verfügung steht. Darüber hinaus konnten einfache, nicht-strukturierte, formal-kinetische Modelle zur Beschreibung von Wachstum, Substratverbrauch und Produktbildung identifiziert werden, die die Basis für simulative Scale-up Studien und Prozessoptimierungen bieten.
Teilprojekt halbtechnische Realisierung (Prof. Faurie): Das Biotransformations-Verfahren des IBT wurde im Hinblick auf die Verwendung der Brenztraubensäure bzw. der Na/Ca-Pyruvate als Pharma-Food-Wirkstoff analytisch bewertet. Neben pharmagerechten Analyseverfahren wurden Spezifikationen erarbeitet und erfolgreich an Modellösungen ein entsprechendes umweltfreundliches Downstream-Processing-Verfahren für die Herstellung von Brenztraubensäure bzw. Na/Ca-Pyruvaten entwickelt. Das Verfahren erlaubt die Herstellung von Pharma-Food-Qualitäten mit minimaler Nebenproduktbildung und ist deshalb ein gutes Beispiel für produktionsintegrierten Umweltschutz. Eine detaillierte Marktanalyse konnte die Chancen und Risiken bei der Vermarktung von Brenztraubensäure bzw. Na/Ca-Pyruvaten aufzeigen. Dabei zeigte sich, dass die Verwendung von Pyruvat als Rohstoff sehr interessant ist und deshalb weiter verfolgt wird.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

- Gerharz, T., Zelic, B., Takors, R. und Bott, M. (2001): Produktion von Pyruvat aus Glucose mit Escherichia coli. In Biokatalyse, Spektrum Akademischer Verlag (Heidelberg), pp. 29-33.
- Gerharz, T., Morjan, K., Polen, T., Wendisch, V.F. and Bott, M. (2003): Highly efficient production of pyruvate or L-alanine from glucose using acetate-auxotrophic Escherichia coli strains. In Vorbereitung.
- Gerharz, T. (2003): Pyruvat-Produktion durch acetat-auxotrophe Escherichia coli-Stämme. Dissertation, Universität Düsseldorf.
- Takors, R., Zelic, B., Gerharz, T. und Bott, M. (2003): Pyruvat-Produktion aus Glucose mit rekombinanten Escherichia coli-Stämmen. Transkript, Sonderband Nachhaltige Biokatalyse, 96-99.
- Zelic, B. (2003): Study of the process development for Escherichia coli based pyruvate production. Dissertation, University of Zagreb.
- Zelic, B., Gerharz, T., Bott, M., Vasic-Racki, D., Wandrey, C. and Takors, R. (2003): Fed-batch process for pyruvate production by recombinant Escherichia coli YYC202 strain. Eng. Life Sci. 3: 299-305.
- Zelic, B., Gostovic, S., Vuoriletho, K., Vasic-Racki, D., und Takors, R. (2004): Process strategies to enhance pyruvate production with recombinant Escherichia coli: From repetitive fed-batch to ISPR with fully integrated electrodialysis. Biotechnol. Bioeng. 85: 638-646.
- Zelic, B., Vasic-Racki, D., Wandrey, C. and Takors, R. (2004): Modeling of the pyruvate production with Escherichia coli in a fed-batch bioreactor. Bioproc. Biosyst. Eng., 26: 249-258.
- Bott, M. (2001): Pathway analysis and metabolic engineering of bacteria for the production of useful compounds. Vortrag im Rahmen der Biotechnika am 11. Oktober in Hannover.
- Gerharz, T. und Bott, M. (2001): Pyruvate production from glucose by a recombinant Escherichia coli strain. Posterpräsentation bei der Tagung Biotrans 2001 vom 2.-9. September in Darmstadt.
- Gerharz, T. (2001): Pyruvate production from glucose by a recombinant Escherichia coli strain. Vortrag im Rahmen eines Workshops des Graduierten-Kollegs Molekulare Physiologie der Universität Düsseldorf vom 23.-25. November in Bad Neuenahr-Ahrweiler.
- Gerharz, T. und Bott, M. (2002): Pyruvate production from glucose by a recombinant Escherichia coli strain. Vortrag bei der Jahrestagung der VAAM vom 24.-27. März in Göttingen.
- Gerharz, T., Zelic, B., Takors, R. und Bott, M. (2002): Pyruvate production from glucose by acetate-auxotrophic Escherichia coli strains. Posterpräsentation bei der Biocat-Tagung vom 28.-31. Juli in Hamburg.
- Gerharz, T. und Bott, M. (2002): Pyruvate production from glucose by a recombinant Escherichia coli strain. Posterpräsentation im Rahmen der Tagung Metabolic Engineering IV: Applied system biology vom 6.-11. Oktober in Castelvecchio Pascoli, Italien.
- Zelic, B., Takors, R., Vasic-Racki, D. und Wandrey, C. (2001): Process development for Escherichia coli-based pyruvate production. Posterpräsentation im Rahmen des Croatian symposium of chemical engineers vom 10.-13. Juni, Osijek, Kroatien.


Fazit

Die im Projektantrag formulierten Ziele konnten klar erreicht und in vielen Fällen sogar übertroffen werden. Es konnte ein rekombinanter Escherichia coli-Stamm konstruiert und charakterisiert werden, der mit bisher unerreichten Raum-Zeit-Ausbeuten und Selektivität Glucose in Pyruvat umsetzt und ausscheidet. Die Evaluierung des Prozesses hinsichtlich Wirtschaftlichkeit, Umweltverträglichkeit und Nachhaltigkeit ergab klare Vorteile für das biotechnologische Verfahren gegenüber dem chemischen Verfahren zur Pyruvat-Herstellung durch Brenzen von Traubensäure. Insofern kann ein sehr positives Fazit gezogen werden und das beschriebene Verfahren als Musterbeispiel für die Vorzüge biotechnologischer Produktionsprozesse mit rekombinanten Mikroorganismen aufgeführt werden.

Übersicht

Fördersumme

260.783,40 €

Förderzeitraum

01.05.2000 - 31.03.2004

Bundesland

Nordrhein-Westfalen

Schlagwörter

Klimaschutz
Umweltforschung
Umwelttechnik