Projekt 13028/22

Förderschwerpunkt Biotechnologie: Verbund Sensorik in der Biotechnologie: Der virtuelle Essigmeister: Entwicklung eines prozessumfassenden Sensors zur optimierten Steuerung einer instationären Prozessführung der Essigherstellung

Projektträger

Universität HohenheimInstitut für Lebensmittelw. und BiotechnologieFG Prozessanalytik und Getreidetechnologie (150i)
Garbenstr. 25
70599 Stuttgart
Telefon: 0711/459-23286

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Bei der biologischen Umsetzung von Ethanol zu Essigsäure können die genutzten Bakterien durch instationäre Prozessführung über eine Wechselbelastung (Erholungsphase nach dem Rückverdünnen, Stressphase bei höherer Säure) temporär hohe Säurekonzentrationen tolerieren. Die Beobachtbarkeit des Prozesses ist dabei aufgrund mangelnder Möglichkeiten der bestehenden Messtechnik eingeschränkt. Um das nicht genutzte Potenzial des instationären Fermentationsverfahrens bei einer sicheren Prozessführung auszureizen, sollte ein prozessumfassender, softwaregestützter Biosensor die erfor-derlichen Zustandsinformationen für eine intelligente Regelung durch einen virtuellen Essigmeister liefern. Der Einsatz dieser Instrumente gestattet eine sichere, situative Prozessführung bei hohen Säurekonzentrationen bzw. reduziertem Produktvolumen. Somit wird eine intensivere Nutzung von Transport- und Lagerkapazitäten und die Schonung von Energie-, Wasser- und Rohstoffressourcen ermöglicht.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenDen Kernpunkt der methodischen Arbeiten in den ersten 6 Monaten bildete der Aufbau einer wirtschaftlichen und gleichzeitig repräsentativen Messtechnik für die Erfassung konventioneller, physikochemischer Messgrößen. Die hiermit in den folgenden 2 Jahren in Fermentationsversuchen beim Kooperationspartner gewonnenen Prozessdaten sollten in ein zeitparallel zu entwickelndes Regelstreckenmodell einfließen, welches auf der Basis von Zustandsmodellen und dynamischen Künstlich-Neuronalen Netzen (KNN) beruht. Auf diese Weise entsteht ein prozessumfassender Biosensor. Dieses Prozessmodell stellt auch die Grundlage für die Optimierung hinsichtlich fest vorgegebener, kosten- und umweltrelevanter Gütekriterien (z. B. hohe Produktkonzentration, volumetrische Produktivität) dar. Die eigentliche Regelung sollte in einem kaskadierten Fuzzy-PID-Regelsystem, dem virtuellen Essigmeister, erfolgen. Dies ermöglichte, vorab im ersten Projekthalbjahr in Fragebögen zu erfassendes Erfahrungswissen zu-sätzlich zu den Vorschlägen des Optimierungsalgorithmus mit zu berücksichtigen. Im letzten Projekthalbjahr wurde begonnen, in Praxisversuchen das ökologische und wirtschaftliche Potenzial zu ermitteln, welches aus der angestrebten Steigerung der Produktivität bzw. der zu Projektbeginn verbreiteten maximalen Säurekonzentrationen von ca. 17 % [w/v] auf über 20 % [w/v] resultiert.


Ergebnisse und Diskussion

Die Zeitplanung für die im ersten Projektjahr vorgesehenen Arbeitspakete wurde weitestgehend eingehalten. Nach einer Prüfung diverser Messgrößen und Sonden hinsichtlich ihrer Robustheit und Aussagekraft versprach die Erfassung der Trübung auf unproblematische Weise, zusätzliche Informationen zum Prozessverlauf zu gewinnen. Weitere untersuchte Messgrößen wie der Gelöstsauerstoff oder das Redoxpotenzial ließen ebenfalls Rückschlüsse zum Zustand bzw. zur Aktivität der Biologie zu, lieferten jedoch redundante Informationen. Online-Messungen wie die Erfassung des pH-Werts, der Leitfähigkeit oder der Ammoniumkonzentration zeigten sich aufgrund einer mangelnden Langzeit-Beständigkeit der eingesetzten Sonden oder zu geringer Auflösung des Messbereichs als ungeeignet.
Schon im Verlauf der Voruntersuchungen ist es gelungen, auf der Basis von Expertenaussagen und durch Fermentationsdaten untermauert, überschlagsmäßig eine geeignetere Temperaturführung abzu-leiten. Trotz einer in diesem Falle groben Abschätzung konnte bereits im Vorfeld eine ausgeprägte Steigerung der Effizienz des Prozesses erkannt werden (Zunahme der Säurekonzentration von bis dato erreichten 18 % auf 19,5 %). Neben diesem Beispiel ließen auch weitere, aus der industriellen Praxis ver-sierter Essigmeister abgeleitete Stellgrößenvariationen (Substratkonzentrationen, Füllstand) mit Steigerungen der Säurekonzentration auf über 20% [w/v] das Potenzial einer situativen Prozessführung erahnen.
So gelang es in der hauseigenen Versuchsfabrik des Kooperationspartners, gegenüber den Anfangsbedingungen in einem zweistufigen Verfahren die maximale Unsatzleistung um ca. 100 % und die Produktkonzentration von 18,5 % [w/v] sukzessive auf deutlich über 21 % [w/v] zu steigern. Erreicht wurden diese Verbesserungen durch eine optimierte Volumen- und der Temperaturführung sowie durch die Nutzung des Adaptionspotenzials der Biologie über ein geeignetes Management der maximalen Essigsäurekonzentration in der ersten Stufe (Adaptionsstufe). Eine KNN-Modellierung des Prozesses zur Prediktion der Chargenlaufzeiten und Umsatzleistungen lieferte mit relativen Abweichungen von bis zu 17 % keine befriedigende Resultate. Die Ergebnisse bestätigen die Vorgehensweise, abweichend von der ur-sprünglichen Projektplanung den Schwerpunkt auf die Entwicklung eines Fuzzy-Systems zur Regelung der Prozessgröße Adaptionssäure zu setzen.
Für die Bakterienkultur schädliche, ressourcenzehrende Fermentationsstörungen (z. B. mangelhafte Qualität des Substrats) können in einer gewissen Bandbreite ebenfalls durch dieses global auf eine Er-weiterung der Beobachtbarkeit der Biologie ausgelegte Fuzzy-System behandelt werden. Ein unnötiger Energie- und Rohstoffverbrauch wird hierdurch vermieden und die Standzeiten der Anlagen bei optimierten Bedingungen verlängert.
Im globalen Schnitt wird fermentativ lediglich ein Durchschnitt von 13 % Essigsäure produziert. Von den bestehenden Anlagen bieten sich unmittelbar ca. 50 für eine Aufrüstung bzw. Erweiterung mit der in dem Projekt erarbeiteten Steuerungs- und Regelungstechnik an. Dabei bewirkt beispielsweise die in der Versuchsfabrik erreichte Steigerung der Produktkonzentration von 18,5 % auf 21,3 % eine ca. 13 %-ige Einsparung in punkto Wasserverbrauch, Transport und Lagervolumen.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Mit den Darstellungen der Projekte im Internet, in Pressemappen, auf Messepräsentationen und in Fachartikeln wurde von der Koordinationsstelle des Verbunds Sensorik (Uni Hannover) und der DBU selbst der Großteil der Öffentlichkeitsarbeit gebündelt. Weiter wurde das hier beschriebene Projekt auf Fachtagungen (Heiligenstädter Kolloquium 2000, DECHEMA 2001, EUNITE 2001) vorgestellt und die Ergebnisse veröffentlicht:
1. Arnold, S., Becker, T., Delgado, A., Emde, F. & Follmann, H. (2001): Der virtuelle Essigmeister. In: Erb, R. & Heiden, S. (Hrsg.) (2001): Sensorik, Sonderausgabe BIOSpektrum: 56-60.
2. Arnold, S., Becker, T., Delgado, A., Emde, F. & Enekel, A. (2002): Optimizing high strength acetic acid bioprocess by cognitive methods in an unsteady state cultivation. Journal of Biotechnology 97: 133-145.


Fazit

Insgesamt gelang bis dato, im Wesentlichen durch die Wissensbasis erfahrener Anlagenführer, mit der Änderung einzelner Stellgrößen die stabil erreichbare Produktkonzentration auf 21 % [w/v] Essigsäure zu steigern. Hier wird deutlich, wie grundsätzlich vorhandenes Wissen genutzt werden konnte und welche Möglichkeiten sich mit der Sammlung und Umsetzung in einem Fuzzy-Logic-basierten Regelsystem ergeben.
Aufgrund des Wettbewerbdrucks ließ sich bereits in der Projektlaufzeit bei verschiedenen Produzenten eine deutliche Forcierung der Anstrengungen hin zu höheren Produktkonzentrationen registrieren. Hierin wird der Beispielcharakter im geförderten Projekt ersichtlich. Die hier erreichten Ergebnisse sind bei Essigproduzenten auf großes Interesse gestoßen und werden industriell in absehbarer Zeit mit dem ein-hergehenden ökonomischen und ökologischem Gewinn adäquat umgesetzt werden.

Übersicht

Fördersumme

221.558,11 €

Förderzeitraum

01.01.1999 - 31.12.2001

Bundesland

Bayern

Schlagwörter

Landnutzung
Umwelttechnik