Projekt 12275/01

Einführung des Integrierten Pflanzenschutzsystems (IPS-Modell Weizen) zur Optimierung und Minimierung des Pflanzenschutzmitteleinsatzes in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein

Projektträger

Christian-Albrechts-Universität zu KielInstitut für PhytopathologieAbt. Pflanzenkrankheiten und Pflanzenschutz
Hermann-Rodewald-Str. 9
24118 Kiel
Telefon: 0431/880-2994

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Die Entscheidung über die Notwendigkeit einer Fungizidanwendung, über den Einsatztermin und die Wahl der Wirkstoffe unterliegt dem Willen des Landwirts und richtet sich bisher weitgehend nach Erfahrungswerten aus. Sie wird nach dem Prinzip der Risikoversicherung routinemäßig, am Entwicklungsstadium der Pflanze ausgerichtet, vollzogen. Diese Maßnahmen können leider in vielen Fällen unter Berücksichtigung ökonomischer und unter ökologischen Aspekten als nicht optimal angesehen werden.
Ziel des Gesamtvorhabens ist es, an der Modellfrucht Weizen zu zeigen, wie der Pflanzenschutz - im konkreten der Einsatz von Fungiziden - im Zusammenhang mit wissenschaftlich fundierten Schwellen-werten und reduzierten Aufwandmengen durch Interaktion in die epidemiologisch sensible Phase ein Optimum an biologischer und ertraglicher Kontrolle des Befallsgeschehens und somit ein auf das not-wendige Maß reduzierten Pflanzenschutzmitteleinsatz gewährleistet werden kann.
Das Gesamtvorhaben wurde aufgrund seiner hohen Effektivität überregional in landwirtschaftlichen Betrieben überprüft, um unmittelbaren Eingang in eine breite Praxis durch die kooperierenden Institutionen (Universität, Amtlicher Dienst) in den Bundesländern Schleswig-Holstein (SH), Niedersachsen (NS) und Nordrhein-Westfalen (NRW) zu finden.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenDie überregionalen Studien zum Befallsauftreten und der Schadensdynamik von Weizenpathogenen wurden mit einer Indikatorsorte (Ritmo) und zusätzlich einer regional bedeutenden Winterweizensorte, die über die Bundesländer variierte, durchgeführt. Da letztlich die genetische Gleichheit der Sorte Ritmo die standort- und jahresspezifischen Einflussfaktoren (Witterung, Anbausystemfaktoren) auf das Pathogenspektrum und die Schaddynamik geoepidemiologisch widerspiegelt, werden die zusammenfassenden Ergebnisse an dieser Sorte dargestellt. Das gesamte Datenmaterial des Projektes findet in den ausführlichen Berichten (s. Anlage) für die Bundesländer Schleswig-Holstein (SH), Niedersachsen (NS) und Nordrhein-Westfalen (NRW) differenziert Ausführung.
Die populationsdynamischen Studien in der Weizenkultur wurden in jeweils 2 Sorten, 3 Versuchsvarianten mit jeweils 4 Wiederholungen je Versuchstandort durchgeführt, die mit einer Agrarmeteorologischen Messstation ausgestattet waren. Die Versuche in der Sorte Ritmo der Jahre 1999-2001 wurden in ran-domisierten Blockanlagen durchgeführt und repräsentierten eine Fallstudienzahl von 70 Versuchen (Tab.1). Jeder Versuch differenzierte sich wie folgt:
1. Kontrolle = unbehandelt (fungizidfreie Kulturbiozönose zur ungestörten Befallsentwicklung der Pathogene) 2. Gesundvariante mit 3 - 4 Stadienbehandlungen zur Quantifizierung des am Versuchsstandort absolut eingetretenen Schadpotentials, 3. IPS-Modell Weizen, ein an das aktuelle Befallsgeschehen epidemiologisch orientierte Bekämpfung nach Exaktdiagnose, Schwellenwertindikation.
Die Pflanzenpathogene wurden von frühesten bis spätesten Phasen pflanzlicher Entwicklung auf allen Pflanzenorganen qualitativ und quantitativ erfasst. Die Bestandesführung (praxisüblich), schwellen- und stadienorientierte Fungizidbehandlungen sowie die Beerntung der Pflanzenbestände erfolgten durch die kooperierenden Pflanzenschutzämter der Länder. Die Differentialdiagnose, Verrechnung, graphische Darstellung, Auswertung und Interpretation oblag den im Projekt beteiligten Mitarbeitern.


Ergebnisse und Diskussion

In der genetisch identischen Sorte Ritmo variierte überregional (insg. 70 Fallstudien) erwartungsgemäß das standort- und jahresspezifische Befallsauftreten (Beginn und Verlauf der Epidemien, Zusammensetzung des Pathogenspektrums) sowie die resultierende Schadwirkung mitunter erheblich. In SH und NS dominierten in abnehmender Reihenfolge die Erreger Septoria tritici (ST), Blumeria syn. Erysiphe graminis (EG), in NRW war das Befallsbild zudem durch Puccinia recondita (PR) geprägt. In Abhängigkeit der Bodenbearbeitung und Fruchtfolgekonstellation trat Drechslera triticirepentis (DTR) mitunter stark auf. Insgesamt konnte das nachgewiesene Erregerauftreten in SH, NS und NRW durch zwei schwellenorientierte Fungizidmaßnahmen mit reduzierten Aufwandmengen in hohem Maße kontrolliert werden. Im Mittel der Untersuchungen betrug die ausgebrachte Wirkstoffmenge zur erforderlichen Bekämpfung nachgewiesener Erregerkomplexe in SH 724, in NS 613 und NRW 849 g a. i./ha.
Über die Jahre und Standorte resultierte in der unbehandelten Kontrolle ein Ertragsniveau von 83,5 dt/ha. Das erregerspezifische Gesamtverlustpotential aufgetretener Schaderreger, bemessen durch die Differenz von Gesund- (gemittelter Ertrag 106,5 dt/ha) und Kontrollvariante (gemittelter Ertrag 83,5 dt/ha), betrug insgesamt 23 dt/ha bzw. 27%. Das Ertragsniveau der schwellenorientierten IPS-Variante lag mit 103,3 dt/ha um 3,2 dt/ha unterhalb der Ertragsleistung der Gesundvariante. Die zur IPS-Variante vergleichend ausgebrachte Wirkstoffmenge der Gesundvariante betrug im Mittel in SH 1808, in NS 1777 und in NRW 2077 g a.i./ha; nach epidemiebezogenen Fungizideinsatz des IPS-Modells Weizen wurde demnach eine annähernd hohe Befallskontrolle und Ertragsleistung mit einer um 50% reduzierten Wirk-stoffmenge erzielt. Die Betrachtung der ökonomischen Wertschöpfung unter Bemessung der Kosten 1. des Weizenerzeugererlöses, 2. der Fungizidkosten und 3. der Kosten für Überfahrten, führt über die Jahre in SH zu einem fungizidbereinigten Mehrerlös vergleichend zur unbehandelten Kontrolle in Höhe von 85 Euro/ha, in NS von 139 Euro/ha und NRW von 164 Euro/ha. Im Mittel der Jahre und Standorte wurde insgesamt ein pathogenbedingter Schaden in Höhe von 130 Euro/ha durch die an die aktuelle Be-fallssituation angepasste IPS-Variante (Diagnose -Bekämpfungsschwelle - reduzierte Fungizidaufwandmenge) gegenüber der unbehandelten Kontrolle aufgefangen. Die Gesundvariante, die durch 3-4-fach stadienorientierte Maßnahmen eine Befallsfreiheit der Pflanzenbestände repräsentierte und aus-schließlich zur Bewertung des Verlustpotentials vergleichend zur Kontrolle und des IPS-Modells Weizen eingesetzt wurde, führte im Vergleich zur Kontrolle zu einem Mehrerlös 61 Euro/ha.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

Insgesamt wurde das Projekt durch vier Veröffentlichungen und zwei nationalen (Mykologentagung der Deutschen Phytomedizinischen Gesellschaft, Deutsche Pflanzenschutztagung) und einer internationalen Tagung (55th International Symposium on Crop Protection, Gent, Belgium) präsentiert. Mit Fertigstellung der letzten Dissertationsschrift (Juni 2003) wird eine abschließende Publikation in einer international renommierten Fachzeitschrift durchgeführt.


Fazit

Das IPS-Modell Weizen dokumentiert durch den diagnostischen Erregernachweis und einen gezielten Pflanzenschutzmitteleinsatz auf Basis von Schwellengrenzwerten eine an die jeweilige Befallssituation angepasste, optimierte Kontrolle des Befallsgeschehens unter Berücksichtigung eines bedarfsgerechten und reduzierten Wirkstoffeintrages. Anhand der über die Jahre und über verschiedene Bundesländer durchgeführten Untersuchungen wird die Bedeutung des Modells sich als bedeutender Mosaikbaustein des Integrierten Pflanzenschutzes deutlich. Durch die intensive Zusammenarbeit mit den Pflanzenschutzdiensten der Länder im Rahmen dieses Forschungsprojektes wird die Konzeption und Methode aufgrund der dargestellten Effizienzkriterien weiteren Eingang in die weizenanbauende Praxis Deutschlands erfahren.

Übersicht

Fördersumme

528.875,21 €

Förderzeitraum

01.10.1998 - 03.09.2003

Bundesland

Alte Bundesländer

Schlagwörter

Alte Bundesländer
Landnutzung