Projekt 12944/01

Nutzungsorientierte Gestaltung von Passivhäusern auf der Grundlage psychologisch-physikalischer Untersuchungen

Projektträger

Universität KasselWZ Umweltsystemforschung
Kurt-Wolters-Str. 3
34125 Kassel
Telefon: 0561/804-2544

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Passivhäuser ermöglichen bei geringen baulichen Mehrkosten und unter Voraussetzung eines angemessenen Nutzungsverhaltens eine entscheidende Reduzierung der Energieverbräuche. Sie tragen damit wesentlich zur Umweltentlastung bei und können einen wichtigen Beitrag zum nachhaltigen Bauen und Wohnen liefern. Untersuchungen in Passivhaus-Siedlungen haben gezeigt, dass die Verbräuche in nahezu identischen Wohneinheiten bei gleicher Bewohnerzahl um ein Vielfaches schwanken. Die hohen Schwankungsbreiten der Energieverbräuche sind hauptsächlich auf den Einfluss der Nutzer zurückzuführen. Die genauen Ursachen der Mehrverbräuche sind bisher unklar.
Die Zielsetzung des Projekts besteht in der Erarbeitung von Gestaltungsgrundlagen und der Entwicklung konkreter technischer Lösungen zur nutzungsorientierten Gestaltung von Passivhäusern auf der Basis eines physikalisch-psychologischen Untersuchungsansatzes. Hiermit können aus der Analyse des Nut-zungsverhaltens Maßnahmen zur Reduzierung der nutzungsbedingten Mehrverbräuche abgeleitet werden.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenDie Grundlagen und Vorschläge zur nutzungsorientierten Gestaltung werden aus sozialwissenschaftlichen Analysen der Nutzerprofile und deren Gegenüberstellung zur korrespondierenden energetischen, raumklimatischen sowie raumlufthygienischen Situation abgeleitet. Die Erhebung der psychologischen Daten erfolgt auf der Basis einer zu entwickelnden Prozessdarstellung, welche die Zusammenhänge zwischen Nutzungsverhalten und dessen Ursachen sowie Abhängigkeiten aufzeigt. Dargestellt werden die Einflussgrößen und ihr strukturelles Zusammenwirken. Um effektive Interventionsmaßnahmen ableiten zu können, die über einfache Verhaltensregeln hinausgehen, ist zu klären, wie Verhaltensfehler motiviert sind und mit welchen persönlichen Werthaltungen, Wissensdefiziten und Gewohnheiten diese Verhaltensdefizite korrespondieren. Die physikalische Wohnsituation wird auf der Basis von Messgrößen und zusätzlich durch aufbauende Simulationsläufe bestimmt.
Die empirische Untersuchung erfolgt an einem Wohnkomplex mit 40 Wohneinheiten in Passivbauweise in Kassel. Im Gegensatz zu bisherigen Pilotvorhaben, bei denen die Bauherren auch die Nutzer waren, handelt es sich bei diesem Projekt um das Engagement einer Wohnungsbaugesellschaft im sozialen Mietwohnungsbau. Es ist zu erwarten, dass das Nutzerverhalten unter diesen Umständen einen noch ausgeprägteren Einfluss auf den Energieverbrauch haben wird.


Ergebnisse und Diskussion

im Geschosswohnungsbau auch unter den Nutzungsbedingungen durch Mieter erfolgreich zu realisieren ist. Bei generell hohen Zufriedenheitswerten wird das Wohnen im Passivhaus von den Mietern - auch im Sommer - als deutliche Komforterweiterung empfunden.
Es wurden moderate Fensteröffnungszeiten ermittelt. Die Mieter sind jedoch nicht bereit, vollständig auf das Fensterlüften zu verzichten. Wie bei vergleichbaren Projekten konnten keine signifikanten Korrelati-onen zwischen Öffnungszeiten und Heizwärmeverbräuchen festgestellt werden. Die bisher an die Nutzer gerichtete Forderung, die Fenster geschlossen zu halten, damit der Passivhausstandard eingehalten wird, muss nicht mehr als entscheidende Voraussetzung aufrechterhalten werden. Es hat sich gezeigt, dass die Öffnungszeiten stark witterungsabhängig sind und in Kälteperioden von einem weitgehend angemessenen Lüftungsverhalten ausgegangen werden kann. Die Frischluftversorgung über die Lüftungsanlage erreichte hohe Zufriedenheitswerte. Bei Planung und Montage ist noch erhöhte Aufmerksamkeit auf Geräuschemissionen der Anlagen zu richten. Die als Neuerung realisierte zeitbegrenzte Maximal-Lüftungsstufe hat sich als wirksam erwiesen und sollte zum Standard werden.
Die gemessenen Raumtemperaturen schwanken je nach WE in einem Ausmaß, das bei keinem der Vergleichsprojekte erreicht wurde. Die als genau richtig empfundene Temperierung reicht bis zu 24°C und stellt damit den entscheidenden Nutzereinfluss dar. Prinzipiell wurde der Wunsch nach kühleren Schlaf-zimmern geäußert. Angepasste Temperaturwahl, Änderungen im Nutzungsverhalten und Gewöhnungsprozesse führten jedoch zu einer weitgehenden Akzeptanz der Gesamttemperierung.
Im Verhältnis zu bisherigen Untersuchungen von Passivhäusern treten extreme Streuungen der Heizwärmeverbräuche auf (Mittelwert 17,5; Min 0,1; Max 46,7 kWh/m²). Den wesentlichen Erklärungsbeitrag hierfür liefern durch Temperaturdifferenzen zwischen den Wohnungen induzierte Wärmeströme. Hier zeigt sich als entscheidender Nutzereinfluss die Wahl der Raumtemperatur. Verstärkende Einflüsse auf die Streuungen durch ein spezifisches Nutzungsverhalten von Mietern sind nicht erkennbar.
Ein Vergleich mit den vorliegenden Auswertungen der ähnlich gelagerten und zeitlich z. T. parallel gelaufenen Untersuchungsprojekte in Wiesbaden und Leipzig zeigt folgende Ergebnisse:
- Bei generell moderaten Fensteröffnungszeiten ist bei den Passivhäusern keine signifikante Korrelation zwischen Öffnungszeiten und Heizwärmeverbräuchen feststellbar.
- Für Temperierung und Behaglichkeit wurden hohe Zufriedenheitswerte erreicht. Auffällig sind die hohen Raumlufttemperaturen in Kassel und Leipzig. Hier wurden Wohnungen mit einem Heizperioden- Mittelwert über 23°C festgestellt
- Die Heizwärmeverbräuche der Passivhäuser in Wiesbaden liegen noch unter den Projektierungswerten. Im Kasseler Gebäude überschreitet der Mittelwert bei extremen Streuungen leicht den Grenzwert, bedingt durch das hohe gewählte Temperaturniveau.
- Die Zufriedenheit der Bewohner in Wiesbaden und Kassel drückt sich in hohen Zustimmungen auf die Aussagen aus Ich würde jederzeit wieder in ein Passivhaus einziehen und Ich würde Passivhäuser weiterempfehlen. Sie stellen damit die wirksamsten Multiplikatoren für die Verbreitung der Passivhaus-Technologie dar.
Ausgehend von den Befragungen und von Meldungen der Mieter wurden Verbesserungsmaßnahmen entwickelt und umgesetzt. Die zumeist technischen Maßnahmen wurden in Form von Gestaltungshinweisen zusammengestellt und in die Fachöffentlichkeit transferiert. Der vorliegende Vorschlag für eine pauschalierte Warmmiete im Passivhaus-Geschosswohnungsbau erfordert als wesentliche nichttechnische Neuerung zunächst einen Praxistest über einen Modellversuch. Anlass für diese soziale Innovation sind die extremen Streuungen der Heizwärmeverbräuche und damit der Heizkostenabrechnungen, die für die Mieter nicht nachvollziehbar sind und die wegen der Wärmeströme zwischen den Wohnungen auch nicht auf dem Eigenverbrauch beruhen. In Zusammenhang mit einem zeitnahen Feedback zur Verhinderung steigender Verbräuche könnte mit einer garantierten Obergrenze der Warmmiete die Verbreitung der Passivhaustechnologie im Mietwohnungsbau wesentlich unterstützt werden.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Projektergebnisse, durchgeführte Verbesserungsmaßnahmen und entwickelte Empfehlungen für Folgeprojekte wurden - zugeschnitten auf die Zielgruppen - in die Fachöffentlichkeit transferiert (5 Vorträge auf Fachtagungen, Informationsveranstaltung für die Architektenkammer Hamburg).
Nachgefragt wurden die Ergebnisse darüber hinaus von Instituten, die sich mit nachhaltiger Entwicklung und Konsumforschung beschäftigen. Hier ist das Einbringen der Ergebnisse in die laufende Nachhaltigkeitsdebatte im Bereich Bauen und Wohnen gelungen. Seit Januar 2002 fließen die Projektergebnisse in den weiterbildenden Studiengang Energie und Umwelt der Universität Kassel in die Ausbildung von Gebäudeenergieberatern ein.


Fazit

Die Passivhaus-Technologie konnte inzwischen so robust, fehlertolerant und nutzerfreundlich gestaltet werden, dass auch unter den Nutzungsbedingungen durch Mieter die Gewährleistung der Funktionsfähigkeit der Häuser gegeben ist und die Passivhaus-Grenzwerte einzuhalten sind. Der aus Umweltschutzgründen anzustrebenden Verbreitung des Passivhaus-Standards im Mietwohnungsbau steht damit nichts entgegen.
Eine innovativ gestaltete Gesamtkosten-Miete würde die Verbreitung der Passivhaustechnologie im Mietwohnungsbau wesentlich unterstützten.

Übersicht

Fördersumme

102.258,38 €

Förderzeitraum

01.12.1999 - 28.02.2003

Bundesland

Hessen

Schlagwörter

Klimaschutz
Ressourcenschonung
Umweltforschung
Umwelttechnik