Projekt 10109/01

Langlebigkeit und intensive Nutzung von Produkten als Faktoren für Ökologie und Ökonomie

Projektträger

Universität HannoverInstitut für BetriebsforschungLehrstuhl Markt und Konsum
Königsworther Platz 1
30167 Hannover
Telefon: 0511/7625613

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Seit Anfang der 90er Jahre wird das Konzept eigentumsersetzender öko-effizienter Dienstleistungen in der Fachöffentlichkeit als wichtiger Schritt in Richtung auf ein ökologisches bzw. nachhaltiges Wirtschaften diskutiert. Insbesondere zu Beginn der Debatte wurde dabei jedoch weitgehend von den konkreten Umsetzungsmöglichkeiten von Anbietern und Nachfragern abstrahiert. Insbesondere die spezifischen Bedingungen des Konsumgüterbereiches fanden nur unzureichend Beachtung. Vor diesem Hintergrund war es das Ziel des Lehrstuhls Markt und Konsum, im Sinne einer Aktionsforschung konkrete Umsetzungsschritte zu einem eigentumslosen Konsum zu initiieren und analytisch zu begleiten, um so generalisierbare Aussagen ableiten zu können. Als Umsetzungsobjekt wurde die EXPO-Siedlung Kronsberg gewählt, die im Vorfeld der EXPO 2000 in Hannover entstand.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenBis Mitte 1998 konzentrierte sich die Projektarbeit auf die Diffusion der Idee des Eigentumslosen Konsum unter möglichst allen relevanten Stakeholdern der EXPO-Siedlung Kronsberg. In zahlreichen Gesprächen bspw. mit Wohnungsunternehmen, aktuellen und potenzielle Anbietern eigentumsersetzender Dienstleistungen sowie Vertretern der Stadt, der EXPO und der Bewohner wurden Umsetzungsmöglichkeiten diskutiert. Dieser Dialog wurde von unserer Seite flankiert durch weiteres Studium der Literatur zu öko-effizienten Dienstleistungen sowie erste eigene schriftliche Akzeptanzuntersuchungen unter den Wohnungsinvestoren am Kronsberg sowie potenziellen Bewohnern.
Ab Mitte 1998 lag der Schwerpunkt der praktischen Umsetzungsbemühungen auf der Wohnanlage Habitat - Internationales Wohnen am Kronsberg des Wohnungsunternehmens Gundlach, das letztlich - trotz des allgemein großen Interesses - als einziger Investor auf dem Kronsberg zu konkreten Implementierungsschritten bereit war. Hier wurden verschiedene Dienstleistungsangebote mit konzipiert und passende Kooperationspartner gesucht. Zentral ist dabei insbesondere die Zusammenarbeit mit der Volkswagen AG, die in der Habitat-Wohnanlage ein neuartiges Car-Sharing Konzept erprobt.
Neben der praktischen Umsetzung wurde ab Mitte 1998 auch an der Gewinnung generalisierbarer Erkenntnisse im Rahmen von Akzeptanzstudien gearbeitet. Zur Ermittlung der Bestimmungsfaktoren der Konsumentenakzeptanz wurde eine persönliche In-Home-Befragung (ca. 400 Personen) mit integrierter Conjoint-Analyse durchgeführt. Diese Untersuchung basierte u.a. auf der um Verfügungspflichten erweiterten Theorie der Verfügungsrechte, sowie der Analyse der Symbolwirkung des Eigentums. Die empirische Analyse erfolgte beispielhaft für die Bedarfsfelder Automobilität und saubere Wäsche. Zur Ermittlung der Akzeptanz in der Wohnungswirtschaft wurde eine schriftliche Erhebung durchgeführt, an der sich 51 niedersächsische Wohnungsunternehmen beteiligten.


Ergebnisse und Diskussion

Als praktisches Umsetzungsergebnis ist v.a. die Wohnanlage Habitat - Internationales Wohnen am Kronsberg zu nennen. Hier werden vielfältige Formen des eigentumslosen Konsums praktiziert, u.a. (in Zusammenarbeit mit der Volkswagen AG) das wohnanlagenbezogene Car-Sharing MIETERMOBIL, ein Gemeinschaftswaschhaus, Mietgeschirr und -möbel für größere Feiern sowie ein Verleih von Werkzeugen und Gartengeräten. Die im Rahmen des Projektes Eigentumsloser Konsum entstandene Kooperation mit Volkswagen wird auch über dieses Projekt hinaus weitergeführt und hat bereits zur Umsetzung eines weiteren Car-Sharing-Pilotprojektes in einem hannoverschen Studierendenwohnheim geführt.Die Konsumentenakzeptanzuntersuchung bestätigte, dass sich Produkte nur dann für eine Ersetzung durch Dienstleistungen eignen, wenn sie für den Eigentümer mit einem Mindestmaß an Pflichten (inkl. Kostenübernahmepflicht) verbunden sind. Dienstleistungen können diese Produkte um so besser ersetzen, je stärker sie zu einer Entlastung von Verfügungspflichten beitragen und je mehr sie ggf. mit zusätzlichen Rechten verbunden sind. Zudem dürfen sie nur begrenzt mit zusätzlichen Pflichten wie z.B. der Übernahme von Transaktionskosten verbunden sein. Konsumenten akzeptieren eigentumslose Dienstleistungen insbesondere dann, wenn sie in dem betreffenden Konsumbereich keinen großen Wert auf eigentumsspezifische Rechte (insb. Ausschluss- und Veränderungsrecht) legen und die Pflichten des Eigentums als besonders belastend empfinden. Die Symbolbedeutung des Eigentums kann ebenfalls ein Hemmnis sein, wobei diese Bedeutung sowohl vom Konsumenten als auch vom Produkt abhängt. Ist der ökologische Vorteil der Dienstleistung ersichtlich, ist zudem das Umweltbewusstsein der Konsumenten akzeptanzrelevant. Ansonsten konnten hinsichtlich sozio-demographischer und psychographischer Kriterien keine verallgemeinerbaren Zielgruppenmerkmale festgestellt werden. Legt man die typischen Produkt- und Dienstleistungsmerkmale zugrunde, umfasst die Kernzielgruppe für die vertiefend untersuchten Dienstleistungen Car-Sharing und Wasch-Service ca. 15 % des Marktes. Dies zeigt sowohl, dass hier noch unerschlossene Potentiale liegen, als auch, dass der Diffusion des Konzeptes Eigentumsloser Konsum bei gegebenen Rahmenbedingungen Grenzen gesetzt sind.In Bezug auf Wohnungsunternehmen, die als potenzielle Koordinatoren und Intermediäre für öko-effiziente Dienstleistungen im Bedarfsfeld Wohnen in Betracht kommen, zeigten die entsprechenden Analysen eine bislang nur sehr begrenzte unternehmerische Bereitschaft, öko-effiziente Dienstleistungen für Bewohner anzubieten oder zu vermitteln. In der Befragung wohnungswirtschaftlicher Entscheidungsträger offenbarte beispielsweise die überwiegende Mehrheit der Antworten eine insgesamt nur geringe Akzeptanz des Leistungsangebots Car-Sharing für Wohnanlagen. Die Ergebnisse bestätigen dabei die Vermutung, daß Wohnungsunternehmen um so eher bereit sein werden, öko-effiziente Dienstleistungen in ihr Serviceprogramm zu übernehmen, je eher diese für geeignet gehalten werden, Bewohner für das eigene Unternehmen zu gewinnen oder zu binden. Entscheidungsträger in Wohnungsunternehmen müssen vom konkreten Nutzen öko-effizienter Dienstleistungen für das eigene Unternehmen allerdings erst noch überzeugt werden, wenn sie als Intermediäre für die Verbreitung eigentumsloser Konsumkonzepte gewonnen werden sollen. Generell zeigen unsere Erfahrungen, dass es zum gegenwärtigen Zeitpunkt insbesondere an der Initiative einzelner Personen liegt, ob es zur Umsetzung wohnungsnaher eigentumsloser Konsumkonzepte kommt.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

a) Projektflyer für alle Gesprächs- und Kooperationspartner
b) Projektinformationen im Internet unterhttp://www.wiwi.uni-hannover.de/muk/forschung/projekte/konsum.htm
c) Fachöffentlicher Workshop Gemeinschaftliche Nutzung von Konsumgütern in der EXPO-Siedlung Kronsberg am 08. Mai 1998
d) Publikationen aus dem Projekt:
Hansen, U.; Schrader, U. (1997): Leistungs- statt Produktabsatz für einen ökologischeren Konsum ohne Eigentum, in : Steger, U. (Hrsg.): Handbuch des integrierten Umweltmanagements, Oldenbourg, München, S. 87-110
Schrader, U.; Einert, D. (1998): Die Umsetzung des Leistungs- statt Produktverkaufs im Konsumgütersektor, in: Ö-Team (Hrsg.): Arbeit und Umwelt - Gegensatz oder Partnerschaft?, Peter Lang, Frankfurt a.M., S. 271-292
Schrader, U. (1998a): Empirische Einsichten in die Konsumentenakzeptanz öko-effizienter Dienstleistungen, Lehr- und Forschungsbericht Nr. 42 des Lehrstuhls Marketing I: Markt und Konsum der Universität Hannover, hrsg. von Ursula Hansen, Hannover
Schrader, U. (1998b): Marketing für öko-effiziente Dienstleistungen, in: Fraunhofer-Institut für Systemtechnik und Innovationsforschung (Hrsg.): Nutzen statt Besitzen - Vom Herstellerunternehmen zum Dienstleister, Workshop-Dokumentation, Karlsruhe, S. 14-30
Schrader, U. (1999): Consumer Acceptance of Eco-efficient Services. A German Perspective, in: Greener Management International, Vol. 25 (Spring 1999), S. 105-121Schrader, U. (2000): Eine Frage der Rechte und Pflichten. Konsumentenakzeptanz eigentumsersetzender Dienstleistungen, in: Ökologisches Wirtschaften, H. 5/2000, S. 16-18
Hohm, D. (2000): Öko-effiziente Dienstleistungen in der Wohnungswirtschaft: Handlungsoptionen und Akzeptanz bei wohnungswirtschaftlichen Entscheidungsträgern. Lehr- und Forschungsbericht Nr. 45 des Lehrstuhls Marketing I: Markt und Konsum der Universität Hannover, hrsg. von Ursula Hansen, Hannover
Schrader, U. (2000): MIETERMOBIL - Car-Sharing für Studierende. Zielgruppenanforderungen und Nachhaltigkeitswirkungen, in: Stoltenberg, U. (Hrsg.): Lebenswelt Hochschule. Raum-Bildung, Konsum-Muster und Kommunikation für eine nachhaltige Entwicklung, Frankfurt a.M., S. 140-163
Schrader, U. (2001): Konsumentenakzeptanz eigentumsersetzender Dienstleistungen, zugl. Diss. Universität Hannover, Peter Lang Verlag, Franfurt a.M. u.a. (in Vorbereitung)
e) Publikationen über das Projekt:
Kaminski, G. (1998): EXPO-Projekt zum Konsumgüter-Sharing, in: kommunale ökologische Briefe Nr. 25-26, 09.12.1998, S. 19
o.V. (2000): Maßgeschneidert mit Sauna und Gebetsraum. Das Wohnprojekt ‚Habitat auf dem Kronsberg, in: Hannoversche Allgemeine Zeitung vom 08.09.2000, S. 17
f) Vorträge:
Schrader, U.: Der Konsum nachhaltiger Dienstleistungen - ein Beitrag zur Agenda 21, Vortrag im Rahmen der Lokalen Agenda 21 für Hannover, AG Konsum, Hannover, 05.11.97
Schrader, U.: Marketing für öko-effiziente Dienstleistungen, Vortrag auf dem Workshop Nutzen statt Besitzen - vom Herstellerunternehmen zum Dienstleister im Rahmen des Verbundprojektes Industrielle Konzepte zur Nutzungsintensivierung und Lebensdauerverlängerung von Produkten (PROKREIS), Frankfurt, 02.07.1998
Hansen, U.: Konsum ohne Eigentum - Schreckgespenst, sympathische Utopie oder ein realistisches Modell eines nachhaltigen Lebensstils?, Vortrag auf der SVNE-Tagung Nachhaltigkeit als Unternehmensziel ... auch ein Thema für die EXPO 2000?, Hannover, 05.02.1999
Schrader, U.: Konsumentenakzeptanz eigentumsersetzender Dienstleistungen - Konsequenzen für den Marketing Mix, Vortrag an der Universität Göttingen, 02.02.2000
Schrader, U.: Examples for Eco-efficient Services: MIETERMOBIL & HABITAT Residential Area, Präsentation auf dem Sustainable Services and Systems Expert Workshop, prepare, Köln, 02.10.2000


Fazit

Das Projekt hat unerschlossene Bereiche für die Umsetzung des eigentumslosen Konsums im Konsumbereich aufgezeigt, jedoch gleichzeitig auch bestätigt, dass hier besondere Schwierigkeiten zu überwinden sind. Zentral für eine weitere Umsetzung ist zunächst eine Diffusion der Idee eigentumsersetzender Dienstleistungen im Kontext der Wandlung von Wohnungsanbietern zu Komplett-Dienstleistern rund um das Wohnen. Mit der Habitat-Wohnanlage steht nunmehr ein praktisches Anschauungsobjekt zur Verfügung das zeigt, wie weit eine solche Entwicklung bereits heute gehen kann. Um die Konsumenten zu erreichen, ist eine kundenorientierte Gestaltung notwendig, durch die Verfügungsrechte erhöht und Verfügungspflichten eingeschränkt werden. Wie weit sich der eigentumslose Konsum ausdehnen kann, hängt jedoch maßgeblich auch von einer Weiterentwicklung von Rahmenfaktoren ab. Nur bei einer weiteren Belastung ressourcenintensiven Eigentums und einer Entlastung arbeitsintensiver Dienstleistungen ist ein einschneidender Wandel der Konsummuster zu erwarten. Voraussichtlich wird der Konsum der Zukunft weniger eigentumsbasiert sein, als der heutige - ein generelles Verschwinden des Eigentums (Jeremy Rifkins) ist nach den Ergebnissen dieses Projektes in absehbarer Zeit jedoch nicht zu erwarten.

Übersicht

Fördersumme

101.745,04 €

Förderzeitraum

15.07.1997 - 15.12.2000

Bundesland

Niedersachsen

Schlagwörter

Klimaschutz
Ressourcenschonung
Umweltforschung
Umweltkommunikation