Projekt 09715/01

Modellhaftes Konservierungskonzept für umweltgeschädigte Email-Pretiosen im Grünen Gewölbe/Dresden

Projektträger

Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM)
Rudower Chaussee 5
12489 Berlin
Telefon: 030/6392-

Zielsetzung und Anlass des Vorhabens

Nachdem in einem Vorprojekt eindeutig nachgewiesen werden konnte, daß die teilweise gravierenden Schäden an den barocken Emailkunstwerken durch umweltbedingte Belastungen entstanden sind, soll nun ein Konzept für die künftige Bewahrung der Pretiosen entwickelt werden. Dabei sind einerseits optimale schadstoffarme Bedigungen in Räumen, Schränken und Vitrinen herauszuarbeiten und andererseits Möglichkeiten für eine Konservierung des jetzigen Zustands und für die Sicherung der noch vorhandenen aber schon beeinträchtigten Emailschichten auf dem Edelmetallträger zu finden. Aus den Untersuchungsergebnissen sollen Maßnahmen abgeleitet werden, die bei der unmittelbar anzuschließenden Restaurierung im Grünen Gewölbe getroffen werden müssen.


Darstellung der Arbeitsschritte und der angewandten MethodenDie Schäden des Bestandes an barocken Emailkunstwerken werden von den Restauratoren mit Hilfe mikroskopischer Untersuchungen erfaßt; parallel dazu wird in charakteristischen Fällen eine analytische und morphologische Bestimmung durchgeführt, bei der auch optisch scheinbar intakte Bereiche berücksichtigt werden. Eine Identifizierung lokaler Quellen von Schadstoffemittenten (Räume, Schränke, Vitrinen) wird auf zukünftige, für die neuen Ausstellungsräume vorgesehene Materialien erweitert. Sowohl Passivmessungen für Einzelgase als auch Messungen der integralen Belastungssituation (Sensoren) werden vor Ort durchgeführt; parallel dazu werden für eine Anwendung vorgesehene Materialien in Emissionsmeßkammern auf ihre Eignung geprüft. Die Entwicklung geeigneter Materialien und Methoden für eine direkte Konservierung durch Wiederherstellen der partiell verlorengegangenen Haftung lockerer Emailschichten wird an Modellemailproben vorgenommen, die durch einen Goldschmied gefertigt und weitgehend bestimmten Formpartien der Originale entsprechen sollen. Die Schäden werden durch Klimakammer-Bewitterung simuliert. Anorganische Polymere sowie anorganisch-organische Copolymere wie Ormocer werden als Fixierungsmittel eingesetzt. Eine Wirksamkeitsprüfung und praktische Anwendungstechniken sind zu entwickeln. Für alle Untersuchungen wird ein Probenaustausch organisiert. Die Applikation auf ein ausgewähltes Originale und der Transfer in die Restaurierungspraxis werden wie alle vorhergehenden Untersuchungen bereits von den Vorbereitungen an mit dem Hauptnutzer (Grünes Gewölbe) gemeinsam betrieben.


Ergebnisse und Diskussion

Eine Bestandsaufnahme des Schadensausmaßes ergab, daß die höchsten Haftverluste bei transluzidem grünem Email und die stärkste Rißbildung bei transluzidem blauem Email vorlagen. Die beiden Sorten konnten an abgefallenen Splittern analysiert werden. Der Zusammenhang zwischen dem Zerfall dieser chemisch wenig stabilen Emailzusammensetzungen und den in vielen Vitrinen sehr hohen Gehalten an Luftschadstoffen konnte in Simulationsuntersuchungen an Modellemailproben eindeutig nachgewiesen werden. Hohe Emissionen an Carbonylverbindungen (Essigsäure, Formaldehyd) aus den Materialien innerhalb der Vitrinen wirken in Synergie mit den aus der Umwelt eingeführten Schadstoffen (SO2, NOx, Ozon) und einer zu hohen Luftfeuchte von 55 % auf die chemisch wenig stabilen historischen Emails ein. Die in guter Absicht bei der Einrichtung der Vitrinen angestrebte Abdichtung gegen Verstaubung läßt nur einen geringen Luftaustausch zu. Mit Glassensor- und Einzelgasmessungen wurden die schädlichen Bedingungen quantifiziert. Als die ersten Ergebnisse vorlagen begannen sofort die Maßnahmen zur Verbesserung der Situation durch Auswechseln emittierender Materialien, soweit Museumsbetrieb und -konzeption es zuließen. Zusätzlich konnte durch Schadstoffabsorber und gezielte Belüftung in einer stark belasteten Vitrine (Großmogul) die Emission von Essigsäure aus historischen, nicht auswechselbaren Bestandteilen des Exponats weitgehend neutralisiert werden. Damit wurde die grundlegende Lösung für das generelle, auch in vielen anderen Museen bestehende Problem gefunden und praktisch erprobt. Insgesamt waren für die Vorarbeiten einer passiven Konservierung Glassensor- und Einzelgasmessungen in höherer Anzahl als veranschlagt erforderlich. Die über die kalkulierten Fördermittel hinausgehenden Kosten werden durch zusätzliche Eigenanteile der BAM getragen. Parallel zu den Material- und Gasuntersuchungen wurde mit Hilfe von Modellemailproben eine Methode zur Fixierung gelockerter, rissiger Emailpartien entwickelt. Nach umfangreichen Experimenten mit Adhäsiven aus mehreren Stoffklassen (Silikone, Methacrylate, Wachse u.a.) wurden Mischungen von Ormocer (Entwicklung des ISC) und Paraloid B72 in unterschiedlichen, nach dem Anwendungsfall gerichteten Verhältnissen an Originalen erfolgreich erprobt. Die Optimierung von Mittel und Anwendungsmethode erfolgte unter den Prämissen Handhabbarkeit, Haftvermögen, Penetration in feine Risse, Reversibilität, Alterungsbeständigkeit. Die zur Anwendung vorgesehenen Mischungen wurden an Modellemailproben vielfach auf diese Eigenschaften getestet. Die Ergebnisse von Hochbelastungstests in Klimakammern lassen eine Langzeitbeständigkeit der Fixierung erwarten. Folgende Maßnahmen sind zu treffen: Vor dem Umzug der Ausstellung in die rekonstruierten Schloßräume ist die aktive Konservierung (Fixierung lockerer Emailpartien) vorzunehmen. Die passive Konservierung erfolgt durch die Vermeidung schadstoffemittierender Materialien in den Ausstellungs- und Depoträumen sowie in allen Vitrinen. Im Fall der Exponate, die selbst Schadstoffe emittieren (z. B. der historische Tisch mit dem Großmogulhofstaat) sind zusätzliche Belüftungen und Schadstoffabsorber einzusetzen. Hierzu wird eine umfangreiche Liste von Forderungen und Empfehlungen erarbeitet (Termin 09/99). Der ursprüngliche Zeitplan für die praktische Durchführung wurde eingehalten, die veranschlagten Finanzmittel mußten durch zusätzliche Eigenmittel der BAM ergänzt werden. Die genehmigte Projektverlängerung (kostenneutral) wird für die Dokumentations- und Publikationsarbeiten benötigt.


Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation

1 Übersichtsbeitrag zum Gesamtergebnis in Restauro (10/99)
10 Einzelbeiträge zu den Teilergebnissen in Restauro (04/00)
Workshop mit ca. 70 Anwendern (03/99)
zahlreiche Vorträge bei unterschiedlichen Veranstaltungen


Fazit

Im Projektergebnis sind die Möglichkeiten für ein Aufhalten der Zerfallsprozesse aufgezeigt. Aktive und passive Konservierungsmaßnahmen können jetzt getroffen werden. Soweit es der Museumsbetrieb zuließ, wurden die Erkenntnisse zur Verbesserung der Aufbewahrungssituation bereits genutzt. Die Ergebnisse sind über das Grüne Gewölbe hinaus in allen Museen anwendbar, die ähnlich empfindliche Gläser und Emails besitzen. Eine zweckentsprechend optimierte Vitrine ist zur Zeit noch nicht auf dem Markt; sie kann nur in enger Kooperation mit einem Vitrinenbauunternehmen entwickelt werden.

Übersicht

Fördersumme

618.504,68 €

Förderzeitraum

25.11.1996 - 16.11.1999

Bundesland

Sachsen

Schlagwörter

Umweltkommunikation
Umwelttechnik